Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wohnen entzweit Koalition
Vom Mieter zum Eigentümer, das soll in Zukunft nicht mehr so einfach gehen – Teile der Union wollen „Überregulierung“verhindern
BERLIN - In Deutschland wird vielerorts der Wohnraum knapp und teuer. Das will die Große Koalition ändern. Ganze 30 Minuten hatte sich das Parlament für die Gesetzvorlage zum Baulandmobilisierungsgesetz verordnet. Einig geworden sind sich die Abgeordneten aber nicht in allen Punkten. Denn: Teile der Union möchten das Gesetz im Bundestag noch verändern – zugunsten von mehr Eigentum. Erst vor Kurzem war das Gesetz vorgestellt worden, danach wanderte es in den zuständigen Ausschuss. Das übliche Verfahren also.
Doch noch bevor die eigentliche Debatte begann, krachte es im Koalitionsgebälk. Joachim Pfeiffer (CDU) erklärte für seine Fraktion, man sei gegen ein „Umwandlungsverbot im Baulandmobilisierungsgesetz“. Begründung: „Es werden dann weniger Wohnungen gebaut.“Gemeint ist das Verbot, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Im zuständigen Innen- und Bauministerium war es in dieser Frage lange hinund hergegangen, bis dann doch Formulierungen gefunden wurden, die die Umwandlung erschweren.
Nun enthält der Gesetzentwurf „einen Vorschlag zur Reduzierung der Möglichkeiten, umzuwandeln“. Dazu gehört, dass in „angespannten Wohnungsmärkten“eine Genehmigung für die Umwandlung notwendig sein soll. Die Regelung soll bis zum Jahr 2025 gelten. Welche Wohnungsmärkte besonders geschützt werden müssen, sollen die Landesregierungen entscheiden dürfen.
Linke, Grüne und der Mieterbund begrüßen im Grundsatz den Gesetzentwurf, beklagen aber zu viele „Schlupflöcher“. Auf jeden Fall gibt es Ausnahmen von der Genehmigungsregel, etwa wenn Eigentümer an ihre Familienmitglieder verkaufen. Diese müssen den Wohnraum dann aber auch tatsächlich selbst nutzen.
Was mit „Umwandlung“in der Praxis gemeint ist, zeigt das Beispiel Berlin. Nach Angaben der zuständigen Senatsverwaltung wurde dort in 58 sogenannten sozialen Erhaltungsgebieten zwischen 2015 und 2019 die Umwandlung von 18 400 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen genehmigt. 17 900 davon waren mit der Selbstverpflichtung der Eigentümer verbunden, zunächst nur den Mietern den Kauf anzubieten. Tatsächlich an Mieter verkauft wurden allerdings nur 54. Den anderen sind die Wohnungen schlicht zu teuer. Nach sieben Jahren erlischt das Vorkaufsrecht
der Mieter. Spätestens dann können die Wohnungen frei gehandelt werden.
Carsten Schneider, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, ist schon lange in Habachtstellung wegen der Umwandlungsfrage. Immer wieder wies er in den vergangenen Wochen darauf hin, dass hier ein erhebliches Streitpotenzial innerhalb der Koalition vorliege. Von Schneider gefragt, ob er den vom Bundeskabinett und der Bundeskanzlerin beschlossenen Entwurf zu ändern gedenke, verwies Pfeiffer prompt auf den früheren SPD-Fraktionschef Peter Struck, der einst gesagt hatte, kein Gesetz verlasse den Bundestag so, wie es in ihn hineingekommen sei. „Und so wird es auch mit dem Baulandmobilisierungsgesetz sein.“
Das ist exakt das, was der Eigentümerverband „Grund und Boden“nach eigenem Bekunden von der Unionsfraktion erwartet. Deren baupolitischer Sprecher, der Berliner Kai Wegner (CDU), erklärte denn auch prompt: „Die Wohneigentumsbildung darf nicht durch eine neue Überregulierung behindert werden.“Union und FDP setzen auf mehr Wohneigentum, auch als Form der privaten Altersvorsorge.
Für Schneider stellt sich die Frage nach der Verlässlichkeit der Union. „Nach hartem Ringen mit der CDU im Kabinett liegt ein Gesetzentwurf vor“, sagte Schneider der „Schwäbischen Zeitung“. „Ich erwarte schwierige Beratungen im Bundestag, weil die Vermieter- und Immobilienlobby in der CDU einen großen Einfluss hat. Die Frage, wie die CDU zum sozialen Zusammenhalt steht, wird eine erste Machtprobe für den neuen Parteivorsitzenden.“
Einig sind sich Union und SPD bei der Einführung von Regelungen zum unkomplizierteren Bauen in ländlichen Gebieten. Im vergangenen Jahr waren Bestimmungen für das Bauen am Ortsrand ausgelaufen. Nun sollen sie wieder bis Ende 2022 gelten. Erleichtert wird, wenn das Gesetz die parlamentarischen Hürden passiert, der Wohnungsbau auf bis zu 10 000 Quadratmeter großen Flächen, „die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen“. Nach dem im Paragrafen 13b festgelegten Verfahren ist keine Umweltprüfung nötig und es muss kein Ausgleich für den Naturschutz geschaffen werden.
Das ruft vor allem Grüne und Umweltverbände auf den Plan. Stefan
Petzold, Siedlungsreferent beim Naturschutzbund Nabu, meint, es würden „Freiflächen auf Kosten zukünftiger Generationen betoniert“und der „Leerstand von morgen“geschaffen, „da der Bedarf an den falschen Orten übererfüllt wird.“
Studien hätten ergeben, dass der Paragraf 13b des Baugesetzbuches vor allem von kleineren Gemeinden angewandt werde, führt der Nabu an. Er verschaffe zwar bürokratische Erleichterung, aber auf Kosten von Umwelt- und Artenschutz, Bürgerbeteiligung und einer gezielten Siedlungsentwicklung. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Daniela Krüger schimpfte, das Leben auf dem Land müsse „längst nicht mehr mit „der Zerstörung von Lebensräumen und natürlichen Ressourcen“einhergehen.