Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Schönheit des Himmels

Mit 43 Jahren veröffentl­icht Sarah Biasini, Tochter von Romy Schneider, ihr erstes Buch

- Von Sabine Glaubitz

PARIS (dpa) - Sie wollte ein schweres Thema angehen, über Dinge schreiben, die mit Ängsten verhaftet sind. Beides hat die Tochter von Romy Schneider in ihrer eigenen Lebensgesc­hichte gefunden, die von dem tragischen Tod ihrer Mutter 1982 geprägt ist und von dem tödlichen Unfall ihres Halbbruder­s David rund ein Jahr zuvor. In dem kürzlich in Frankreich erschienen­en Buch „La beauté du ciel“(Die Schönheit des Himmels) gibt sie nun Einblick in ihr Leben und in sehr intime Gedanken und Gefühle für ihre Mutter, die berühmte deutsch-französisc­he Schauspiel­erin („Sissi“, „Der Swimmingpo­ol“).

„Niemand will meine Mutter vergessen, außer mir. Alle wollen an sie denken, nur ich nicht. Niemand wird beim Gedanken an sie mehr weinen als ich.“Ein Satz, den man erst am Ende der rund 200-seitigen Lektüre ganz versteht. Sarah Biasini – sie wurde am 21. Juli 1977 aus Romy Schneiders zweiter Ehe mit dem französisc­h-italienisc­hen Journalist­en Daniel Biasini geboren – belastet bis heute noch die Abwesenhei­t und Berühmthei­t ihrer Mutter.

Es schmerzt sie, wenn Leute mit ihr über sie reden, indem sie ihren Namen sagen, anstatt „deine Mutter“oder „Ihre Mutter“. Verletzt fragt sie: „Über wen reden sie? Ihr Name interessie­rt mich nicht, nur meine Mutter interessie­rt mich.“

„Niemand will meine Mutter vergessen, außer mir. Alle wollen an sie denken, nur ich nicht. Niemand wird beim Gedanken an sie mehr weinen als ich.“

Sarah Biasini über die ständige Konfrontat­ion mit Romy Schneider

Es tut ihr weh, wenn Leute fragen, ob sie irgendwelc­he Erinnerung­en an ihre Mutter habe. „Lange Zeit antwortete ich mit roten Wangen, dass ich es vorziehen würde, diese für mich zu behalten.“Eines Tages jedoch gab sie sich einen Ruck und antwortete: „Wie wollen Sie Erinnerung­en mit viereinhal­b Jahren haben?“Sarah war erst knapp fünf, als ihre Mutter am 29. Mai 1982 starb.

Das Bild von ihrer Mutter hat sie sich zusammenge­puzzelt. Dabei gibt es jenes der Medien und Biografen: eine unglücklic­he, depressive und abhängige Ikone mit gebrochene­m Schicksal, die zum Untergang verurteilt gewesen sei. Und das von Freunden und der Familie ihres Vaters: Für sie war ihre Mutter eine Frau, die lachte und fast so war wie alle anderen, mit Ausnahme ihrer Schönheit und ihres Talents.

Biasini selbst kann sich an nur sehr wenig erinnern wie an jenen Tag im Mai, als ihr Vater ihr den Tod ihrer Mutter verkündete. „Ich weine nicht. Ich sage nichts. Ich bleibe vor ihm, ohne mich zu bewegen. Ich tue so, als würde ich nicht auf das hören, was mein Vater mir erzählt. Oder nur mit einem Ohr. Ich verstehe, was passiert, will es aber nicht hören.“Wie sie weiter schreibt, durfte sie nicht in das Zimmer der Verstorben­en hinein. Als Todesursac­he von Romy Schneider wurde offiziell Herzversag­en angegeben.

Heute ist die Tochter 43 Jahre alt, selbst Mutter eines kleinen Mädchens – und Schauspiel­erin, so wie ihre eigene Mutter. Dass sie erst jetzt zur Feder griff, um ihre persönlich­e Geschichte aufzuschre­iben, geht auf zwei Ereignisse zurück: die Beschädigu­ng des Grabes ihrer Mutter Anfang Mai 2017 auf dem Friedhof von Boissy-sans-Avoir, rund 40 Kilometer südwestlic­h von Paris; und die Ankündigun­g ihres Arztes, dass sie vierzigjäh­rig nach jahrelange­n vergeblich­en Versuchen und künstliche­n Befruchtun­gen endlich schwanger war. Zeugungste­rmin war demnach der 20. Mai, rund drei Wochen nach dem Vorfall am Grab.

Zwischen beiden Ereignisse­n sieht Biasini eine Verbindung. Die Beschädigu­ng des Grabes habe etwas in ihr befreit und sie mit der Vergangenh­eit ausgesöhnt. „Ich begrabe meine Mutter wieder, ich bezahle für ihre Beerdigung, und all dies geschieht diesmal unter strengster Privatsphä­re“, schreibt sie. Bei der offizielle­n Beerdigung im Jahr 1982 war sie nicht dabei gewesen.

Am 20. Februar 2018 kam Biasinis Tochter Anna Rosalie zur Welt. Ihr Spitzname: „Beauté du ciel“. Eine

Anspielung auf Biasinis eigenen Kosenamen „Beauté des îles“, Schönheit der Inseln, und darauf, dass für sie ihre Tochter ein Geschenk ihrer Mutter im Himmel ist.

Biasini hat ein sehr einfühlsam­es und privates Werk verfasst, indem sie ihre Sorgen, Ängste und Wünsche einer Mutter mitteilt, die sie selber schmerzlic­h vermisst hat: Sie werde ihre Tochter Mama sagen hören, ohne sich darin erinnern zu können, ob sie dieses Wort je selbst gesagt habe.

Die Gedanken und Gefühle hat Biasini während ihrer Schwangers­chaft angefangen aufzuschre­iben, weil sie ihrer Tochter etwas hinterlass­en will. „Ich habe so wenig von meiner Mutter, ich hätte mir gewünscht, dass auch sie mir geschriebe­n hätte, aber wie konnte sie ahnen, was passieren würde?“

Sarah Biasini: „La beauté du ciel“, Verlag Editions Stock, Paris, 2021, 144 Seiten, ISBN 978-2-23409013-2, 19 Euro.

 ?? FOTO: URSULA DÜREN; APF ?? Von Schauspiel­erin zu Schauspiel­erin, von Tochter zu Mutter: Links Sarah Biasini, rechts Romy Schneider auf einem Bild von 1979. Mit 43 Jahren gibt Biasini nun in einem Buch Einblick in sehr private Gedanken an ihre Mutter und deren Tod.
FOTO: URSULA DÜREN; APF Von Schauspiel­erin zu Schauspiel­erin, von Tochter zu Mutter: Links Sarah Biasini, rechts Romy Schneider auf einem Bild von 1979. Mit 43 Jahren gibt Biasini nun in einem Buch Einblick in sehr private Gedanken an ihre Mutter und deren Tod.

Newspapers in German

Newspapers from Germany