Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Die Borst-Kreuzung ist Formsache“
Regierungspräsident Klaus Tappeser über Corona, Schulen, Infrastruktur und Biosphäre
LAICHINGEN/EHINGEN - Regierungspräsident Klaus Tappeser und seine Behörde, das Regierungspräsidium Tübingen, sind seit der Corona-Krise besonders gefordert. Im Gespräch mit SZ-Redaktionsleiter Tobias Götz hat der Regierungspräsident nicht nur über Corona und über Infrastrukturprojekte wie die Borst-Kreuzung, die Umfahrungen in Rißtissen und Deppenhausen gesprochen, sondern auch über das Biosphärengebiet und die Schulen.
Herr Tappeser, wie sehr hat die Corona-Pandemie bisher die Arbeit des Regierungspräsidiums beeinflusst?
Als wir das erste Mal von einem Virus in China gehört haben, das war Ende November, Anfang Dezember 2019, haben wir damit begonnen, uns zu überlegen, wie wir effektiv und sinnvoll von Zuhause aus arbeiten könnten. Das war vorausschauend. Und trotzdem hatten wir dann zu Beginn der ersten Welle, die nach der Fasnet so langsam begann, von unseren rund 2000 Mitarbeitern 80 Mitarbeiter, die keine adäquate IT-Ausstattung und damit keine Arbeit mehr hatten.
Wie sind Sie mit diesen Mitarbeitern umgegangen?
Zu Beginn haben wir, wie viele Unternehmen auch, Überstunden und alten Urlaub abgebaut. Das hat ganz gut funktioniert. Im Zuge des Homeoffices haben wir unseren Führungskräften wie den Referatsleitern dann Schulungen angeboten, die unter dem Titel „Führen auf Distanz“stattgefunden haben. Denn uns war es wichtig, die Menschen aus den Büros in das Homeoffice zu bekommen. Aktuell haben wir eine Homeofficequote von 75 Prozent.
Hatten Sie von Beginn an die dafür notwendige Technik wie Laptops und die entsprechende Software zur Verfügung?
Viele Mitarbeiter waren schon fit in Sachen Homeoffice. Unsere Pharmazieleute sind weltweit unterwegs, auch die Mitarbeiter im Beschussamt oder die Verbraucherschützer arbeiten oft mobil. Ich bin aber Innenminister Thomas Strobl dankbar, dass er hier schnell und unbürokratisch die richtige Technik zur Verfügung gestellt hat.
War das Regierungspräsidium in Gefahr, nicht mehr handlungsfähig zu sein?
Nein. Diese Gefahr bestand zu keinem Zeitpunkt. Was aber der Fall war, ist, dass auch wir Anfangsschwierigkeiten mit der Technik hatten, vor allem bei den Skype-Konferenzen mit den Landräten oder Oberbürgermeistern. Da bin auch ich ab und zu rausgeflogen. Das Problem haben wir längst im Griff, mittlerweile sind solche Konferenzen wie überall Alltag.
Ihre Besuche in den Kommunen sind aber deutlich weniger geworden. Vermissen Sie die Begegnungen?
Natürlich. In normalen Jahren hatten wir rund 1000 Termine, die sich nun deutlich reduziert haben. Ich habe aber das Glück, dass ich bei unseren Videokonferenzen die Akteure wie Oberbürgermeister oder Landräte alle persönlich kenne. Wären diese Menschen mir fremd, wäre eine Videokonferenz sicher schwieriger.
Arbeiten auch Sie im Homeoffice?
Ja, es gibt Tage, da kann ich alles von daheim aus machen. Es gibt aber auch Tage, da muss es zu persönlichen Treffen kommen, sei es mit Mitarbeitern, die ein Problem haben, oder mit einem Bürgermeister.
Seit vielen Jahren warten die Menschen in und um Ehingen sehnsüchtig auf den Ausbau und die Ertüchtigung der Borst-Kreuzung an der B311. Werden wir den Umbau noch erleben?
Davon gehe ich stark aus. Die BorstKreuzung war mir schon als junger Soldat ein Dorn im Auge und das ist viele Jahrzehnte her. Wir sind hier bei diesem Thema aber auf einem guten Weg, ohne jetzt leere Versprechungen machen zu wollen. Es gibt eine Planung, die ist verwendbar und vom Bundesverkehrsministerium auch abgenickt. Die Maßnahme umfasst den Bau einer vollwertigen Anschlussstelle mit zwei Kreisverkehren und den dreistreifigen Ausbau der B311 zwischen dem Knoten „Rosengarten“und Ehingen-Gamerschwang. Die Maßnahme ist extrem wichtig, da die B311 die wichtige OstWest-Achse zwischen Ulm und Freiburg ist. Diese Achse ist lange vernachlässigt worden, jetzt arbeiten wir daran, die einzelnen Abschnitte nachzuziehen. Wir wollen ja die B311 auch im Bereich der Borst-Kreuzung dreispurig machen und die Verkehrssicherheitund qualität erhöhen. Wir sind gerade dabei, die straßenrechtlichen Grundlagen zu erstellen und ein sogenanntes Sicherheitsaudit zu machen. Das ist relativ neu und bezieht sich auf die Sicherheit und die Machbarkeit der Planung. Wir gehen auch davon aus, dass die Genehmigungen der BorstKreuzung Formsache sind.
Hand aufs Herz. Wann wird hier endlich gebaut?
Ich bin guten Mutes, dass das bald passieren wird. Eine genaue Zeitangabe wäre aber nicht seriös.
Wie schaut es mit der Umgehung in Rißtissen aus? Auch hier warten viele, dass es endlich losgeht.
Zurecht. Dass wir die Umgehung brauchen und im gleichen Zuge die Straße nach Laupheim bis zur Kreisgrenze ertüchtigt werden soll, ist unbestritten. Die Ortsumfahrung ist „mit weit fortgeschrittener Planung“ mit Lückenschluss bis zur Kreisgrenze etabliert, die Planfeststellung erfolgte im August 2019. Aktuell sind aber sieben Klagen anhängig, die das Verfahren extrem verlangsamen. Wir haben das Verfahren deswegen momentan auf ruhend gestellt, auch um Aggressionen rauszunehmen. Es geht im Kern um Grundstücksverhandlungen und den Kaufpreis. Sprich – es geht ums Geld. Mitte 2021 wollen wir aber die Entwurfsplanung der Brücke über die Riß präsentieren. Wir hoffen, dass wir im Jahr 2024 mit den Straßenbauarbeiten beginnen können.
Im Gegenzug können Sie aktuell mit der Erbacher Querspange doch zufrieden sein?
Absolut. Die Maßnahme läuft, die Kostensteigerungen konnten mit dem Bund abgeklärt werden. Mit der Querspange können wir nicht nur Erbach und die Ortsteile entlasten, sondern auch die Stadt Ulm.
Wie schaut es bei der Ortsumfahrung Deppenhausen aus? Ebenfalls ein wichtiger Punkt, um die B311 flüssiger zu machen.
Das stimmt. Die Ortsumgehung ist allerdings nicht vor dem Jahr 2025 ein Thema, da sie erst in der sogenannten zweiten Gruppe verankert ist. Wir schaffen es auch rein planerisch gar nicht, hier aktuelle Fortschritte zu machen. Unser Planungsreferat ist sehr stark gefordert, obwohl wir jetzt schon alle Planungen an Büros vergeben und uns auf die Funktion eines Bauherren beschränken.
Seit vielen Jahren wird eine Forderung für die Umgehungsstraße in Nellingen laut. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Frühestens im Jahr 2025 kann es hier Neuigkeiten geben. Die Straße ist derzeit nicht im Generalverkehrsplan
drin, daher haben wir auch keinen Planungsauftrag. Ich weiß aber, dass darüber seit dem Jahr 2004 gesprochen wird.
Das Biosphärengebiet ist nun zehn Jahre alt. Allerdings ist das Aufnahmeverfahren für Kommunen, die Mitglied werden möchten, aktuell gestoppt. Warum?
Grundsätzlich ist das Biosphärengebiet Schwäbische Alb ein Segen. Am Anfang taten sich noch viele damit schwer, vor allem mit dem sperrigen Begriff. Jetzt, nach zehn Jahren, haben wir es geschafft, die Ökologie und Ökonomie zukunftsfähig zu machen, das Gebiet ist ein Gewinn für das ganze Land. Es gibt bereits zertifizierte Biosphärenschulen, die das Biosphärengebiet im Lehrplan haben, es gibt die Marke Albgemacht und der Tourismus boomt und trotz Corona hatten wir vergangenen Sommer hohe Übernachtungszahlen. Um neue Kommunen aber aufnehmen zu können, müssen wir die Ergebnisse und die Erkenntnisse aus der aktuellen Evaluierung abwarten. Da gibt es noch viele Einzelheiten, die noch nicht bekannt sind. Wir haben beispielsweise eine Kernzonenproblematik. Denn in den als Kernzone definierten Gebieten darf nichts verändert werden, was oft eine Belastung darstellen kann. Dann gibt es die Pflegezone, die Veränderungen zulässt. Wir müssen auch beachten, dass ein Biosphärengebiet nicht nur eine Mindest- sondern auch Maximalgröße hat. Deswegen müssen wir schauen, welche Kommunen das Biosphärengebiet abrunden könnten, aber auch welche nicht. Wir müssen Kriterien aufstellen, was diese Kommunen mitbringen müssen. Deshalb brauchen wir hier noch Zeit.
Gerade in der Pandemie hängen Schulen sehr in der Luft. Was kommt da bei Ihnen an der Spitze des Regierungspräsidiums an?
Vieles. Ich weiß, dass in den Schulen von den Lehrkräften gerade Knochenarbeit verrichtet wird. Oft wird vorgeworfen, dass die Schulämter kein Konzept hätten. Das stimmt so aber nicht. Ich bin der Meinung, dass wir hier bei der Entscheidung dezentraler werden müssen. Die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Schülerinnen und Schüler wissen doch vor Ort am besten, was sie brauchen und was ihnen gut tut. Ich finde, dass wir hier in Zukunft mehr vor Ort regeln sollten. Übrigens auch was das Thema Präsenz anbelangt.
Sehen Sie eine Gefahr, dass die Bildungslücken im Grundschulbereich und bei den Abschlussklassen irreparabel werden, je länger die Schulen dicht sind?
Nein. Die Gefahr der Bildungslücken kann es geben, ich warne aber davor, die Situation in Sachen Bildung zu dramatisieren.
Wie würden Sie Ihre Beziehung und Ihre Drähte in den Alb-DonauKreis beschreiben?
Sehr gut. Das beweist alleine die Tatsache, dass ich sehr oft im Kreisgebiet unterwegs bin und beispielsweise mit OB Alexander Baumann einen langjährigen Vertrauten habe. Aber auch zu Landrat Heiner Scheffold, oder zu Ulms OB Gunter Czisch habe ich ein sehr gutes Verhältnis. Und natürlich auch zu vielen Bürgermeistern und den Abgeordneten habe ich eine gute Beziehung. Man muss aber auch sagen, dass hier im Alb-DonauKreis viel geschafft und viel bewegt wird.
Herr Tappeser, wir stehen mit den Landtagswahlen und den Bundestagswahlen vor einem Superwahljahr.
Vor einem sehr spannenden dazu. Ich vermag momentan die politische Lage auch nur schwer einzuschätzen und wage daher keine Prognose. Spannend finde ich aber, wie der virtuelle Wahlkampf läuft, was wir jüngst beim Landesparteitag der CDU gesehen haben.