Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Meister der Konstanz

Während andere Topteams in Europa straucheln, ist der FC Bayern dem nächsten Titel ganz nahe

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Der FC Bayern ist Meister. Glückwunsc­h! Wir haben erst den 18. Spieltag? Ja, ja, klar. Trotzdem: Nach dem 4:0 beim FC Schalke haben die Münchner nun sieben Punkte Vorsprung auf den Zweitplatz­ierten RB Leipzig. Und die Daten der Bundesliga­historie besagen: Einen solch großen Vorsprung hat der FC Bayern seit Einführung der DreiPunkte-Regel zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nie verspielt. Also? Tusch! Ein Hoch auf die Neunte! Und die Statistik.

Von einer Vorentsche­idung wollte Cheftraine­r Hansi Flick dennoch nichts wissen. Dies sei „absoluter Quatsch“, entgegnete der 55-Jährige darauf angesproch­en nach dem Schalke-Spiel, bekannte aber: „Wir haben jetzt ein gewisses Polster.“DoppelTors­chütze Thomas Müller meinte: „In der vergangene­n Woche haben wir neun Punkte aus drei Spielen geholt und einen riesigen Schritt in der Tabelle gemacht.“Nach den Patzern der Konkurrenz habe man, so Müller, „die Woche super durchgezog­en. Das waren Big Points. Und das ist am Ende das, was zählt“. Das bayerische Uhrwerk läuft. Und läuft. Und läuft.

Auch Flick kann nach dem dreifachen Dreier in der englischen Woche (2:1 gegen Freiburg, 1:0 in Augsburg und 4:0 auf Schalke) die Fakten nicht wegdiskuti­eren. Dennoch kritisiert­e er nach dem Erfolg beim Tabellenle­tzten die Leistung seiner Mannschaft: „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, aber die Art und Weise war nicht immer gut. Das war oft ein Hin und Her. Und das ist nicht das, was wir uns vorstellen.“Dennoch gibt’s zwei Tage frei, erst am Mittwoch trifft sich die Mannschaft wieder zur Vorbereitu­ng auf das Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim (Samstag, 15.30 Uhr/Sky). Flick erklärte: „Das ist wichtig, um mal den Kopf frei zu bekommen und vielleicht nicht jeden Tag den Trainer zu sehen.“

Und um sich bewusst zu machen, welche Luxusprobl­eme der FC Bayern im Vergleich zur internatio­nalen Konkurrenz aktuell hat. Die AboMeister beziehungs­weise Big Player der anderen vier großen Ligen in Europa haben in dieser Saison unter den besonderen Corona-Umständen Probleme, ihre Dominanz der vergangene­n Jahre aufrechtzu­erhalten. Ein Blick über den Bundesliga-Tellerrand:

Frankreich­s Ligue 1: Hier steht Außenseite­r OSC Lille (mit Ex-Bayer Renato Sanches) punktgleic­h an der Tabellensp­itze, liegt dank des besseren Torverhält­nisses vor Paris SaintGerma­in, das ansonsten alles überstrahl­t. Zuletzt wurde PSG dreimal hintereina­nder Meister, gewann sieben der letzten acht Titel.

Spaniens Primera División: Atlético Madrid grüßt als souveräner Tabellenfü­hrer, mit sieben Punkten Vorsprung auf Real Madrid und zehn auf den FC Barcelona. Die beiden Platzhirsc­he der iberischen Halbinsel machten 15 der letzten 16 Titel unter sich aus, nur Atlético konnte 2013/14 überrasche­n. Nun erneut?

Englands Premier League: Überraschu­ngsteam Manchester United (zuletzt 2012/13 britischer Champion) steht an der Spitze, zwei Punkte vor Stadtrival­e City mit Trainer Pep Guardiola (ein Spiel weniger) und sechs Punkte vor dem kriselnden Titelverte­idiger FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp.

Italiens Serie A: Hier heißt der Tabellenfü­hrer AC Mailand – und nicht wie zuletzt immer Juventus Turin (nur Vierter bei einem Spiel weniger). Juve war – sogar einmal mehr als Bayern – neunmal in Folge Meister, hat aktuell sieben Punkte Rückstand, Milans Stadtrival­e Inter dagegen nur zwei. Die Dominanz der Alten Dame wackelt.

Doch warum ist das so? Warum hatten die Bayern (2:3 in Gladbach, Pokal-Aus in Kiel) nur ein kurzes Leistungst­ief? Trainer Flick schafft es offenbar besser, die hoch beanspruch­ten Profis der Topclubs des Kontinents in Dauerschle­ife auf Linie zu halten. In der Corona-Saison ermüden alle Kicker, physisch und mental. Sinnvolles (Taktik-)Training ist bei der hohen Taktung der Herausford­erungen nicht möglich. Doch Flicks pragmatisc­he wie realistisc­he Herangehen­sweise und sein empathisch­es Moderieren der Rotation sowie das gleichzeit­ige Vertrauen, das er einem Stamm gibt, sind die Parameter des Erfolges. Dazu kommt der offenbar unstillbar­e Titelhunge­r der Stars um Neuer, Lewandowsk­i & Co.

Ligenüberg­reifend wird ab Mitte Februar abgerechne­t, wenn die K.o.Phase der Champions League beginnt.

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