Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
In Sachen Olympia ein klarer Auftrag
Zeit für Frust bleibt deutschen Handballern nach WM-Rang zwölf kaum – Heikle Qualifikation
KAIRO (SID/dpa) - Die Gedanken an olympisches Gold waren am Tag nach der historischen Handballschmach ganz weit weg. Zermürbt von der herben Kritik am schlechtesten Abschneiden der deutschen WM-Geschichte wollten Kapitän Uwe Gensheimer und Co. einfach nur raus aus der „Bubble“und endlich nach Hause. „Wir haben uns alle mehr erhofft. Es war auch in den entscheidenden Spielen mehr drin. Das tut weh, ja“, räumte Gensheimer ein, bevor die deutschen Handballer am Dienstag in das Charterflugzeug gen Heimat kletterten. Von Aufbruchstimmung fehlte im Team von Bundestrainer Alfred Gislason bei der Rückreise vom am Ende vollkommen vermasselten WMAbenteuer in Ägypten jede Spur.
Das schwer enttäuschende 23:23 (11:12) beim WM-Abschluss gegen biedere Polen warf viel mehr weitere Fragen als ohnehin schon auf. Vor der Olympiaqualifikation im März steigt der Druck spürbar, auch vonseiten der Verbandsführung. „Es wird langsam wieder Zeit, einen Erfolg einzufahren“, mahnte der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), Andreas Michelmann, an: „Wir brauchen jetzt Olympia, um wieder die Kurve nach oben zu bekommen.“Und auch Bob Hanning verteilte mit Blick auf das Qualifikationsturnier einen klaren Auftrag. „Dann müssen wir zusammen mit den Spielern, die dann zurückkommen, einfach liefern“, sagte der Verbandsvizepräsident. „Dann wird sich zeigen, ob wir mit dieser Generation, so wie ich es immer für möglich gehalten habe, auch wirklich zur Weltspitze gehören.“
In den drei eminent wichtigen Spielen in Berlin gegen Rekord-Europameister Schweden, den EM-Vierten Slowenien und Algerien muss das deutsche Team bestehen, um das in Ägypten verbal erneuerte Goldziel in Tokio überhaupt erst angehen zu können. Zugute kommt dem DHB-Team, dass dann etliche Stammspieler wie die Kieler Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler wieder dabei sein dürften. „Es gibt sicherlich eine Verstärkung, trotzdem wird es kein Selbstläufer“, schrieb Altbundestrainer Heiner Brand seinen Erben ins Stammbuch. Zumal nicht viel Zeit zur Vorbereitung bleibt. Er habe „nur vier Trainingstage, bevor die Spiele losgehen“, klagte Alfred Gislason bereits.
Von der Weltspitze war das zwangsweise umgebaute deutsche Team in Ägypten ein gutes Stück entfernt, der historisch schlechte zwölfte Platz dokumentierte dies. Nur zwei sportliche Siege gegen Uruguay und
Brasilien (die zweite und dritte Garde des Welthandballs), dazu die Niederlagen in den Schlüsselspielen gegen Ungarn (28:29) und Spanien (28:32) – das ist zu wenig. „Eine gewisse Enttäuschung ist schon angebracht“, sagte Brand, als Platz elf von 2011 – damals unter seiner Regie – als schlechtestes DHB-Ergebnis abgelöst war (zweimal allerdings, 1990 und 1997, hatte Deutschland in der 83-jährigen WM-Geschichte auch schon die Endrunde verpasst).
Ohne den in Ägypten fehlenden Weltklasse-Innenblock mit Wiencek und Pekeler spielt Deutschland mit den Besten nicht auf Augenhöhe. Die Weltklasse-Torhüter um Andreas Wolff spielten nicht wie WeltklasseTorhüter. Und das Angriffsspiel zeigte zwar gute Ansätze, blieb aber gegen Polen, gegen das ein versöhnlicher Abschluss gelingen sollte, völlig harmlos. Zudem versagten den DHBStars um Uwe Gensheimer in CrunchTime-Momenten stets die Nerven.
Das Dauerthema „Chancenverwertung“prägte folglich auch das Polen-Spiel. „Wir hätten mindestens 30 Tore werfen müssen“, analysierte Alfred Gislason nach Spielende, hätte dies aber nach allen deutschen Partien sagen können. Dennoch fand der Isländer insgesamt lobende Worte:
„Wir wussten alle, welche Probleme auf uns zukommen würden. Die Mannschaft hat es großteils gut gemacht, ich kann ihr keinen Vorwurf machen.“
Nach seinem ersten Turnier als DHB-Coach war dem 61-Jährigen diese Sichtweise gegönnt. Doch die Kritik von außen, vor allem an Führungsspielern wie Gensheimer und Wolff, ist nicht verwunderlich. Umso überraschender war, wie dünnhäutig das DHB-Team auf diese reagierte. „Es ist zum Kotzen“, befand etwa Philipp Weber im ZDF. „Sobald das deutsche Team nicht so spielt, wie die Medien es haben wollen, wird immer etwas gesucht und immer wieder in die Wunde reingedrückt. Das geht uns tierisch auf den Sack.“Zuvor hatte sich schon Gensheimer über den Tonfall in der Berichterstattung mokiert.
Doch auch dieses Duo dürfte wissen: In Ägypten hatte das DHB-Team ganz andere Probleme.
Die WM-Viertelfinalpaarungen am Mittwoch: Dänemark – Ägypten (17.30 Uhr; live bei Eurosport), Frankreich – Ungarn (20.30 Uhr), Schweden – Katar (20.30 Uhr) und Spanien – Norwegen (20.30 Uhr; live bei Eurosport).