Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gericht kippt Ausgangssperre in Baden-Württemberg
Ab Donnerstag nur noch Einschränkungen in Hotspots – In Bayern will die FDP klagen
BERLIN/MANNHEIM/RAVENSBURG - Zwei Tage vor dem neuerlichen Bund-Länder-Gipfel zur Corona-Politik und mitten in der Debatte über denkbare Lockerungen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am Montag die nächtliche Ausgangssperre im Südwesten gekippt. Nach dem unanfechtbaren Beschluss muss die Vorschrift in der Corona-Verordnung, die nächtliche Ausgangsbeschränkungen von 20 Uhr bis 5 Uhr vorsieht, noch diese Woche außer Vollzug gesetzt werden. Zum letzten Mal gilt sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Damit hatte nach einer Reihe gescheiterter Anträge eine Frau aus Tübingen Erfolg.
Die Landesregierung in Stuttgart reagierte prompt. Man werde nur noch für Corona-Hotspots Ausgangssperren verhängen, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet in Stuttgart. Es sei absehbar gewesen, dass angesichts der sinkenden Infektionszahlen die Frage der Verhältnismäßigkeit gestellt würde. „Jetzt haben wir juristische Klarheit.“SPD und FDP im Landtag begrüßten die Entscheidung. Die AfD forderte, den Lockdown generell zu beenden.
Das Mannheimer Gericht argumentierte, dass nach dem Infektionsschutzgesetz Ausgangsbeschränkungen
nur möglich seien, wenn ihr Unterlassen zu Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führe. Auch ließen die Richter das bisherige Argument des Landes nicht gelten, eine verfrühte Aufhebung berge die Gefahr eines erneuten exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen. Dies sei zu pauschal. Das derzeitige Pandemiegeschehen stelle sich bei fallenden Zahlen der Sieben-Tage-Inzidenzen regional erheblich differenzierter dar. 26 Kreise lägen nach Zahlen von Donnerstag im Bereich von 51 bis 100, neun Kreise im Bereich von 36 bis 50 und vier Kreise unter 35. Kreise mit vergleichsweise niedrigen Werten seien inzwischen nicht etwa bloße „Inseln“, sondern teils zusammenhängende Regionen.
Verfassungsrechtler Wolfgang Armbruster aus Sigmaringen sagte dazu der „Schwäbischen Zeitung“: „Die Quintessenz davon lautet, dass es bei einer landesweiten Überschreitung der Inzidenzgrenze von 50 nicht zwingend erforderlich ist, für das ganze Land einheitliche Maßnahmen zu ergreifen.“
In Bayern gilt derweil weiter eine Ausgangssperre – von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens. Die Landtags-FDP drohte nun am Montag in München mit einer eigenen Klage gegen die nächtlichen Beschränkungen, sollte die Staatsregierung diese über das kommende Wochenende hinaus verlängern wollen.