Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Vom prüden Lokal zum Eden
Auf Spurensuche rund um den Club in der Karlstraße
ULM - Wie ein Relikt aus den 50ern oder 60ern wirkt der Bau in der Ulmer Oststadt: In geschwungenen Lettern erleuchtet der Neonröhrenschriftzug „Eden“die Karlstraße. Und wenn die Rollläden nicht heruntergelassen sind, lächeln leicht bekleidete Pin-ups die Passanten an – Manuella, Gabriella, Erika, Claudia und Monika als Hinterglasmalerei. Peter Liptau ging jetzt mit Cora Schönemann, der (Mit-)Besitzerin der Immobilie, auf Spurensuche.
Hauptberuflich beleuchtet Liptau als stellvertretender Leiter des Stadtarchivs eher Neu-Ulmer Geschichte. In seiner Freizeit blickt der 38-Jährige gerne über diesen Tellerrand hinaus. Verfestigt habe sich dieses Interesse in seiner Tätigkeit am Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau in Karlsruhe. Der Kunstwissenschaftler findet es spannend, die architektonischen Perlen der Nachkriegszeit zu finden. So wie das Eden. „Das Faszinosum an diesem Laden ist, dass er sich über die Jahrzehnte kaum verändert hat.“Der Schriftzug „Eden“aus dem Jahr 1961 etwa. Aber auch im Inneren: inklusive der Strip-Stange und einer originalen Hausordnung.
Bevor die leichten Damen Einzug hielten, ging es dort konventionell zu. Vermutlich um 1878 habe es hier bereits eine Gaststätte gegeben, den Pfluggarten, einen Biergarten der damaligen Brauerei Pflug. Bei den Luftangriffen 1944 wurde der Bau zerstört. Nur der heute noch erhaltene Gartenzaun blieb neben dem Kellergewölbe erhalten. Liptau liegt ein Baugesuch aus dem Jahr 1954 vor, das bereits trotz folgender Anbauten das heutige Eden äußerlich erahnen lässt.
Der französisch angehauchte Namen der Gaststätte sollte schon damals im Nachkriegs-Ulm ein wenig Weltläufigkeit vermitteln: Atelier. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging es schon längst feuchtfröhlich zu: Im 1907 von der Königlichen Garnisonsverwaltung erbauten Offizierscasino war bis Mitte der 1950er-Jahre der „Blue Byway Club“untergebracht, ein Treffpunkt für US-amerikanische Unteroffiziere.
Aber das Lokal schloss früh und die Männer fern der Heimat mussten zu später Stunde nur die Karlstraße überqueren, um den Abend im Atelier in netter Gesellschaft zu beschließen. Aus dem eher prüden Tanzlokal sei so zunehmend ein Amüsierbetrieb geworden. Vorangetrieben durch die Dollars der US-Soldaten.
Der Namen Atelier wurde 1961 in Eden geändert. Liptau vermutet, dass dies in Anlehnung an die von Rolf Eden in Berlin etablierten Varieté-Theater und Nachtclubs geschah. 1963 kaufte die Familie Schöllkopf, der bereits die Ur-Gaststätte der Brauerei Pflug gehörte, das Anwesen. Im gleichen Jahr wurden die Innenräume umgestaltet: Teile dieser Ausstattung haben sich bis heute erhalten, von den Barhockern bis zur Bar. Geplant gewesen seien „humoristische, folkloristische oder rein gesellschaftstänzerische gute Darbietungen“. Keine nackte Haut: Nicht beabsichtigt seien „Entkleidungstänze, Schönheitstänze und dergleichen“. Offenbar hielt man sich nicht immer ganz daran. Denn 1971 ersuchten die Betreiber die Kommune um eine Konzession für „Vollakt- und Striptease-Vorstellungen“. Der Antrag wurde bewilligt mit der Einschränkung: „Die Darbietungen dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen.“
In den 1970ern verliert sich die Spur. Der wegen illegalen Glücksspiels verurteilte Manfred Hauschild, dem der „Spiegel“den Titel „Casino-Papst Deutschlands“gab, müsse das Gebäude bis 1989 in seinem Besitz gehabt haben. „Es folgten verwegene, doch stillere Jahre mit Striptease-Betrieb“, so Liptau. Mit dem Abzug der US-Soldaten verlagerte sich die Rotlicht-Meile in die Blaubeurer Straße. 2007 endete die Strip-Ära endgültig. Nach dem Verkauf an das gegenwärtige (Mit-)Besitzerpaar Schönemann entstand ein populärer Club. Ob es sich dieses Jahr wieder im „Lustgarten“, dem Außenareal, wandeln lässt, ob der Clubbetrieb wieder aufgenommen wird, steht wegen Corona aber in den Sternen. Allerdings wollen die Schönemanns eine Geschichtstafel mit Schlaglichtern anbringen, direkt neben Pin-up Gabriella.