Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Stimmen aus der Praxis
Die letzten Monate haben jedem aufgezeigt, dass wir beim Thema Digitalisierung und Breitbandversorgung noch vieles aufzuholen haben. Zur Beschleunigung der Digitalisierung bedarf es mehr als nur irgendwelcher Onlinezugänge, sondern wir brauchen volldigitale Lösungen in der Verwaltung. Das Land muss für die Beschleunigung der Digitalisierung bei sich und den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung stellen. Grundvoraussetzung für die digitale Verwaltung, für Homeoffice und Homeschooling sind schnelle Internetzugänge. Das Bundesförderprogramm zum Breitbandausbau wird in Baden-Württemberg von den Kreisen und Kommunen erfolgreich beantragt. Leider kommt es aufgrund von leergelaufenen Fördertöpfen zu großen Verzögerungen bei der Bewilligung vonseiten des Landes. Das hemmt die Geschwindigkeit des Ausbaus kolossal und vor allem brauchen die Kommunen Planungssicherheit, dass die Gelder, wenn auch verspätet, eingehen werden. Mit der angekündigten Graue-Flecken-Förderung des Bundes werden die auf Landesseite notwendigen Summen noch weiter anwachsen. Der prognostizierte Mittelbedarf beläuft sich auf mindestens 500 Millionen Euro jährlich, aus meiner Sicht ist die Summe noch zu niedrig angesetzt. Die Fördersätze müssen beibehalten werden und die Antragsund Verwendungsnachweise sollten noch mehr vereinfacht werden.
Oliver Spieß, Bürgermeister Fronreute
Digitalisierung ist deutlich mehr als das Vergraben von Glasfaserkabeln. Unsere Landesregierung muss beginnen, den Nutzen der Digitalisierung für den Einzelnen, auch für ältere Menschen, zu erklären. Und sie muss Menschen unterstützen, einen Nutzen der Digitalisierung für sich selbst zu erschließen. Was nutzt zum Beispiel eine elektronische Patientenakte, wenn es Menschen gibt, die damit nicht umgehen können? Oder eine digitale Steuererklärung, wenn Menschen nicht wissen, wie das funktioniert? Gesellschaftliche Teilhabe ist ohne digitale Kompetenzen schon heute nicht mehr möglich. Dabei bringt die Digitalisierung so viele Vorteile mit sich. Heute kann man seine Memoiren oder das Tagebuch in den PC diktieren, ohne tippen zu müssen. Im Internet kann man sich zu jedem erdenklichen Thema schlaumachen. Man muss aber seriöse Quellen von unseriösen unterscheiden können. Eine Aufgabe der Politik ist es, Menschen dabei zu unterstützen.
Hanno Wolfram, Rentner aus Muttensweiler
ber die Milliarden des Digitalpakts kommt gerade sehr viel Geld an die Schulen. Es ist aber ein riesen bürokratischer Aufwand, bis da ein Euro fließt. Aus Sicht der Schulen ist es höchst deprimierend, weil sie meist allein gelassen werden. Nur fünf Prozent der Schulen im Land haben einen schnellen Internetanschluss. Den IT-Support müssen sie sich selbst suchen. Die Lernplattform Moodle bekommen sie zwar vom Land. Um an der Schule ein Netzwerk aufzubauen, müssen sich gerade kleinere Schulen Dienstleister einkaufen. Das kostet richtig Geld, das nicht jede Kommune als Schulträger bereit ist zu zahlen. Eine Hand voll Leute betreut die Lernplattform Moodle und das Videokonferenzsystem BigBlueButton fürs Land. Keine Firma mit 50 000 Beschäftigten hat lediglich fünf Leute in der IT-Abteilung.
Marc Heintz, Ingenieur und Lehrer für IT und Elektrotechnik an der Tettnanger Elektronikschule