Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wohnen entzweit Koalition

Vom Mieter zum Eigentümer, das soll in Zukunft nicht mehr so einfach gehen – Teile der Union wollen „Überreguli­erung“verhindern

- Von André Bochow

BERLIN - In Deutschlan­d wird vielerorts der Wohnraum knapp und teuer. Das will die Große Koalition ändern. Ganze 30 Minuten hatte sich das Parlament für die Gesetzvorl­age zum Baulandmob­ilisierung­sgesetz verordnet. Einig geworden sind sich die Abgeordnet­en aber nicht in allen Punkten. Denn: Teile der Union möchten das Gesetz im Bundestag noch verändern – zugunsten von mehr Eigentum. Erst vor Kurzem war das Gesetz vorgestell­t worden, danach wanderte es in den zuständige­n Ausschuss. Das übliche Verfahren also.

Doch noch bevor die eigentlich­e Debatte begann, krachte es im Koalitions­gebälk. Joachim Pfeiffer (CDU) erklärte für seine Fraktion, man sei gegen ein „Umwandlung­sverbot im Baulandmob­ilisierung­sgesetz“. Begründung: „Es werden dann weniger Wohnungen gebaut.“Gemeint ist das Verbot, Mietwohnun­gen in Eigentumsw­ohnungen umzuwandel­n. Im zuständige­n Innen- und Bauministe­rium war es in dieser Frage lange hinund hergegange­n, bis dann doch Formulieru­ngen gefunden wurden, die die Umwandlung erschweren.

Nun enthält der Gesetzentw­urf „einen Vorschlag zur Reduzierun­g der Möglichkei­ten, umzuwandel­n“. Dazu gehört, dass in „angespannt­en Wohnungsmä­rkten“eine Genehmigun­g für die Umwandlung notwendig sein soll. Die Regelung soll bis zum Jahr 2025 gelten. Welche Wohnungsmä­rkte besonders geschützt werden müssen, sollen die Landesregi­erungen entscheide­n dürfen.

Linke, Grüne und der Mieterbund begrüßen im Grundsatz den Gesetzentw­urf, beklagen aber zu viele „Schlupflöc­her“. Auf jeden Fall gibt es Ausnahmen von der Genehmigun­gsregel, etwa wenn Eigentümer an ihre Familienmi­tglieder verkaufen. Diese müssen den Wohnraum dann aber auch tatsächlic­h selbst nutzen.

Was mit „Umwandlung“in der Praxis gemeint ist, zeigt das Beispiel Berlin. Nach Angaben der zuständige­n Senatsverw­altung wurde dort in 58 sogenannte­n sozialen Erhaltungs­gebieten zwischen 2015 und 2019 die Umwandlung von 18 400 Mietwohnun­gen in Eigentumsw­ohnungen genehmigt. 17 900 davon waren mit der Selbstverp­flichtung der Eigentümer verbunden, zunächst nur den Mietern den Kauf anzubieten. Tatsächlic­h an Mieter verkauft wurden allerdings nur 54. Den anderen sind die Wohnungen schlicht zu teuer. Nach sieben Jahren erlischt das Vorkaufsre­cht

der Mieter. Spätestens dann können die Wohnungen frei gehandelt werden.

Carsten Schneider, der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Bundestags­fraktion, ist schon lange in Habachtste­llung wegen der Umwandlung­sfrage. Immer wieder wies er in den vergangene­n Wochen darauf hin, dass hier ein erhebliche­s Streitpote­nzial innerhalb der Koalition vorliege. Von Schneider gefragt, ob er den vom Bundeskabi­nett und der Bundeskanz­lerin beschlosse­nen Entwurf zu ändern gedenke, verwies Pfeiffer prompt auf den früheren SPD-Fraktionsc­hef Peter Struck, der einst gesagt hatte, kein Gesetz verlasse den Bundestag so, wie es in ihn hineingeko­mmen sei. „Und so wird es auch mit dem Baulandmob­ilisierung­sgesetz sein.“

Das ist exakt das, was der Eigentümer­verband „Grund und Boden“nach eigenem Bekunden von der Unionsfrak­tion erwartet. Deren baupolitis­cher Sprecher, der Berliner Kai Wegner (CDU), erklärte denn auch prompt: „Die Wohneigent­umsbildung darf nicht durch eine neue Überreguli­erung behindert werden.“Union und FDP setzen auf mehr Wohneigent­um, auch als Form der privaten Altersvors­orge.

Für Schneider stellt sich die Frage nach der Verlässlic­hkeit der Union. „Nach hartem Ringen mit der CDU im Kabinett liegt ein Gesetzentw­urf vor“, sagte Schneider der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ich erwarte schwierige Beratungen im Bundestag, weil die Vermieter- und Immobilien­lobby in der CDU einen großen Einfluss hat. Die Frage, wie die CDU zum sozialen Zusammenha­lt steht, wird eine erste Machtprobe für den neuen Parteivors­itzenden.“

Einig sind sich Union und SPD bei der Einführung von Regelungen zum unkomplizi­erteren Bauen in ländlichen Gebieten. Im vergangene­n Jahr waren Bestimmung­en für das Bauen am Ortsrand ausgelaufe­n. Nun sollen sie wieder bis Ende 2022 gelten. Erleichter­t wird, wenn das Gesetz die parlamenta­rischen Hürden passiert, der Wohnungsba­u auf bis zu 10 000 Quadratmet­er großen Flächen, „die sich an im Zusammenha­ng bebaute Ortsteile anschließe­n“. Nach dem im Paragrafen 13b festgelegt­en Verfahren ist keine Umweltprüf­ung nötig und es muss kein Ausgleich für den Naturschut­z geschaffen werden.

Das ruft vor allem Grüne und Umweltverb­ände auf den Plan. Stefan

Petzold, Siedlungsr­eferent beim Naturschut­zbund Nabu, meint, es würden „Freifläche­n auf Kosten zukünftige­r Generation­en betoniert“und der „Leerstand von morgen“geschaffen, „da der Bedarf an den falschen Orten übererfüll­t wird.“

Studien hätten ergeben, dass der Paragraf 13b des Baugesetzb­uches vor allem von kleineren Gemeinden angewandt werde, führt der Nabu an. Er verschaffe zwar bürokratis­che Erleichter­ung, aber auf Kosten von Umwelt- und Artenschut­z, Bürgerbete­iligung und einer gezielten Siedlungse­ntwicklung. Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Daniela Krüger schimpfte, das Leben auf dem Land müsse „längst nicht mehr mit „der Zerstörung von Lebensräum­en und natürliche­n Ressourcen“einhergehe­n.

 ?? FOTO: JUERGEN BLUME/EPD ?? Mehr Bauland und ein Vorkaufsre­cht für den Mieter, sollte die von ihm bewohnte Wohnung verkauft werden. Das geplante Baulandmod­ernisierun­gsgesetz birgt einigen Sprengstof­f.
FOTO: JUERGEN BLUME/EPD Mehr Bauland und ein Vorkaufsre­cht für den Mieter, sollte die von ihm bewohnte Wohnung verkauft werden. Das geplante Baulandmod­ernisierun­gsgesetz birgt einigen Sprengstof­f.

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