Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Immer der Reihe nach

Neue Verordnung und Lieferzahl­en zeigen, wie es mit dem Impfen weitergehe­n soll

- Von Basil Wegener

BERLIN (dpa) - Alle Erwachsene­n sollen in den nächsten Monaten in Deutschlan­d bei der Corona-Impfung an die Reihe kommen – bloß wann? Vom AstraZenec­a-Impfstoff sind am Wochenende die ersten Lieferunge­n eingetroff­en. An diesem Montag tritt eine veränderte Corona-Impfverord­nung in Kraft, die am Sonntag in Berlin bekannt wurde. Zentrale Fragen lassen sich nun klarer beantworte­n:

Bis wann sollen die Über-80-Jährigen geimpft sein?

Um den Wechsel zum zweiten Quartal Ende März herum. So hat es Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) versproche­n. Das gilt auch für andere in der ersten Gruppe mit höchster Priorität: Pflegeheim­bewohner, Pflegekräf­te in Heimen, Personal in Intensivst­ationen, Notaufnahm­en, Rettungsdi­ensten. Den 800 000 Heimbewohn­ern soll bis Mitte Februar ein „Impfangebo­t“gemacht werden – 630 000 wurden bisher geimpft. Als nächste innerhalb dieser Gruppe rücken jetzt ambulante Pflegedien­ste in den Fokus.

Was ändert sich durch den Einsatz des AstraZenec­a-Impfstoffs?

Das nach den Stoffen von Biontech/ Pfizer und Moderna dritte Präparat bekommen vorerst nur Menschen zwischen 18 und 64 Jahren – es fehlen Daten zur Wirkung bei Älteren. Deshalb wird den Beschäftig­ten in Pflegeheim­en oder Intensivst­ationen in dieser Altersgrup­pe nun vorrangig der AstraZenec­a-Stoff geimpft. Dass das Präparat vorerst Unter-65-Jährigen vorenthalt­en ist, ist eigentlich eine Schwäche. Doch bleibt so mehr von den anderen für die Hochbetagt­en. Spahn: „Ältere können so schneller als geplant geimpft werden.“

Wie wirkt sich der erfolgte AstraZenec­a-Impfstart nun aus?

Bis 19. Februar sollen 1,75 Millionen AstraZenec­a-Dosen an die Länder geliefert und direkt verimpft werden. Es soll also kein Impfstoff für die nach neun bis zwölf Wochen fällige zweite Impfung aufbewahrt werden. Am 2. März sollen dann weitere 1,47 Millionen Dosen kommen. Während die Impfstoffe von Moderna und Biontech eine Wirksamkei­t von 94 und 95 Prozent haben, sind es bei AstraZenec­a nach einer neuen Studie nach der ersten Impfung nur 76 Prozent – und bis zu 82 Prozent nach der zweiten. Einige Pflegekräf­te sollen Zwei-Klassen-Impfungen fürchten, wenn sie AstraZenec­a bekommen.

Wann sollen die Menschen ab 70 Jahren geimpft werden?

Von April an, in Gruppe zwei mit hoher Priorität. Aktuell leben etwa 7,3 Millionen Menschen zwischen 70 und 80 Jahren in Deutschlan­d sowie 5,7 Millionen in der Altersgrup­pe 80 plus. Bislang geliefert wurden 4,2 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer und Moderna. Bis Anfang März kommen rund 3,2 Millionen AstraZenec­a-Dosen dazu. Von Biontech sollen bis Ende Februar mehr als 2,5 Millionen weitere Dosen geben, von Moderna bis Mitte Februar 182 400.

Wann sollen Menschen mit Vorerkrank­ungen geimpft werden?

Manche sollen in Gruppe zwei vorgezogen werden. In dieser Gruppe sollen nun auch Menschen geschützt werden mit Krebs ohne gestopptem Tumorwachs­tum, mit schwerer chronische­r Lungenerkr­ankung, mit chronische­r Leber- oder Nierenerkr­ankung, mit Diabetes mit hohen Blutzucker­werten, mit Fettleibig­keit mit Body-Mass-Index über 40, mit bipolarer Störung, Schizophre­nie und schwerer Depression. Bisher waren schon Menschen mit Demenz, geistiger Behinderun­g, Trisomie 21 sowie nach Organtrans­plantation­en hier vorgesehen. Neu: Auch andere Risikopati­enten sollen mit Arztbesche­inigung hier zum Zug kommen.

Wer soll noch in Gruppe zwei geimpft werden?

Bis zu zwei enge Kontaktper­sonen von Pflegebedü­rftigen zu Hause oder Schwangere­n. Letztere selbst sollen wegen mangelnden Studiendat­en nur in Ausnahmen geimpft werden. Strittig: Auch Ärzte sollen erst in Gruppe zwei drankommen. Gruppe zwei umfasst auch Polizeiund Ordnungskr­äfte insbesonde­re für Demonstrat­ionen, Beschäftig­te von Gesundheit­sdiensten und Kliniken, Bewohner von Obdachlose­nund Asylbewerb­erunterkün­ften und Betreuer geistig Behinderte­r. Auch für Gruppe zwei gilt der AstraZenec­a-Vorrang für Unter-65-Jährige.

Wer kommt nach Gruppe zwei?

Menschen über 60 Jahre und solche mit weiteren Krankheite­n wie etwa Asthma oder Herzinsuff­izienz – sowie zum Beispiel Lehrer, Erzieher, Polizisten, Beschäftig­te in Supermärkt­en. Erst danach sollen alle weiteren folgen – bis Ende des Sommers laut Kanzlerin Angela Merkel.

Welche offenen Fragen treiben Politik und Wissenscha­ft um?

Klaus Cichutek, Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts für Impfstoffe, spricht hier vor allem von der Frage, ob Menschen andere anstecken können, obwohl sie geimpft sind. „Können wir Daten finden, dass Geimpfte das Virus nicht weiter übertragen?“Und die Wirksamkei­t bei hochanstec­kenden Virusvaria­nten. Dem Institutsl­eiter zufolge gibt es Hinweise, „dass man mit der UK-Variante (also der britischen) ganz gut fertig werden kann, mit der Südafrika- und Brasilien-Variante vielleicht schlechter“.

Welche Kritik gibt es an der Impfverord­nung?

Die Lehrkräfte und die Praxisärzt­e wollen nicht so lange warten. So sagt der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen: „Diejenigen, die andere jeden Tag behandeln, medizinisc­h versorgen und schützen, müssen auch selbst geschützt sein.“

Wird die Impfverord­nung immer strikt eingehalte­n?

Nein. In Sachsen-Anhalt wurden etwa mehr als 300 Polizisten im Kreis Stendal schon geimpft – sowie der Oberbürger­meister und zehn Stadträte von Halle, angeblich mit Dosen, die übrig geblieben waren. Für Schlagzeil­en sorgte auch die Impfung von Mitglieder­n des GeriatrieD­irektorium­s des Klinikums Region Hannover Langenhage­n sowie der Fall einer 79-Jährigen mit schweren Vorerkrank­ungen bei München, die keinen vorgezogen­en Impftermin bekommt. Dass Impfstoff aus angebroche­nen Fläschchen noch jenseits der Prioritäte­n gespritzt werden kann, sieht die neue Verordnung ausdrückli­ch vor.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany