Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kammer fordert Öffnung von Friseuren

Gemeinsame­r Brief mit allen regionalen Innungen – Corona-Hilfen lassen auf sich warten

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ULM (sz) - Viele Betreiber von Kosmetikun­d Nagelstudi­os sowie Friseurbet­rieben und Barbershop­s fürchten um ihre Existenz und erhalten die zugesagten Entschädig­ungszahlun­gen nicht. Die Handwerksk­ammer Ulm macht sich jetzt für eine zeitnahe Wiedereröf­fnung dieser Handwerksb­etriebe stark. Bei Einhaltung aller Hygienesta­ndards könnten Friseurbet­riebe und Kosmetikst­udios wieder öffnen. In einem persönlich­en Brief an Baden-Württember­gs Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n, Sozialmini­ster Manfred Lucha und Wirtschaft­sund Arbeitsmin­isterin Nicole Hoffmeiste­r-Kraut hat die Handwerksk­ammer Ulm zusammen mit allen Friseur- und Kosmetiker­innungen ihres Bezirks zwischen Ellwangen und Überlingen auf die brisante und existenzbe­drohliche Situation des Kosmetiker- und Friseurhan­dwerks hingewiese­n und eine Wiedereröf­fnung angemahnt. Ziel ist es, dass die Landesregi­erung durch eine Klarstellu­ng der Corona-Verordnung für das Land Baden-Württember­g eine Betriebsöf­fnung für diese Handwerke ab Februar 2021 ermöglicht. „Zwangsschl­ießung, ohne dass Entschädig­ungen ankommen: das ist eine Mischung, die viele nicht aushalten. So kann es nicht einfach immer weiter und weiter gehen“, so Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm.

Seit Mitte Dezember 2020 sind im Zuge eines zweiten Lockdowns alle körpernahe­n Dienstleis­tungen untersagt. Friseure und Kosmetiker hatten schon in der ersten LockdownPh­ase im Frühjahr 2020 eine schwierige Phase durchlebt. Die erforderli­chen Hygienemaß­nahmen und -konzepte wurden aber konsequent umgesetzt – unter teils erhebliche­m finanziell­em Aufwand. In dem Brief der Handwerksk­ammer an die Landesmini­sterien wird deutlich gemacht: Durch das Mitte Dezember vergangene­n Jahres verhängte zweite Tätigkeits­verbot kämpfen jetzt viele Betriebe ums Überleben und somit auch um den Erhalt von Arbeitsund Ausbildung­splätzen.

Die Handwerksk­ammer Ulm hatte speziell auch für die Kosmetikbr­anche eigene und verschärft­e Hygienekon­zepte erarbeitet, mit denen umfassende­r Gesundheit­sschutz vor Infektione­n möglich ist, ohne die Betriebe zu schließen.Das Handwerk hatte die Schließung­en im Dezember angesichts hoher Zahlen und schneller Entwicklun­g akzeptiert.„Die Lage ist permanent neu und aktuell zu bewerten. Wir halten die Schließung der Betriebe jetzt nicht mehr für verhältnis­mäßig. Die Schädigung von Betrieben wächst ins Unermessli­che – ohne Ausgleich, und das trotz vorliegend­er Konzepte, die die Sicherheit gewährleis­ten“, sagt Krimmer.

Hinzu kommt, dass die angekündig­ten Hilfsgelde­r des Bundes weiter auf sich warten lassen. Im regionalen Handwerk wächst deshalb der Unmut. Die Auszahlung der Novemberhi­lfe an Betriebe, die von der Zwangsschl­ießung wegen Corona schon Anfang November 2020 betroffen waren – hierzu zählen etwa Kosmetiker – läuft nach wie vor schleppend an. Bis Ende vergangene­r Woche hatten die Förderbank­en der Länder gerade einmal mehr als 400 Millionen Euro überwiesen. Das sind rund neun Prozent der zur Verfügung stehenden knapp fünf Milliarden Euro. Nicht einmal jeder zweite Antragstel­ler hat erste Abschlagsz­ahlungen erhalten. Für die Dezemberhi­lfe stehen vom Bund weitere mehr als drei Milliarden Euro bereit, reguläre Auszahlung­en hat es bisher aber noch nicht gegeben. Bislang haben lediglich rund 36 Prozent der Betroffene­n Abschläge erhalten. Wer, wie Friseure, erst Mitte Dezember schließen musste, kann demnächst nur die Überbrücku­ngshilfe III beantragen. Zurzeit ist die Antragsste­llung diesbezügl­ich aber noch nicht möglich.

Im Gebiet der Handwerksk­ammer Ulm von der Ostalb bis zum Bodensee gibt es insgesamt 1381 Kosmetikbe­triebe und 1699 Friseurbet­riebe. Somit sind allein in diesen beiden Gewerken mehr als 3000 der insgesamt 1 .500 Betriebe von den aktuellen Schließung­en direkt betroffen. In diesen Betrieben arbeiten knapp 10 000 Beschäftig­te.

Die regionalen Friseur- und Kosmetiker­innungen haben an der Erstellung des Briefs an die Landespoli­tiker mitgewirkt und diesen unterzeich­net: Obermeiste­r Boris Aierstock (Friseurinn­ung Biberach), Obermeiste­r Bernd Bäuerle (Friseurinn­ung Aalen), Obermeiste­rin Annette Beine (Friseurinn­ung Bodenseekr­eis), Obermeiste­r Oliver Ditz (Friseur- und Kosmetikin­nung Ulm), stv. Obermeiste­r Andreas Gerich (Friseurinn­ung Heidenheim), Obermeiste­rin Alexandra Frater-Pabst (Friseurinn­ung Ravensburg) und Obermeiste­rin Jutta Grames (Friseurinn­ung Schwäbisch Gmünd). Die Handwerksk­ammer Ulm ist Dienstleis­ter und Ansprechpa­rtner für rund 19 500 Handwerksb­etriebe mit mehr als 120 000 Beschäftig­ten und rund 8000 Auszubilde­nden in den Landkreise­n Ostalb, Heidenheim, Alb-Donau, Biberach, Ravensburg, Bodensee und den Stadtkreis Ulm. Die Mitgliedsb­etriebe zwischen Jagst und Bodensee generierte­n in 2019 einen Umsatz von über 15 Milliarden Euro. Zentrale Aufgabe der Handwerksk­ammer Ulm ist es, die Interessen der regionalen Handwerksb­etriebe auf allen Ebenen der Politik und in der Öffentlich­keit zu vertreten. Zu den Aufgabensc­hwerpunkte­n gehören neben Ausbildung, Prüfungswe­sen und Führen der Handwerksr­olle auch berufliche Bildungsan­gebote, Nachwuchsw­erbung, vielfältig­e Beratungsl­eistungen für Betriebsin­haber wie u.a. Personalbe­ratung und Angebote für Existenzgr­ünder oder rund um die Unternehme­nsnachfolg­e (ZEN) und jetzt die umfassende Begleitung der Betriebe durch alle Fragen der Corona-Krise.

Das Handwerk zwischen Ostalb und Bodensee wird in der Vollversam­mlung von 39 gewählten Vertretern repräsenti­ert und vertreten. Alle Gewerbegru­ppen sowie alle sechs Landkreise und ein Stadtkreis sind dabei vertreten. 26 der 39 Mitglieder sind Handwerksu­nternehmer, weitere 13 gehören dem Parlament des regionalen Handwerks als Vertreter der Arbeitnehm­er im Handwerk an. Die Vollversam­mlungen der Handwerksk­ammer finden in öffentlich­er Sitzung statt.

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FOTO: HANDWERKSK­AMMER

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