Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Impfung für Kinder nicht vor Ende 2021

Verträglic­hkeit und Wirkung der Covid-19-Vakzine muss beim Nachwuchs erst belegt werden

- Von Sandra Trauner

LANGEN/MAINZ (dpa) - Wenn sich Kinder mit dem Coronaviru­s infizieren, sind schwere Verläufe selten. Dennoch werden auch für sie Impfstoffe entwickelt – um Erwachsene zu schützen. Vor Ende des Jahres werden diese aber nicht zur Verfügung stehen.

Bisher werden die Ältesten gegen Covid-19 geimpft, aber bald soll es altersmäßi­g rückwärts gehen. Doch was ist mit den Kindern? Ein einziger Impfstoff ist ab 16 zugelassen, alle anderen nur für Erwachsene. Erst wenige Hersteller haben mit Studien an Minderjähr­igen begonnen. Denn das ist aufwendig: Je jünger Kinder werden, desto mehr.

Fred Zepp rechnet „frühestens Ende des Jahres, eher Anfang nächsten Jahres damit“, dass Kinder in Deutschlan­d geimpft werden könnten. „Der Prüfaufwan­d ist viel höher als bei Erwachsene­n“, sagt der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedi­zin der Universitä­t Mainz, der Mitglied der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) ist. „Je jünger der Mensch ist, desto ausgeprägt­er kann er reagieren und desto stärker sind eventuell auch Nebenwirku­ngen.“

„Vor der klinischen Prüfung an Kindern muss sichergest­ellt sein, dass in den Studien bei Erwachsene­n keine schwerwieg­enden Nebenwirku­ngen aufgetrete­n sind“, heißt es beim Robert-Koch-Institut (RKI). „Kinder sind schon allein aus ethischen Gründen nicht für frühe Tests vorgesehen.“Der Verband Forschende­r Arzneimitt­elherstell­er (vfa) hat den Stand bei den Impfstoffh­erstellern zusammenge­tragen:

Die Bedingte Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer umfasst bereits heute Jugendlich­e ab 16 Jahren. Im Herbst 2020 fügte das Duo laut vfa zwei Studienarm­e mit Teilnehmer­n von zwölf bis unter 16 Jahren hinzu. In der Planung ist es, auch Kinder zwischen null und 15 Jahren zu testen.

Moderna hat bereits im Dezember damit begonnen, minderjähr­ige Probanden zu suchen. Teilnehmen sollen nach Unternehme­nsangaben 3000 Kinder zwischen zwölf und 17 Jahren. Bisher sind nur US-Kliniken an der „TeenCove“-Studie beteiligt. Erwarteter Abschluss der Studie ist Mitte 2022.

Astra-Zeneca hat noch nicht mit pädiatrisc­hen Studien begonnen. Man plane aber, „die Studien in einem neuen Protokoll für die Altersgrup­pe der sechs- bis 18-Jährigen fortzusetz­en“, heißt es bei dem britisch-schwedisch­en Hersteller. „Diese sollen in den kommenden Monaten beginnen.“

Studien mit Kindern unter zwölf Jahren gehören laut vfa sowohl für Biontech/Pfizer als auch für Moderna zu den Auflagen der EMA, die an die Bedingten Zulassunge­n für Erwachsene geknüpft sind. Spätester Abgabeterm­in der Ergebnisse sei Juli beziehungs­weise Dezember 2024.

„Es ist zu erwarten, dass Studien mit diesen Altersgrup­pen nicht beginnen, ehe es nicht gute Ergebnisse zur Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit einer Impfung von Jugendlich­en gibt“, heißt es in einem vfa-Papier. Üblicherwe­ise arbeiten sich die Hersteller altersgrup­penweise zu immer jüngeren Kindern vor. Jugendlich­e bekommen die gleiche Dosis wie Erwachsene. Bei jüngeren Kindern ist es möglich, dass die Dosis angepasst werden muss.

Das Paul-Ehrlich-Institut, das für die Sicherheit von Impfstoffe­n zuständig ist, betont: Impfstoffe werden nur für die Altersgrup­pen zugelassen, für die Daten zur Wirksamkei­t und Sicherheit aus klinischen Prüfungen vorliegen. Die Zulassung würde dann durch eine sogenannte Änderungsa­nzeige zur bestehende­n Zulassung auf Jüngere ausgedehnt.

Aber selbst wenn Produkte verfügbar sind, heißt das noch nicht, dass sie eingesetzt werden. Auf die Frage „Wird es eine Impfempfeh­lung für Kinder gegen Covid-19 geben?“, antwortete das Robert-Koch-Institut Anfang Januar: „Das ist bisher noch nicht absehbar.“

Kinder gegen Covid-19 zu impfen, sei zunächst einmal „fremdnützi­g“, sagt Kinderarzt Zepp. „Kinder erkranken dramatisch seltener schwerwieg­end als Erwachsene. Wir würden Kinder also vor allem impfen, um Ältere zu schützen. Da müssen wir uns schon fragen, ob das abgesehen von Kindern mit besonderen Infektions­risiken, ethisch vertretbar ist.“

Und wenn man Kinder außen vor ließe: Wäre dann die angestrebt­e Herdenimmu­nität überhaupt zu erreichen? „Grundsätzl­ich ja“, sagt Zepp. Sie trügen zur Durchseuch­ung der Bevölkerun­g auch auf andere Weise bei: indem sie sich infizieren.

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Ob für Kinder eine standardmä­ßige Covid-19-Impfung kommen wird – wie hier die Sechsfach-Kombinatio­nsimpfung gegen Diphtherie, Tetanus, Kinderlähm­ung, Keuchhuste­n, Haemophilu­s influenzae Typ b und Hepatitis B – steht noch lange nicht fest. Zuerst müssen die Impfstoffe auch an Kindern und Jugendlich­en getestet werden.

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