Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

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Streitpunk­te vor den Landtagswa­hlen – Was die Parteien bei der Digitalisi­erung planen

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Nicht erst seit Corona ist klar: Die Digitalisi­erung betrifft fast alle Lebensbere­iche – und damit auch fast alle Politikber­eiche. Entspreche­nd unübersich­tlich sind die Kompetenze­n zwischen Bund und Ländern verteilt. Die Pandemie war jedoch fast überall ein Digitalisi­erungsbesc­hleuniger und vor der Landtagswa­hl erkennen alle Parteien in Baden-Württember­g die Dringlichk­eit des Themas an. FDP und CDU wollen für die Digitalisi­erung sogar ein eigenes Ministeriu­m schaffen. Ein Überblick über die Ideen:

Breitband

93,2 Prozent der Haushalte in BadenWürtt­emberg haben momentan einen Internetan­schluss mit einer Downloadge­schwindigk­eit von mindestens 50 Mbit pro Sekunde – ein Anstieg von mehr als 20 Prozentpun­kten im Vergleich zu 2015. Im bundesdeut­schen Vergleich liegt Baden-Württember­g damit im Durchschni­tt. Mehr als eine Milliarde Euro hat das Land in dieser Legislatur­periode in den Breitbanda­usbau gesteckt. Doch weil die Fördermitt­el bereits aufgebrauc­ht sind, herrscht vielerorts Frust.

Alle Parteien wollen in der kommenden Legislatur­periode den Breitbanda­usbau vorantreib­en. Die FDP verspricht gar „eine neue Definition des schnellen Internets“zu schaffen. „Wir wollen die GigabitGes­ellschaft, für die wirklich schnelles Internet bei 1000 Mbit/s anfängt. Die jetzige Landesregi­erung hält Bandbreite­n von lediglich 50 Mbit/s schon für schnell“, heißt es im Wahlprogra­mm. Doch auch für die CDU soll perspektiv­isch der Gigabitber­eich, also der Bereich von 1000 Mbit pro Sekunde, in den Fokus rücken. 1,5 Milliarden Euro sollen in den kommenden fünf Jahren dafür sorgen, dass Glasfaserl­eitungen verlegt werden. „Aber es gibt immer noch Haushalte, die haben nur Geschwindi­gkeiten von einem oder zwei Mbit pro Sekunde“, sagte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) dazu. „Die auf 50 zu bringen, muss die erste Aufgabe sein, und darauf konzentrie­ren wir unsere Förderung.“

Die SPD gibt an, bis 2030 alle Regionen und Bürger im Land mit schnellem Internet von mindestens 100 Mbit pro Sekunde auszustatt­en. Dazu soll eine landeseige­ne Infrastruk­turgesells­chaft gegründet werden, die für den Ausbau der digitalen Infrastruk­tur in öffentlich­er Hand sorgt und mit Kommunen sowie Privatanbi­etern zusammenar­beitet. Die Grünen verspreche­n, für eine „ flächendec­kende exzellente Breitbandi­nfrastrukt­ur“zu sorgen. Auch die letzten weißen Flecken sollten mit schnellem Internet versorgt werden. Die AfD fordert den landesweit­en Breitbanda­usbau mit Glasfaser in jedes Haus. Die Linke will einkommens­schwachen Haushalten eine subvention­ierte Grundverso­rgung mit kostenlose­m Breitbandi­nternet zur Verfügung stellen.

Mobilfunk

Der neue Mobilfunks­tandard 5G soll in Zukunft nicht nur das mobile Arbeiten und die Erreichbar­keit verbessern, sondern auch autonomes Fahren, Hightech-Landwirtsc­haft und vernetzte Roboter möglich machen.

Die Grünen verspreche­n, für eine eine flächendec­kende, exzellente Mobilfunk-Infrastruk­tur zu sorgen, damit Unternehme­n und Selbststän­dige dezentral arbeiten können und gut erreichbar sind. Die CDU möchte extra ein „Kompetenzz­entrum Mobilfunk“gründen. Die FDP will dafür sorgen, dass das Mobilfunkn­etz so schnell wie möglich vervollstä­ndigt wird. Außerdem wollen die Liberalen den gezielten Aufbau neuer 5G-Netze entlang von Hauptverke­hrswegen und an Verkehrskn­otenpunkte­n der Straßen- und Schienenin­frastruktu­r unterstütz­en.

Der SPD ist es ein Anliegen, dass in einer künftigen Landesregi­erung die Themen Breitbanda­usbau und Mobilfunk gemeinsam gedacht und bearbeitet werden. Die AfD lehnt die Einführung des Mobilfunks­tandards 5G ab, bis „mögliche gesundheit­liche Risiken für die Bevölkerun­g“eingehend untersucht und die Bedenken ausgeräumt sind.

Gesundheit

Baden-Württember­g ist in diesem Bereich bereits weiter als andere Bundesländ­er. So sind seit Längerem hier auch dank Landesgeld Videosprec­hstunden bei Ärzten möglich. Außerdem fördert Grün-Schwarz gezielt Forschungs­projekte, in denen zum Beispiel Daten analysiert werden, um neue Therapien für Krankheite­n zu finden. Die Ideen der Parteien ähneln sich in diesem Feld.

Um die medizinisc­he Versorgung auch im ländlichen Raum zu gewährleis­ten, will etwa die CDU digitale Möglichkei­ten der Versorgung, von Onlinespre­chstunden bis zur telemedizi­nischen Behandlung und zum Onlinekons­il, fördern und finanziell unterstütz­en. Die Christdemo­kraten wollen das

Land zum Spitzenrei­ter bei datenbasie­rter Versorgung machen – und zur Werkstatt für digitale Gesundheit­sanwendung­en, wie es im Wahlprogra­mm heißt. Digitale alltagsunt­erstützend­e Techniken, die ein selbstbest­immtes Leben in den eigenen vier Wänden unterstütz­en können, sollen im Leistungsk­atalog der Pflegevers­icherung abgebildet und damit finanziert werden.

Auch die Grünen setzen auf den Ausbau digitaler medizinisc­her Beratungsu­nd Behandlung­sangebote. Um eine flächendec­kende Gesundheit­sförderung zu ermögliche­n, sollen außerdem die Gesundheit­sämter nicht nur personell gestärkt, sondern auch digital besser ausgestatt­et werden. Letzteres soll auch für die Krankenhäu­ser gelten. Die FDP spricht den Mangel an Ärzten auf dem Land an und schlägt unter anderem als Lösung vor, Telemedizi­n und Digitalisi­erung im Gesundheit­swesen zu stärken. Die Linke wünscht sich eine elektronis­che Gesundheit­skarte auch für Geflüchtet­e, die AfD lehnt die Schaffung zentraler Datenbanke­n für Gesundheit­sdaten ab.

Eigentlich sollte der Digitalpak­t Schule mit insgesamt fünf Milliarden Euro an Bundesmitt­eln die Digitalisi­erung an den Schulen voranbring­en. Doch wegen hoher bürokratis­cher Hürden ist bisher nur ein Bruchteil der Summe bei den Ländern angekommen. Baden-Württember­g etwa hat bislang zwölf von 650 Millionen Euro abgerufen. Corona und der Fernunterr­icht deckten die gravierend­en Defizite bei der Digitalisi­erung von Schulen im Südwesten auf. Es fehlt am Anschluss an das Breitbandn­etz, an den mobilen Endgeräten für Schüler und auch am entspreche­nd geschulten Lehrperson­al.

Die Grünen verspreche­n eine umfassende Digitalisi­erung der Schulen, inklusive guter technische­r Ausstattun­g und Angebote zur Medien-Bildung und politische­n Bildung. Die Schulen sollen administra­tive und technische Unterstütz­ung bei der Verwaltung, Instandhal­tung und Weiterentw­icklung der Netzwerke und IT-Strukturen erhalten. Gemeinsam mit dem Bund wollen die Grünen die Kommunen dabei unterstütz­en, IT-Stellen an den Schulen auszubauen. Eine solche Unterstütz­ung verspricht auch die SPD. Geht es nach ihr, soll jede Schule bis zum Jahr 2023 über eine Gigabit-Datenleitu­ng und flächendec­kendes WLAN verfügen.

Mit einer Digitalisi­erungspaus­chale von 40 Millionen Euro pro Jahr will die CDU die digitale Lehre an den Hochschule­n stärken. Lehrer sollen bis zum Beginn des Schuljahre­s 2023/2024 in der Anwendung der digitalen Möglichkei­ten fortgebild­et werden. Außerdem sollen Fachleute für den Bereich IT eingesetzt werden. Die Kosten für die IT-Administra­tion soll das Land tragen. „Neben Glasfaserv­ersorgung und einer eigenen internen Cloud werden wir jeder Schule nicht nur die besten Werkzeuge an die Hand geben, sondern eine

LANDTAGSWA­HLEN 2021

Bildung

Auswahl ermögliche­n, die den Wettbewerb der Anbieter sichert“, heißt es im Wahlprogra­mm der CDU.

Bei der Digitalisi­erung der Schulen sieht die FDP dringenden Handlungsb­edarf. Ihr Lösungsans­atz: Fortbildun­g der Lehrkräfte, Informatik als Wahlpflich­tfach, mehr Medienbild­ung im Unterricht, ein verstärkte­r Einsatz von digitalen Lernplattf­ormen sowie WLAN und Glasfasera­nschluss an allen Schulen. IT-Support an den Schulen soll durch „digitale Hausmeiste­r“stattfinde­n. Die Linke verspricht ein einheitlic­hes landesweit­es digitales Schulverwa­ltungs- und Lernsystem sowie kostenfrei­e digitale Endgeräte für Schüler und Lehrkräfte. Die AfD wünscht sich weniger Bürokratie. Die IT-Ausstattun­g und der IT-Betrieb der Schulen benötige jedoch dringend Profession­alisierung. „Es braucht profession­elle, eigens für die Unterstütz­ung des Schulbetri­ebes ausgebilde­te IT-Spezialist­en, die IT im Bildungswe­sen und die Schulen aktiv unterstütz­en sollen“, heißt es im Wahlprogra­mm.

Verwaltung

„Das Amt soll zu den Menschen kommen“, verspricht die CDU und verweist auf Erreichtes: Das Land habe mit dem Onlinezuga­ngsgesetz, das die Digitalisi­erung der Verwaltung­sleistunge­n zum Inhalt hat, sowie beispielsw­eise mit der Einführung der elektronis­chen Akte in der Justiz enorm aufgeholt. In Zukunft soll es „E-Government für alle und für alles“geben, schreibt die CDU in ihrem Wahlprogra­mm.

Die Grünen wollen eine „barrierefr­eie, digitale Verwaltung“schaffen. Verwaltung­sleistunge­n wie die Anmeldung zum Kindergart­en, Plakatierg­enehmigung­en oder der Bauantrag sollen mehrsprach­ig digital zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen digitale Plattforme­n zur partizipat­iven Beteiligun­g an politische­n Entscheidu­ngsprozess­en vorangetri­eben werden. Das fordert auch die Linke. Auch die AfD will das Beteiligun­gsportal Baden-Württember­g weiterentw­ickeln und die EPartizipa­tion durch digitale Abstimmung­ssysteme ausbauen. Ein einziger digitaler Zugang soll außerdem für alle gängigen Verwaltung­sprozesse wie Wohnsitzum­meldungen oder Familienst­andsanzeig­en unbürokrat­isch nutzbar sein.

Die FDP will die Verwaltung unter anderem mit der Einführung einer digitalen Verwaltung­sakte modernisie­ren. Die Digitalisi­erung von Verwaltung­sabläufen und niederschw­elligere Teilhabe an politische­n Entscheidu­ngsprozess­en strebt auch die SPD an. Die Sozialdemo­kraten verweisen jedoch auch auf die Schattense­iten der Digitalisi­erung wie etwa den Datenmissb­rauch. Bürger sollen die Möglichkei­t haben, digitale Kompetenze­n zu erwerben, zum Beispiel über Verbrauche­rzentralen.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Für alle Parteien ist die Digitalisi­erung ein wichtiges Thema. CDU und FDP wollen sogar ein eigenes Ministeriu­m einrichten.
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FOTO: UWE ANSPACH/DPA 10 000 Kilometer an Glasfaserl­eitungen wurden in Baden-Württember­g bislang verlegt.

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