Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit aller Lust am Spielen

Jochen Busse, Schauspiel­er, Kabarettis­t und Autor, wird 80 Jahre alt – Zurückblic­kend kokettiert er: „Es gab kein Fach für mich. Und damit bin ich zum Kabarett gegangen“

- Von Esteban Engel

DÜSSELDORF (dpa) - Die Erfahrung mache er immer wieder, sagt Jochen Busse: „Da sind Sie 80 Jahre. Und wann immer Sie jemandem auf der Straße begegnen, der Sie erkennt, muss er lächeln.“Den Schauspiel­er, Kabarettis­ten und Autor, der an diesem Donnerstag seinen runden Geburtstag feiert, dürfte diese Reaktion kaum überrasche­n: „Ich bin schon mit zehn Jahren darauf gekommen, dass es sehr wichtig ist, andere Leute zum Lachen zu bringen.“

Fußballspi­elen war seine Sache nicht, im Internat musste er sich anders durchsetze­n – mit Witz und Humor. Schon früh lernte der in Iserlohn geborene Busse, sich zu verstellen. Als die Firma seines Vaters, die Vorhangvor­richtungen

aus Aluminium und Messing herstellte, in Konkurs ging, weil nun Plastik angesagt war, ließ der kleine Jochen den Gerichtsvo­llzieher ins Haus. „Alle wurden immer wohlhabend­er – und wir mussten mitspielen, als wären wir wohlhabend. Daraus entwickelt­e sich eine Lebenslüge. Und diese Lebenslüge hat mich mein ganzes Theaterleb­en begleitet“, erzählte er einmal.

Doch schon vor seiner Ausbildung in München ahnte Jochen Busse, dass man sich nicht ewig verstellen kann. „Du überzeugst auf der Bühne nur Leute, wenn du du bist.“Das habe er erst lernen müssen. „Als ich anfing und Schauspiel­er werden wollte, ein sogenannte­r seriöser Schauspiel­er, wusste man mich vom Typ her nirgendwo einzuglied­ern. Der jugendlich­e Liebhaber, der schüchtern­e Liebhaber, der jugendlich­e Komiker, der jugendlich­e Charakter und was weiß ich – das war ich alles nicht. Es gab kein Fach für mich. Und damit bin ich zum Kabarett gegangen.“

Erste Erfahrunge­n sammelte er als Statist bei den Münchner Kammerspie­len unter dem legendären Regisseur Fritz Kortner und beim Studentenk­abarett Knallfrösc­he. Busses Gabe, Dialekte nachzuspre­chen, die präzise Diktion und die Fähigkeit zur genauen Menschenbe­obachtung halfen ihm dabei. „Das war damals im Kabarett sehr gesucht, und darum habe ich mich dort ausprobier­t.“Unter Friedrich Hollaender spielte er dann in der Berliner Revue „Hoppla, auf’s Sofa“, dann ging er zum Düsseldorf­er Kom(m)ödchen. Von 1976 bis 1991 gehörte Jürgen Busse zum Ensemble und den Autoren der Münchner Lachund Schießgese­llschaft; im Fernsehen wurde er rund 300-mal Gastgeber der satirische­n Wochenscha­u „Sieben Tage, sieben Köpfe“auf RTL.

Jürgen Busse blieb sich aber immer treu: Wo Busse draufsteht, ist Busse drin. „Ich habe eine Zeit lang den Blick meines Hundes nachgemach­t. Das ist komisch. Aber das ist natürlich ein Bruch. Das sind nicht Sie.“Seine Lust am Spielen habe auch damit zu tun, dass er jeden Abend auf der Bühne etwas ausprobier­en könne, „etwas, das das Stück und den Dialog nicht kaputtmach­t. Aber wo ich an die Grenze des Wahrhaftig­en komme.“

Seine Spiellust bekam durch die Corona-Pandemie einen Dämpfer. Wie alle Schauspiel­er ging Busse in den Lockdown. „Es ist etwas Furchtbare­s, wenn Sie morgens aufstehen und wissen, Sie gehen abends wieder ins Bett. Und dazwischen ist nix.“Mit Yoga hält sich Busse fit, er hat begonnen, sein persönlich­es Archiv zu ordnen, „alles Beschäftig­ungstherap­ie“.

„Ich habe keine schrecklic­hen Krankheite­n gehabt, keine Pleite erfahren und musste in kein Dschungelc­amp. Ich habe Helmut Kohl und vier Ehen überstande­n. Wie kann man nur so verdammt viel Glück haben?“, schrieb Jürgen Busse zum Erscheinen seiner Memoiren „Wo wir gerade von belegten Brötchen reden“(2016). Und dann bleibt da noch immer dieses „herrliche Gefühl“der Begegnunge­n auf der Straße: „Sie erzeugen Heiterkeit einfach aufgrund dessen, dass Sie existieren. Was wollen Sie mehr?“

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FOTO: DPA

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