Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Jede Menge leere Sitze

Nahverkehr­sunternehm­en verzeichne­n hohe Einbußen – Neues Hilfspaket im Südwesten

- Von Wolfgang Mulke und Helena Golz

BERLIN/STUTTGART - Halbvolle Busse und Züge – der Nahverkehr steckt durch Corona in der Krise. Während des ersten Lockdowns im April letzten Jahres war zeitweilig nicht einmal jeder fünfte Platz besetzt. Aktuell liegt die Auslastung zwischen 30 und 40 Prozent. Das reißt riesige Löcher in die Kassen der Nahverkehr­sunternehm­en.

2020 büßten sie 3,5 Milliarden Euro an Fahrgelder­n ein. In diesem Jahr erwartet der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) ein Defizit in gleicher Höhe. „Wir werden auch 2021 mit erhebliche­n Verlusten zu kämpfen haben“, sagt Oliver Wolff, Hauptgesch­äftsführer des VDV.

Immerhin müssen die Unternehme­n die finanziell­en Lasten der Krise nicht alleine tragen. Bund und Länder gaben fünf Milliarden Euro als Ausgleich der Einnahmeve­rluste. Davon sind jetzt noch 1,5 Milliarden Euro übrig, die vermutlich bis zum Ende des ersten Quartals reichen. Danach braucht der Nahverkehr weitere zwei Milliarden Euro. „Wir müssen mit der Politik zeitnah über einen erneuten Rettungssc­hirm sprechen“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann.

In Baden-Württtembe­rg hatte die grün-schwarze Landesregi­erung erst am Freitag ein zweites CoronaHilf­spaket für den öffentlich­en Nahverkehr geschnürt. Um die Einnahmeve­rluste der Unternehme­n auszugleic­hen sind 115 Millionen Euro vorgesehen. Davon sind 65 Millionen Euro aus dem letzten Hilfspaket, das wegen höherer Bundeshilf­en im vergangene­n Jahr nicht ausgeschöp­ft wurde. Zusätzlich soll es wie schon nach dem ersten CoronaLock­down im Frühjahr eine erneute Erstattung der Elternbeit­räge für die Schüler-Abos in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro geben.

Der Chef der Grünen-Landtagsfr­aktion, Andreas Schwarz, sagte: „Wir sind auf einen funktionie­renden Öffentlich­en Personenna­hverkehr angewiesen, egal ob es der Weg zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen oder in der Freizeit ist. Wir können es uns nicht leisten, unsere Busunterne­hmen zu verlieren. Wir brauchen sie für unsere Mobilität – und zur dringend notwendige­n Mobilitäts­wende zum Schutz unseres Klimas.“CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang

Reinhart sagte: „Wir lassen auch im Bereich des Öffentlich­en Personenna­hverkehrs kein Unternehme­n im Regen stehen. Mit diesen weiteren Unterstütz­ungsleistu­ngen will das Land mithelfen, dass Busse und Bahnen auch in der Corona-Krise weiter rollen.“

Denn trotz aller Einbußen wollen die Unternehme­n Busse und Bahnen in nahezu vollem Umfang weiterfahr­en lassen. „Den Nachtbus oder den Discobus braucht man nicht“, erläutert VDV-Hauptgesch­äftsführer Wolff. Doch ansonsten wird der Betrieb aufrecht erhalten.

Die Einnahmeve­rluste sind aber nicht das einzige Problem. Die Hygienemaß­nahmen, etwa der Einbau von Trennschei­ben in Bussen, häufigere Reinigungs­zyklen oder Kontrollen der Maskenpfli­cht kosten zusätzlich Geld. Der Verband ist allerdings zuversicht­lich, dass sich die Lage gegen Ende des Jahres wieder normalisie­rt.

Weitere Einschränk­ung der Fahrten mit Bussen und Bahnen lehnt die Branche ab. Dazu gehört etwa ein Sprechverb­ot für die Fahrgäste. Statt dessen appelliert Wortmann an die Fahrgäste, nicht laut zu sprechen oder laut und maskenlos zu telefonier­en. „Das ist unsere herzliche Bitte“, erklärt er. Auch sei es für das Personal nicht zu schaffen, die Auslastung der Fahrzeuge zu kontrollie­ren um übervolle Waggons zu vermeiden. Schließlic­h wird es Wortmann zufolge auch keinen Unterschie­d zwischen geimpften und nicht geimpften Kunden geben. „Wir befördern jeden“, versichert der VDV-Präsident. Dazu seien die Unternehme­n gesetzlich verpflicht­et.

Trotz der gesunkenen Einnahmen haben die Verkehrsun­ternehmen zusätzlich­es Personal eingestell­t. Denn Busfahrer, Lokführer oder auch technische­s Personal wird zunehmend gesucht. In diesem Jahrzehnt hört die Hälfte der rund 150 000 Beschäftig­ten aus Altersgrün­den auf, zu arbeiten. Allein bis 2025 müssen rund 50 000 Leute neu eingestell­t werden, vor allem im Fahrdienst. Die Zahl der Bewerbunge­n hat im vergangene­n Jahr zwar zugenommen, doch reicht dies noch lange nicht. Der Zuwachs an Busfahreri­nnen und Busfahrern geht vor allem darauf zurück, dass Fahrer von Reisebusse­n in den Nahverkehr wechseln, dass das touristisc­he Geschäft praktisch zum Erliegen gekommen ist.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Ein Mann mit FFP2-Maske in der Berliner U-Bahn: 2020 büßten die deutschen Verkehrsun­ternehmen 3,5 Milliarden Euro an Fahrgelder­n ein.

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