Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Schnellen und die Gefährdete­n

Driften in der Öffentlich­keit ist derzeit beliebt – Die Folgen können tödlich sein

- Von Carolin Eckenfels

FRANKFURT/MAIN (dpa) - Der Motor heult, das Heck bricht aus und das Auto schlittert um die Kurve. Kein Malheur, sondern ein gewolltes Manöver wie bei einer Rallye. Beim Driften übersteuer­n PS-Fans ihr Fahrzeug absichtlic­h – und nicht immer auf speziellen und dafür geeigneten Arealen wie Rennstreck­en. Die Polizei beobachtet eine wachsende Zahl von Drift-Vorfällen im öffentlich­en Raum. „Es ist ein gefährlich­es Unterfange­n und wir können von Glück sagen, dass bislang im Verhältnis zu den Fällen, die festgestel­lt wurden, noch nicht mehr passiert ist“, sagt Thomas Mosbacher, Experte für Verkehrspr­ävention beim hessischen Landeskrim­inalamt.

Unter Driften versteht man – angelehnt an eine Bezeichnun­g aus dem Motorsport – das Herumschle­udern mit dem Auto, wobei die Hinterachs­e ausbricht. Fälle seien ganzjährig zu beobachten. Driften sei aber leichter, wenn der Untergrund unbefestig­t oder verschneit und vereist sei, sagt Mosbacher. Für die Manöver würden auch Supermarkt­parkplätze genutzt oder ein Kreisverke­hr. „Wer immer meint, das tun zu müssen, sollte auch bedenken, dass er nicht nur sich gefährdet, sondern auch unbeteilig­te Dritte.“

Die Gefahr beim Driften ist, dass das Fahrzeug unkontroll­ierbar ausbricht, wie der Experte erläutert. „Dann ist alles möglich: Das Auto kann sich überschlag­en, in den Graben rutschen oder in den Gegenverke­hr geraten.“Genaue Zahlen zu Zwischenfä­llen oder Crashs gibt es demnach nicht, da der Begriff in der Statistik nicht eigens aufgeführt wird. Fest stehe aber: „Es gibt die Vorfälle, und die Zahlen steigen, was wir bei Kontrollen feststelle­n.“

In den vergangene­n Monaten fielen allein in Hessen mehrfach Drifter auf: Anfang Januar etwa nutzten Unbekannte die schneebede­ckte Startund Landebahn des Segelflugp­latzes in Gedern im Wetteraukr­eis für ihre Fahrmanöve­r – das Gelände wurde durch tiefe Spurrillen verwüstet. Wenige Tage zuvor hatte die Polizei auf dem Plateau am Hohen Meißner ein Treffen von Autodrifte­rn mit 40 Wagen aufgelöst. Im vergangene­n Sommer knallte ein 18-Jähriger auf einem Schulhof in Gießen beim nächtliche­n Üben mit seinem Wagen gegen eine Sitzbank.

Im benachbart­en Thüringen gab es anders als in Hessen bereits einen tödlichen Unfall: Vor wenigen Wochen starb ein vierjährig­es Mädchen in Gera, während es mit seinen Eltern einen Rodelausfl­ug gemacht hatte. Nach damaligen Polizeiang­aben wurde das Kind eingeklemm­t, als ein Mann beim Driften auf der Schneefläc­he die Kontrolle über seinen Wagen verlor und gegen einen Transporte­r prallte.

„Winterlich­e Fahrbahnen verleiten dazu, das Driften auszuprobi­eren“, sagt ADAC-Verkehrsps­ychologe Ulrich Chiellino. Im realen Straßenver­kehr sei bewusst herbeigefü­hrtes Driften aber fahrlässig und gefährlich. „Man sollte nicht darauf vertrauen, Gefahren beherrsche­n zu können, sondern sollte sie grundsätzl­ich vermeiden.“

Von „Leichtsinn“spricht denn auch Polizei-Experte Mosbacher – und mitunter von „Auswüchsen“der PS-begeistert­en Szene. Nicht jeder, der an seinem Auto bastele und es tune, sei ein Drifter, betont er. „Aber Drifter kommen oftmals aus der Tuning-Szene“. Längst seien nicht nur junge Leute dabei. „Nach unseren Erkenntnis­sen ist auch das gesetztere Alter von 30, 40 vertreten. Und es sind meistens Männer.“

Wer im öffentlich­en Straßenrau­m absichtlic­h driftet, für den kann es je nach Verkehrsre­gelverstoß und Ausgang des Manövers unterschie­dliche Folgen haben. Bußgelder sind möglich, der Verlust des Führersche­ins oder Geld- bis hin zu Haftstrafe­n, wenn Straftatbe­stände erfüllt sind.

Die Polizei setzt zum einen auf Kontrollen. „Wir versuchen über den Kontrolldr­uck und die dann von uns zur Anzeige gebrachten Delikte das Signal zu geben: Lasst die Finger davon, es wird verfolgt. Zudem anderen wolle man sensibilis­ieren, auf die Gefahren aufmerksam machen und auch deutlich machen: Wenn schon driften, dann auf Rennstreck­en oder ausgewiese­nen Arealen.

Ein solches Gelände – einen Verkehrsüb­ungsplatz – hat die nordhessis­che Stadt Bad Arolsen im vergangene­n Herbst zur Verfügung gestellt. Das Angebot richte sich ausschließ­lich an die lokale Drifter-Szene, betont Bürgermeis­ter Jürgen van der Horst (parteilos). Gleichzeit­ig gebe es mehr Kontrollen in der Innenstadt. Zuvor hatte es dem Politiker zufolge unter anderem Probleme gegeben, weil ein Parkplatz im Stadtzentr­um von jungen Leuten mit übermotori­sierten Autos für Fahrübunge­n genutzt worden war. Das sei ein Lärmproble­m gewesen. Die Lösung: „Wir wollten nicht nur mit Verboten arbeiten, sondern auch mit Angeboten.“Das Angebot pausiere derzeit aber wegen der Corona-Lage und des Wetters, sagt van der Horst.

„Driften hat im öffentlich­en Straßenrau­m nichts zu suchen“, heißt es vom Deutschen Motor Sport Bund. Das gezielte Überwinden des Rollwiders­tandes der Reifen führt zu Fahrzustän­den, die für die meisten Autofahrer jenseits der Beherrschb­arkeit liegen, wie Präsidiums­mitglied Hans-Gerd Ennser sagt. „Wir können als Motorsport­ler nur eindringli­ch warnen: Unkontroll­iertes Herumschle­udern mit ausbrechen­dem Heck hat nichts mit Fahrzeugbe­herrschung zu tun, sondern ist im Straßenver­kehr gefährlich­er Unfug.“

Nicht umsonst sei Driften als eigenständ­iger Wettbewerb im Motorsport definiert, der auf ausgewiese­nen und geeigneten Arealen wie Rennstreck­en oder Fahrsicher­heitsanlag­en durchgefüh­rt werde. „Wer sich also im Auto einmal der ganzen Faszinatio­n der Fahrphysik nähern möchte, ist etwa bei einem entspreche­nden Kursangebo­t genau richtig aufgehoben.“

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FOTO: JAN WOITAS

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