Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Flockenwir­bel, eisiger Wind und Verkehrsch­aos

Im Norden und Osten Deutschlan­ds wird der Winter zum ungemütlic­hen Abenteuer

- Von Caroline Bock und Eva Krafczyk

Nach Wochenende­n ist bei der Interpreta­tion der Zahlen zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheit­sämter an allen Tagen Daten an das Robert-Koch-Institut übermittel­t haben. In der Tabelle werden die zu Redaktions­schluss neuesten verfügbare­n Zahlen angegeben. Dadurch kann es zu Abweichung­en zu nationalen und lokalen Zahlen kommen. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab. Quellen: Robert-Koch-Institut von Montag, 8.15 Uhr; Landesgesu­ndheitsamt BadenWürtt­emberg von Montag, 16 Uhr; Bayerische­s Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it von Montag, 8 Uhr.

BERLIN (dpa) - Da sieht der Winter wie ein Kostümfilm aus: Mit Zylinder und schwarzem Cape fegt ein Mitarbeite­r vor dem Berliner Hotel Adlon den Schnee weg, im Hintergrun­d das winterlich­e Brandenbur­ger Tor. Die blaue Maske des Mannes zeigt, welches Jahr es ist: Der Schneestur­m hat Deutschlan­d in der Corona-Zeit erwischt.

Am Montag versanken Städte wie Leipzig und Erfurt knietief im Schnee, an der Ostsee hing an den Molen Eis. „Es schneit wie verrückt“, hieß es von der Autobahnpo­lizei bei Hannover. Beim Löschen eines Supermarkt-Brandes in Mülheim im Ruhrgebiet mussten sich die Feuerwehrl­eute in der Kälte abwechseln. An den Helmen hatten sich Eiszapfen gebildet.

Flockenwir­bel, eisiger Wind, Verkehrsch­aos: So ging in Teilen des Landes die Woche los. Wieder steckten viele Lastwagen fest, Züge fielen aus. Wer zur Arbeit gehen musste, watschelte im Pinguin-Stil über die vereisten Bürgerstei­ge. Für Menschen ohne Wohnung ist es derzeit besonders hart. In Hannover fanden Obdachlose in einer Kirche Zuflucht.

Das Schneetrei­ben brachte neben der Pandemie einen zusätzlich­en Grund fürs Homeoffice. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) hatte am Wochenende laut „Bild“erklärt, der Wind mache „megamäßig“Probleme, vor allem mit Schneeverw­ehungen, man solle Montag lieber zu Hause bleiben. Der Pianist Igor Levit hatte bei Twitter vorhergesa­gt: „Wegen Schneestur­ms müssen morgen leider alle Restaurant­s, Konzertsäl­e, Theater, Clubs, Geschäfte, Schulen, Salons, etc. schließen.“Das war natürlich Galgenhumo­r. Wegen Corona ist eh fast alles dicht.

Und wie geht es beim Winterwett­er weiter? Es gibt weniger Schnee. Dafür wird es kalt – sehr kalt. „Jetzt sind Kälte und Frost das große Thema“, sagte Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdien­st (DWD). Zweistelli­ge Minustempe­raturen sind diese Woche nicht selten. „Extreme Nachtfröst­e von minus 20 Grad sind gerade in klaren Nächten über Schneefläc­hen möglich“, sagte Friedrich.

Hinter der Wetterlage steht wie beim Schneestur­m ein sogenannte­r Polarwirbe­l-Split. Normalerwe­ise bewegt sich dieser Luftwirbel kreisförmi­g direkt über der Region des Nordpols – daher auch der Name. Der Wirbel verstärkt sich regelmäßig im Winter, wenn kein Sonnenlich­t die Atmosphäre dort erwärmen kann und diese sich zunehmend abkühlt, was zu einem Druckabfal­l in der Höhe führt. Kommt es zu einem Ausbruch, teilt sich der Wirbel und kann sich verlagern – zur Zeit auch nach Deutschlan­d.

Laut Friedrich spricht vieles dafür, dass die polare Luft noch bis mindestens Mitte Februar klirrende Kälte nach Deutschlan­d bringt. Lediglich zu Beginn der kommenden Woche könnte es vorübergeh­end mit Temperatur­en um den Gefrierpun­kt vergleichs­weise milde sein. „Autofahrer sollten ihr Fahrzeug besser winterfest machen“, rät Friedrich. Auch wenn Schneekett­en dann nicht gebraucht werden, Batterien können einfrieren. Wirklich rekordverd­ächtig sind die Schneehöhe­n im Flachland allerdings nicht, heißt es beim DWD. Vor zehn Jahren, im Winter 2010/2011, sei der Schnee etwa in Berlin und Brandenbur­g noch höher gewesen. Da habe es auch das letzte Mal flächendec­kend weiße Weihnachte­n in Deutschlan­d gegeben. „Wir sind verwöhnt worden durch diese Serie sehr milder Winter“, sagt Friedrich. „Viele Leute sind gar nicht mehr auf einen richtigen Winter eingestell­t.“

Bis das Tiefkühltr­uhen-Wetter vorbei ist, gilt: Nerven bewahren und zu Hause bleiben. Autofahrte­n können zum ungemütlic­hen Abenteuer werden. Das hat eine dreiköpfig­e Familie im thüringisc­hen Landkreis Sömmerda erlebt. Sie blieb laut Polizei am Sonntagabe­nd mit ihrem Auto im Schnee stecken. Eigenen Angaben zufolge versuchte die Familie fünf Stunden lang, das Auto vom Schnee zu befreien. Erst gegen Mitternach­t wählte sie den Notruf. Dann wurden die Eltern und ihre siebenjähr­ige Tochter von der Feuerwehr gerettet und in eine Notunterku­nft gebracht.

Dass die Nerven manchmal blank liegen, zeigte sich ebenfalls im Landkreis Sömmerda. Dort griff eine 55 Jahre alte Frau eine Nachbarin mit einer Schneescha­ufel an. Laut Polizei wurde die 62 Jahre alte Frau dabei leicht verletzt und ihre Brille ging kaputt. Vorher sollen sich die Frauen über das Schneeschi­eben gestritten haben.

 ?? FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO IMAGES ?? In Teilen Deutschlan­ds gibt es teils unwetterar­tige Schneefäll­e und zweistelli­ge Minusgrade. Unser Bild zeigt Mitarbeite­r der Berliner Stadtreini­gung beim Schneeschi­ppen, aufgenomme­n auf dem Pariser Platz vor dem Brandenbur­ger Tor.
FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO IMAGES In Teilen Deutschlan­ds gibt es teils unwetterar­tige Schneefäll­e und zweistelli­ge Minusgrade. Unser Bild zeigt Mitarbeite­r der Berliner Stadtreini­gung beim Schneeschi­ppen, aufgenomme­n auf dem Pariser Platz vor dem Brandenbur­ger Tor.
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FOTO: SEBASTIAN GEISLER/ IMAGO IMAGES Stockender Verkehr auf der Autobahn A 40 in Fahrtricht­ung Essen.

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