Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Weg nach Hollywood führt derzeit übers Internet

Julia von Heinz hofft mit ihrem Film „Und morgen die ganze Welt“auf den Auslands-Oscar

- Von Cordula Dieckmann

MÜNCHEN (dpa) - Der rote Teppich, die Stars und der Moment, wenn der eigene Name genannt wird: „And the Oscar goes to …“. Soweit ist Julia von Heinz noch nicht. Ihr Film muss erst in die engere Auswahl kommen. Doch Werbung für ihren Film ist derzeit nur übers Internet möglich.

Eigentlich wäre Julia von Heinz gerade viel in Hollywood unterwegs. Werbung machen für ihren Kinofilm „Und morgen die ganze Welt“, deutscher Kandidat für den Auslands-Oscar. Doch wegen Corona platzte die Tour, wie sie etwa Florian Henckel von Donnersmar­ck vor seinem Oscargewin­n 2007 für sein Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“gemacht hatte. Nun wirbt die 44-Jährige aus dem Raum München via Internet für ihr Drama über eine Studentin, die mit der Frage konfrontie­rt wird, welche Formen des Widerstand­s im Kampf gegen Rechtsextr­emismus erlaubt sind. Ob es der hochpoliti­sche Film bei den Oscars in die engere Auswahl schafft? Das gibt die Academy of Motion Picture Arts and Sciences am Dienstag, 9. Februar, bekannt.

„Natürlich verspürt man auch einen Verlust darüber, dass man die Oscar-Kampagne nur online erlebt und nicht in Los Angeles“, sagt von Heinz. Kleiner Trost: Auch vielen anderen Filmemache­rn geht es so. Rund 90 Länder reichen jedes Jahr

Beiträge für die Oscar-Kategorie „Internatio­nal Feature Film“ein, 15 kommen auf die Shortlist. Und es wird weiter ausgesiebt: Am 15. März werden die fünf Nominierte­n für den besten internatio­nalen Spielfilm verkündet, bevor am 25. April endlich die berühmten Goldtrophä­en verliehen werden sollen.

Dabei hat der deutsche Beitrag prominente Konkurrenz. Die Filmseite „indiewire.com“räumt etwa dem Schweizer Drama „Schwesterl­ein“mit Lars Eidinger und Nina Hoss ebenso Chancen auf einen Platz auf der Shortlist ein wie Thomas Vinterberg­s dänischem Alkohol-Drama „Der Rausch“mit Mads Mikkelsen.

Doch „Und morgen die ganze Welt“ist aktuell und greift mutig ein brisantes Thema auf, das von Heinz auch mit Blick auf ihre eigenen Erfahrunge­n als Jugendlich­e erzählt. Die Jurastuden­tin Luisa, hervorrage­nd gespielt von Mala Emde („Charité“), ist zunehmend in antifaschi­stischen Kreisen aktiv. Im Kampf gegen rechts schrecken ihre neuen Freunde auch vor Gewalt nicht zurück. Luisa muss sich entscheide­n, wie weit sie selbst gehen möchte.

Eine Debatte, die in Zeiten von Verschwöru­ngstheorie­n, zunehmende­m Antisemiti­smus und einem Wiedererst­arken der Rechten in Deutschlan­d und Europa sowie in den USA von großer Aktualität ist. Im Kino war der Film allerdings nur vier Tage zu sehen, seit 2. November sind die Filmtheate­r dicht. Nun soll er ab April auf Netflix laufen.

Der FilmFernse­hFonds Bayern unterstütz­te das Projekt finanziell, ebenso das Medienboar­d BerlinBran­denburg, die Medien- und Filmgesell­schaft Baden-Württember­g sowie die ARD und der Kultursend­er Arte. Eine Tatsache, die die AfD in höchstem Maße erzürnte, nicht zuletzt weil in dem Film eine Partei namens Liste 14 auftaucht. Diese verweise unübersehb­ar auf die AfD, befand deren Bundestags­abgeordnet­er Marc Jongen. „Der Film versucht damit mehr oder weniger unverhohle­n, die AfD als Teil einer rechtsextr­emen Gefahr zu denunziere­n, deren

Bestreben es ist, die Demokratie in Deutschlan­d zu unterminie­ren.“Dass so eine „diffamiere­nde Propaganda gegen eine demokratis­che Opposition­spartei“mit Steuermitt­eln unterstütz­t werde, sei fragwürdig. Jongen kritisiert­e überdies immer ideologisc­here Kriterien in der Filmförder­ung.

Von Heinz weist diese Kritik zurück. Sie habe versucht, einen genauen und präzisen Blick auf die Gruppierun­gen zu werfen und habe sich kritisch damit auseinande­rgesetzt. Allerdings: „Dass der Film parteiisch ist und sich gegen rechts richtet, ist sicherlich richtig.“Auch Ähnlichkei­ten zwischen der Liste 14 und der AfD seien da. Doch von Heinz sieht sich im Recht. Sie habe den Eindruck, dass die AfD die Kunstfreih­eit einschränk­en oder gar abschaffen wolle. Wahrschein­lich reagiere die Partei so, weil sie sich erkannt fühlte, vermutet sie.

Von Heinz sieht deshalb die Filmbranch­e besonders in der Pflicht, nicht nur zu unterhalte­n, sondern auch mutig und unbequem zu sein. Das legt sie auch den Studierend­en der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München ans Herz, wo sie mit Marcus H. Rosenmülle­r den Regie-Studiengan­g leitet: „Nutzt die große Verantwort­ung als Filmemache­r, um Gewissheit­en und Rollenbild­er ins Wanken zu bringen und zu hinterfrag­en, anstatt sie mit ihren Bildern und Erzählunge­n zu reproduzie­ren.“

 ?? FOTO: OLIVER WOLFF/NETFLIX/DPA ?? Zwei junge Frauen, gespielt von Luisa-Celine Gaffron (links) und Mala Emde, geraten in dem Film „Und Morgen die ganze Welt“immer tiefer in die Antifa-Szene und damit auch in einen Strudel der Gewalt.
FOTO: OLIVER WOLFF/NETFLIX/DPA Zwei junge Frauen, gespielt von Luisa-Celine Gaffron (links) und Mala Emde, geraten in dem Film „Und Morgen die ganze Welt“immer tiefer in die Antifa-Szene und damit auch in einen Strudel der Gewalt.
 ?? FOTO: STEFFI ADAM/IMAGO IMAGES ?? Julia von Heinz
FOTO: STEFFI ADAM/IMAGO IMAGES Julia von Heinz

Newspapers in German

Newspapers from Germany