Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die Stelzenmänner gehören einfach zur Westerheimer Fasnet
Heute finden sich bei der IGF 24 Stelzenläufer, die aus einer besonderen Perspektive auf Publikum und Narrenvolk schauen dürfen
WESTERHEIM - Die Stelzen der Interessengemeinschaft Fasnet Westerheim (IGF) sind ein besonderes Aushängeschild des Vereins: weil sie das IGF-Wappen zieren, weil sie dem Westerheimer Schlachtruf den Namen verleihen und weil sie wohl eine einmalige Fasnetsgruppe in der weiten Umgebung sind. Die Stelzenläufer der IGF fallen auf, schon weil sie erhaben und gekonnt daher marschieren, ja fast majestätisch.
Vor allem bei Fasnetsumzügen und Brauchtumsabenden landauf landab sind sie anzutreffen. Mit ihrem schwarz-blauen Frack und Zylinder geben sie ein gutes Bild ab und sind schon aufgrund ihrer Größe nicht zu übersehen, aber auch immer wieder gut zu hören, schreien sie doch den Schlachtruf der IGF mit einem dreimaligen „Stelza hoi“hinaus in die Runde. Seit 2014 sind Patrick Rehm und Julian Rehm die Gruppenleiter der IGF-Stelzen.
Derzeit sind es 24 Mann, die die Stelzen der IGF bilden, mit Alter zwischen 20 und Anfang 50 Jahren, wie Gruppenleiter Julian Rehm verrät: Martin Kneer mit etwas über 50 ist der älteste Stelzenläufer, die jüngsten mit etwa 20 Jahren sind Niklaus Naujoks und Sebastian Rehm. Diese beiden Männer sind erst in der vergangenen Saison zu den Stelzen gestoßen. „Wir sind ein netter und fideler Haufen, der die Fasnet liebt und der gerne von oben nach unten auf die Leute schielt“, erzählt schmunzelnd Julian Rehm.
Und auch sein Kollege Patrick Rehm, mit den weder verwandt noch verschwägert ist, sieht dies ähnlich: „Es ist schon ein erhabenes Gefühl, über den Leuten am Straßenrand zu stehen.“Die Perspektive so etwa 80 Zentimeter über dem Boden sei gleich eine andere und eine besondere. „Oben auf den Stelzen haben wir einen ganz anderen Überblick“, unterstreicht Patrick Rehm.
Denn im Schnitt 80 bis 100 Zentimeter hoch steigen die Stelzenläufer der IGF und rücken so dem Himmel ein Stück näher. Sie fühlen sich da oben auf den Stangen ganz sicher, wie Patrick und Julian Rehm darlegen. Groß üben brauchen sie das Jahr über nicht, das Stelzengehen sei so wie das Fahrradfahren: Einmal gelernt und man beherrscht es. Zu Beginn beim erstmaligen Laufen fühle mach sich noch unsicher und werde von Kollegen gehalten und etwas abgesichert, doch dann marschiere man recht sicher in der Truppe mit. „Anfangs hatte ich schon etwas Respekt und ein mulmiges Gefühl, als ich es erstmals mit den Stelzen versuchte“, erinnert sich Patrick Rehm. Heute reiche ein kurzes Training vor den ersten Auftritten voll aus.
Es gibt zwei Modelle an Stelzen, mit denen sich die Läufer an den langen Stangen und der Quersprosse befestigen: die Variante Skischuh und die Variante Riemen. Bei der Variante Skischuh ist, wie der Name schon sagt, ein Skischuh auf die Plattform der Stelzen montiert, in welchen die
Läufer hineinschlüpfen können. Somit stehen sie sicher mit den Stelzen verbunden. Die Straßenschuhe der Läufer werden dann meist mit einem Riemen an den Stelzen fest gemacht. Bei der Variante Riemen stehen die Läufer direkt auf der Plattform der Stelzen. Mithilfe von meistens drei Riemen schnallen sich die Läufer sicher auf die Plattform. Hierbei geht einer über den Schuh vorne bei den Zehen, ein zweiter befindet sich hinten beim Stoß von Fuß und Bein und der dritte ist am Schienbein befestigt. „Der wichtigste Riemen ist der hinten am Fuß, weil er den Läufer stabil auf die Plattform drückt“, erläutert Julian Rehm und sein Abteilungskollege Patrick Rehm ergänzt: „Das Gleichgewicht sollte man auf jeden Fall halten können und keine Angst haben.“Das Einfachste sei, von einem Biertisch aus sitzend, sich die Stelzen anzuschnallen. Ein langer Stock zum Abstützen kommt hinzu.
Zur Fasnetszeit treffen sich die
Patrick Rehm aus Westerheim
Stelzen mehrmals wöchentlich, denn gemeinsam mit den anderen IGFGruppierungen wie den Schalmeien, den Hellstera-Male oder den Schrezen geht es zu Brauchtumsabenden und Umzügen hinaus in die Ferne, wo die Stelzenmänner aufgrund ihrer Größe und Einmaligkeit immer einen Blickfang bilden. Alle Jahre wieder bringen sich die Stelzen auch mit lustigen Beiträgen oder Sketchen bei den Bürgerbällen ein, den es in diesem Jahr allerdings Corona-bedingt am Samstag, 6. Februar, von 20 Uhr an nur online zu erleben gibt. Bei dem Zusammenschnitt aus Highlights aus vergangenen Jahren sind die IGF-Stelzen selbstverständlich auch mit von der Partie.
„Das Jahr über sehen wir uns in der Gruppe so einmal im Monat zu unserem Stammtischen“, berichtet Patrick Rehm. Da komme man etwa zum von Daniel Ramminger organisierte Kuttelessen, zu einem Schnitzelessen, zu Grillpartys oder Wanderungen mit Einkehr zusammen, um die Geselligkeit und Kameradschaft untereinander zu pflegen. „Die Begegnungen sind immer nett. Wir haben sie im vergangenen Jahr schon vermisst“, sagt Julian Rehm.
Härter sei angesichts der Coronalage in Deutschland, dass sie in dieser Fasnetsaison gar nicht auf ihre Stelzen steigen und Fasnet feiern dürfen. Das tue schon weh, aber da ergehe es der Gruppe auch nicht anders als etwa Musikvereinen oder Sportvereinen, die etwa nicht zu den Instrumenten greifen oder gegen den Fußball treten dürfen.
Was die Stelzen angeht, so hat jeder Läufer sein eigenes Paar, das er vor den ersten Auftritten hervorholt und überprüft und gegebenenfalls in Ordnung bringt. Einige der 24 Läufer hätten gar zwei Paare zuhause. Neue Mitmarschierer sind willkommen, unterstreichen Patrick und Julian Rehm. Die Gruppe habe einen festen Kern, wobei die meisten Läufer zwischen 20 und 35 Jahre alt sind. Einzelne Läufer hören nach Jahren auf und jüngere stoßen hinzu. Die Gruppe ist ein reiner Männerhaufen, und das seit der Gründung vor rund 55 Jahren. Anfragen von Mädchen und Frauen zum Mitmarschieren in luftiger Höhe habe es bislang noch nicht gegeben, wissen sie.
„Es macht Riesenspaß, als Stelzenläufer bei der Fasnet unterwegs zu sein“, betont Patrick Rehm und ist stolz darauf, der Gruppe anzugehören. „Wir fallen überall auf“, weiß er. „Das Laufen auf den gut 80 Zentimeter hohen Stelzen und das mittlerweile überall bekannte Hochheben eines Mädchens aus dem Publikum machen uns Stelzenläufer aus“, unterstrich Julian Rehm. Dabei halten vier „Stelzenläufer“das Mädchen in die Luft, während ein fünfter den Narrenruf ertönen lässt.
Dieser bedankt sich dann bei dem Mädchen mit einem Kuss. „Auch das zeichnet die Stelzenmänner aus, ein Küsschen gehört dazu“, meinen Julian und Patrick Rehm und verweisen auf eine alte Tradition der Stelzen, das Ausgeben einer Runde AsbachCola: Denn sollte ein Stelzenläufer mal von seinen Holzstangen fallen, dann hat er eine Zeche zu bezahlen.
Was die IGF-Stelzenmänner auszeichnet, das ist auch ihre besondere Kleidung mit schwarzem Zylinder, schwarzem Frack und blauer langer Hose mit dem weiten schwarzen Flaum. Sie tragen ein weißes Hemd und auch immer ihre Fliege – und da haben sie zwei Modelle, eine große und eine kleine. „Ja wir sehen schick aus“, sagt Julian Rehm und sein Kamerad betont: „Es ist schon cool, ein Stelzenmann zu sein.“
„Es ist schon cool, ein Stelzenmann zu sein.“