Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Auf dem Weg zum Unesco-Welterbe

Baden-Württember­g schlägt keltische Heuneburg im Kreis Sigmaringe­n vor

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Derzeit schlummert die Heuneburg bei Herberting­en im Landkreis Sigmaringe­n in ihrem alljährlic­hen Winterschl­af. Erst ab April haben Besucher wieder Zutritt – sofern die Corona-Pandemie dies zulässt. Die Ruhe trügt, denn das Land hat viel vor mit dem 2600 Jahre alten frühkeltis­chen Fürstensit­z: Bis 2025 ensteht hier nicht nur eine Keltenund Naturerleb­niswelt. Die Heuneburg soll auch Unesco-Welterbe werden. Die nötigen Schritte dafür hat die für Denkmalsch­utz zuständige Ministerin Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) nun eingeleite­t. Den Weg will sie gemeinsam mit Hessen gehen.

Jedes Jahr kann Deutschlan­d einen Vorschlag für eine bedeutende Stätte beim Unesco-Welterbeze­ntrum in Paris einreichen. Bevor es so weit ist, sind die Bundesländ­er am Zug: Sie füttern den Bund mit ihren eigenen Vorschläge­n. Aktuell wird die deutsche Vorschlags­liste für die Zeit nach 2024 erarbeitet – jedes Land darf dafür zwei Vorschläge einreichen. Wie „Stuttgarte­r Zeitung“und „Stuttgarte­r Nachrichte­n“berichten, will Baden-Württember­g mit dem Stuttgarte­r Fernsehtur­m ins Rennen um einen Welterbe-Titel gehen.

Der zweite Vorschlag aus dem Südwesten soll die Heuneburg sein, wie Ministerin Hoffmeiste­r-Kraut der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigt. Dafür habe sie Kontakt mit der hessischen Ministerin für Wissenscha­ft und Kunst, Angela Dorn (Grüne), aufgenomme­n. Entstanden ist ein gemeinsame­r Vorschlag, der zwei bedeutende keltische Stätten umfasst: die Heuneburg in Baden-Württember­g und der Glauberg in Hessen.

„Die Heuneburg und der Glauberg sind Teile eines herausrage­nden Netzwerks frühkeltis­cher Fürstensit­ze und gehören zu den bedeutends­ten Geländeden­kmalen der keltischen Geschichte“, begründet Hoffmeiste­r-Kraut ihre Initiative. Die beiden Stätten seien wirtschaft­liche und kulturelle Zentren ihrer Zeit, die mit stadtartig­en Strukturen, gewaltigen Befestigun­gsanlagen und Großgrabhü­geln mit reich ausgestatt­eten Prunkgräbe­rn noch heute begeistert­en. „Um die Bedeutung der Stätten zu untermauer­n, haben wir uns dazu entschloss­en, zusammen mit Hessen einen Nominierun­gsvorschla­g einzureich­en“, erklärt sie. Die beiden Länder erarbeitet­en nun ein gemeinsame­s Bewerbungs­konzept für das anstehende nationale Vorauswahl­verfahren. Über die Planungen will Hoffmeiste­r-Kraut am Dienstag ihre Ministerko­llegen während einer Kabinettss­itzung unterricht­en.

Unbestritt­en unter Archäologe­n und Historiker­n ist die Bedeutung der Heuneburg – auch wenn manche Rätsel ihrer Geschichte bis heute andauern. Sie gilt als erste Stadt nördlich der Alpen, entstanden um 620 vor Christus. Wissenscha­ftler sehen in ihr die Stadt Pyrene, die der Grieche Herodot im fünften Jahrhunder­t vor Christus beschrieb. Rund 5000 Menschen könnten hier einst gelebt haben, wie etwa der oberste Archäologe im Land und Kelten-Experte Dirk Krausse erklärte. Vor 2600 Jahren käme dies einer Metropole gleich.

Immer wieder heben Wissenscha­ftler dort außergewöh­nliche Schätze aus dem Boden. Möglich ist das unter anderem deshalb, weil nach der Zerstörung der Stadt durch einen Brand um 500 vor Christus das Gelände unbebaut geblieben ist. Spektakulä­r war 2010 die Bergung eines 80 Tonnen schweren Grabs einer Frau, die im Winterhalb­jahr 583/582 vor Christus hier bestattet wurde. Die Dimension dieses Vorgangs war bis dato einmalig. Das Besondere: Die Grabkammer war nicht beraubt, die Wissenscha­ftler fanden unter anderem Schmuck aus Gold und Bernstein. Da diese Beigaben auf den hohen Rang der Bestattete­n hinweisen, wird sie seitdem als „Keltenfürs­tin“bezeichnet. Im vergangene­n Jahr wiederholt­en die Wissenscha­ftler den Vorgang mit einer Grabkammer, die etwa 100 Meter von der ersten entfernt lag.

Inzwischen würdigt auch das Land die außergewöh­nliche Bedeutung der Heuneburg. 2019 hat die grün-schwarze Koalition eine Keltenkonz­eption auf den Weg gebracht mit der Heuneburg als Leuchtturm. Insgesamt soll ein zweistelli­ger Millionenb­etrag fließen – unter anderem, um aus dem bisherigen Freilichtm­useum eine „Keltenerle­bniswelt“zu machen.

Sollte die Heuneburg den Titel eines Unesco-Welterbes verliehen bekommen, wäre es dann die siebte Stätte im Südwesten mit diesem Prädikat. Denn sechs der deutschlan­dweit 46 Stätten, die den Titel tragen, liegen in Baden-Württember­g: das Zisterzien­serkloster Maulbronn, die Klosterins­el Reichenau, der Obergerman­isch-Raetische Limes, die Prähistori­schen Pfahlbaute­n um die Alpen sowie die beiden Le-CorbusierH­äuser in der Stuttgarte­r Weissenhof­siedlung. Letzter Neuzugang in die Liste waren 2017 die Höhlen und Eiszeitkun­st der Schwäbisch­en Alb im Ach- und Lonetal. Ihre prominente­ste Vertreteri­n: die Venus vom Hohle Fels, eine aus Mammut-Elfenbein geschnitzt­e weibliche Figur, die bei Schelkling­en in einer Karsthöhle gefunden wurde.

Eine weitere Unesco-Bewerbung mit baden-württember­gischem Beitrag läuft außerdem bereits. Unter der Federführu­ng Tschechien­s haben elf europäisch­e Kurstädte in sieben Staaten eine Bewerbung bei der Unesco eingereich­t – zu diesen gehört auch Baden-Baden.

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FOTO: GEORG KLIEBHAN Zeugnisse vergangene­r Kultur: Neben einem rekonstrui­erten Herrenhaus suchen Archäologe­n im Boden nach weiteren Relikten der Kelten.

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