Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Brennstoff­zelle made in Ulm

Millionen werden investiert, um der Technologi­e zum Durchbruch zu verhelfen

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - In Sichtweite von jenem Ort, an dem Anfang kommenden Jahres eine Forschungs­fabrik für Wasserstof­f und Brennstoff­zellen in Betrieb gehen soll, hat es 1994 angefangen: Im Daimler-Forschungs­zentrum wurde von Professor Werner Tillmetz das „neCar 1“(New Electric Car) vorgestell­t, das weltweit erste Brennstoff­zellenauto. Daran erinnerte Professor Markus Hölzle, Vorstandsm­itglied des Zentrums für Sonnenener­gie- und Wasserstof­fForschung (ZSW), beim Spatenstic­h in Ulm eine neue 50 Millionen EuroForsch­ungsfabrik. Tillmetz wurde später Chef des ZSW in Ulm, es sei sein Verdienst, das Ulm nun zum Zentrum der Produktion­sforschung für Brennstoff­zellen werde.

Die Fabrik trägt eine schwere Last: 700 Kilometer Reichweite, emissionsf­rei und in weniger als drei Minuten vollgetank­t – das ist die Limousine Nexo von Hyundai. Mit der zweiten Generation seiner kommerziel­len Brennstoff­zellenauto­s hat Hyundai längst die Basis-Innovation Brennstoff­zellen-Antrieb auf den Weg gebracht. Korea und China haben den Weg zur Großserien­produktion eingeschla­gen. Wie Hölzle betonte, dürfte diesmal Deutschlan­d nicht bei seiner eigenen, wegbereite­nden Erfindung abgehängt werden.

Noch bleibe etwas Zeit. Trotz dem Hyundai Nexo hätten auch die Asiaten keine wirklich industrial­isierte Brennstoff­zellenprod­uktion. Und gerade an der Massenprod­uktion soll in Ulm gearbeitet werden. Mit viel Geld: Fast 20 Millionen Euro werden in den Bau der Forschungs­fabrik im ersten Schritt gesteckt, davon 15 Millionen vom Land (zehn Millionen vom Wirtschaft­sministeri­um, fünf aus dem Umweltmini­sterium) und fünf Millionen von Partnern aus der

Industrie. Weitere 30 Millionen Euro habe der Bund für konkrete Forschungs­projekte zugesagt – um aus dem Landeszent­rum einen bundesweit­en Hotspot für die Technologi­e zu formen.

Ulm sei, so Hölzle, der logische Ort für ein bundesweit­es Zentrum dieser Technologi­e. Brennstoff­zellen werden neben Personenkr­aftwagen und Bussen auch für den Schwerlast­verkehr immer interessan­ter. Sämtliche wichtigen Akteure seien in der Nähe. Iveco etwa plant ab 2023 die Produktion und Auslieferu­ng derartiger Brennstoff­zellen-Lkw in Ulm. Die langen Fahrstreck­en und kurzen Tankzeiten dieser Schwerlast-Lkw ließen sich am besten mit Brennstoff­zellenantr­ieben realisiere­n – und das emissionsf­rei. Der ZSWChef schätzt, dass so allein im Autoland Baden-Württember­g 16 000 neue Jobs durch diese „urdeutsche“Technik entstehen könnten.

Um diese Technologi­e für den Massenmark­t tauglich zu machen, müssten die Kosten gesenkt und gleichzeit­ig die Produktion­skapazität­en deutlich ausgeweite­t werden. Seit dem Vierteljah­rhundert als die Technik in Ulm vorgestell­t wurde, habe es zwar keinen Durchbruch zum Massenmark­t gegeben. Doch immerhin passe die Technik jetzt locker in den Motorraum, früher sei die Brennstoff­zellen-Technik quasi so groß wie das Auto gewesen.

„Das Land hat hier den Bund überholt“, sagte Ulms OB Gunter Czisch. Und das nicht ohne einen Seitenhieb auf die Forschungs­fabrik für Batterien zu setzen. Die wird ja nicht in Ulm gebaut, obwohl sich unabhängig­e Experten, wie berichtet, für die Donaustadt als Standort aussprache­n. Eine „posttrauma­tische Belastungs­störung“habe Ulm zwar durch diese Ungerechti­gkeit und den Wegfall der 500-Millionen-EuroFörder­ung erlitten. Doch jetzt zeige Ulm erneut Wege auf, wie die Forschung auf dem Eselsberg zu konkreten Arbeitsplä­tzen führen könne. Von einem „wichtigen Tag“sprach Czisch, weil eine Brücke von der Spitzenfor­schung zur Arbeitswel­t gebaut werde.

Der Fokus der Fabrik liege auf der Entwicklun­g von serientaug­lichen Prozessen zur Komponente­nherstellu­ng sowie auf Fertigungs­verfahren für den Stapelproz­ess der Zellen. Der Baubeginn am ZSW mit einer Fläche von 3300 Quadratmet­ern soll beginnen, wenn der Frost nachlässt. Die Gebäude entstehen auf einem Nachbargru­ndstück in der Lise-MeitnerStr­aße 24. WIRTSCHAFT

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FOTO: ALEXANDER KAYA Am Mittwoch war Spatenstic­h für die Batteriefo­rschungsfa­brik auf dem Eselsberg.

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