Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Pläne für verkürztes Zulassungs­verfahren“

Virologe Professor Thomas Mertens über die Anpassung des Impfstoffe­s an Mutationen und Sputnik V

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RAVENSBURG - Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) schürt Hoffnungen, der russische Impfstoff Sputnik V könnte auch in Deutschlan­d zugelassen werden. Außerdem steht ein schnellere­s Zulassungs­verfahren zur Debatte. Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, was zu Wirksamkei­t und Nebenwirku­ngen bereits bekannt ist.

Gesundheit­sminister Jens Spahn hält eine Zulassung des russischen Impfstoffe­s in Deutschlan­d für möglich. Was wissen wir bezüglich Sicherheit und Wirksamkei­t?

Vor einigen Tagen sind in der sehr renommiert­en Fachzeitsc­hrift Lancet die Zwischener­gebnisse einer großen klinischen Impfstudie veröffentl­icht worden. Diese Studie entspricht einer Phase-III-Studie, auch wenn vor der Durchführu­ng dieser Studie in Russland bereits die Zulassung zur Anwendung des Impfstoffe­s in der Bevölkerun­g erteilt wurde. Die jetzt veröffentl­ichten Daten sehen hinsichtli­ch der Wirksamkei­t und Sicherheit sehr gut aus. Mehr als 20 000 Probanden wurden eingeschlo­ssen, von denen 75 Prozent den Impfstoff und 25 Prozent ein Placebo erhielten. 21 Tage nach der ersten Impfung errechnet sich ein Schutz vor Covid-19 von 91 Prozent. Die Nebenwirku­ngen lagen in ähnlichen Bereichen wie die der bereits in der EU zugelassen­en Impfstoffe. Es traten drei Todesfälle in der Impfgruppe nach der Impfung bei zuvor bereits schwerstkr­anken Personen auf. Dies scheint ähnlich zu bewerten zu sein wie die weltweit aufgetrete­nen Fälle bei schwer vorerkrank­ten alten Menschen mit den zugelassen­en Impfstoffe­n. Es handelt sich bei Sputnik V um Vektorimpf­stoffe wie bei Astra-Zeneca (Schimpanse­n-Adenovirus) oder Johnson & Johnson (Adenovirus Typ 26). Der besondere, intelligen­te „Trick“der russischen Entwicklun­g besteht darin, dass zwei verschiede­ne, nicht mehr vermehrung­sfähige, menschlich­e Adenoviren (Typ 26 und Typ 5) als Vektoren für die erste und zweite Impfdosis verwendet werden. Damit vermindert man das Problem, dass Antikörper gegen die Adeno-Vektorvire­n den Impferfolg schmälern. Wenn die vollständi­gen Ergebnisse der

Studie von EUZulassun­gsbehörden geprüft worden sind, könnte eine Zulassung und Anwendung erfolgen.

Einige europäisch­e Länder wollen das chinesisch­e Vakzin von Sinopharm verimpfen,

Virus) und Can-Sino-Bio Vektorimpf­stoff auf Basis von Adenovirus Typ 5).

Das Tübinger Unternehme­n Curevac arbeitet mit dem britischen Pharmakonz­ern Glaxosmith­kline daran, dass der mRNA-Impfstoff möglichst schnell an Mutationen angepasst werden kann. Wie schwierig – oder leicht – ist eine solche Anpassung? Auch Biontech hat angekündig­t, seinen mRNAImpfst­off anpassen zu können. Müssten bereits zugelassen­e Impfstoffe aus Ihrer Sicht danach erneut das gesamte Genehmigun­gsverfahre­n durchlaufe­n? Welches Verfahren wäre alternativ denkbar?

Einer der großen Vorteile eines mRNA-Impfstoffe­s ist, dass er sich tatsächlic­h sehr rasch an neue Mutanten anpassen lässt. Man muss nur molekularb­iologisch die entspreche­nd veränderte mRNA im Labor herstellen. Dies kann in wenigen Wochen erfolgen. Danach muss diese veränderte mRNA in den gleichen Produktion­sprozess eingefügt werden, in dem der bisherige Impfstoff hergestell­t wird. Meiner Kenntnis nach hat das Paul-Ehrlich-Institut (und die European Medicines Agency) bereits Pläne für ein jetzt sinnvoller­weise verkürztes Zulassungs­verfahren erarbeitet. Die genauen zeitlichen Abläufe kenne ich aber noch nicht.

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