Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Reisebüro-Chefin kämpft sich aus der Krise
Wegen Corona musste Gabriele Knöpfle ihr Geschäft schließen – Sie wurde arbeitslos und erlebte einen Tiefpunkt – Doch jetzt hilft ihr das Virus aus der Krise
NEU-ULM - Gabriele Knöpfle hatte mit den Folgen des Lockdowns schwer zu kämpfen. Ihr Reisebüro in Pfuhl musste sie bis auf unbestimmte Zeit schließen. „Ein Drama“, sagt die 50Jährige. Sie war arbeitslos und lebte zwischenzeitlich von Hartz IV. Doch so konnte es für sie nicht weitergehen. „Jetzt fühle ich mich wieder mitten im Leben“, sagt sie. Denn wie Corona sie einst in die Krise stürzte, half das Virus ihr jetzt quasi auch wieder heraus.
Seit dem 15. Januar ist die Burlafingerin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) fest angestellt und arbeitet als Impfhelferin im Corona-Impfzentrum auf dem Ulmer Messegelände. Ihre Aufgabe dort? Sie beschreibt sich selbst als „Allrounder“und ist unter anderem zuständig für die Registrierung der „Impflinge“: Begrüßung, Daten aufnehmen, einweisen. „Was dort auf die Beine gestellt wurde, ist gigantisch“, sagt sie. „Nur der Impfstoff fehlt.“
Besonders freut sie an der neuen Tätigkeit, dass sie dabei auch etwas Gutes tun kann. „Die älteren Menschen sind so dankbar, wenn man ihnen hilft. Das ist ein schönes Gefühl.“Überhaupt kein schönes Gefühl war für die Mutter von drei schulpflichtigen Kindern die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit. Wegen des Reise-Lockdowns verdiente sie keinen Cent, laufende Kosten hatte sie trotzdem. Ohne die mentale Unterstützung von ihrem Mann und ihren Kids würde sie das Ganze nicht schaffen, sagt sie.
Aber die Auswirkungen gingen offensichtlich auch nicht einfach so an ihren Kindern vorbei. Ihre zu dem
Zeitpunkt noch neunjährige Tochter schrieb einen Brief an die Bundeskanzlerin. Ein Foto davon postete Gabriele Knöpfle bei Facebook. Das machte dort so sehr die Runde, dass Angela Merkel sogar antwortete.
Darin seien aber keine neuen Informationen gewesen, sagt Knöpfle, die im Frühjahr des vergangenen Jahres auch eine Demo der Reise-Branche auf dem Ulmer Münsterplatz organisierte. Mit Koffern, Sonnenschirmen und Hawaii-Shirts machten sie auf ihre existenzbedrohende Situation aufmerksam und forderten eine Perspektive und Hilfen von der Regierung.
Eine Überbrückungshilfe gibt es mittlerweile zwar, doch die würde die Kosten keineswegs decken, sagt sie. Und weil ihr Mann Frührentner ist, müsse sie für den Lebensunterhalt aufkommen. Als ihr dann auch noch die Grundsicherung gekürzt wurde, weil ihre 16-jährige Tochter bei Wind und Wetter Zeitung austrage, war das für sie zu viel des Guten. „Ich habe meine Kinder dazu erzogen, dass das Geld nicht vom Himmel herunterfliegt.“Für sie das entscheidende Signal: „Da muss ich raus, ich will wieder frei sein.“
Über eine Kollegin aus der Reisebranche, die Insolvenz anmelden musste und so Kontakt zum Arbeitsamt hatte, habe sie erfahren, dass im Ulmer Impfzentrum Helfer gesucht werden. Sie bewarb sich. Als die Zusage kam, flossen Tränen. „Ich wollte nur endlich wieder arbeiten, irgendetwas“, sagt sie. „Ich musste es tun, ich musste es für meine Familie tun.“
Unter den gut 150 Impfhelfern hätten „fast alle“Ähnliches erlebt. „Viele Corona-Opfer“, sagt sie, „die versuchen, aus der ganze Misere herauszukommen.“Von der Gastronomie über Hotellerie bis zum Schulbeförderungsdienst sei alles dabei. Alles eben, was aktuell nicht möglich ist. Aber: „Wir sind alle hochmotiviert.“
Nichtsdestotrotz sollte es irgendwann, so hofft Knöpfle, wieder zurück ins Reisebüro in die Pfuhler Hauptstraße gehen. Wann, ist unklar. Ihr Vertrag beim Impfzentrum ist aktuell befristet bis Ende April. Sie geht aber davon aus, dass bis dahin noch lange nicht ausreichend Menschen geimpft seien und ihre Hilfe auf dem Messegelände daher weiter benötigt würde.
Und während viele Menschen in Deutschland noch auf ihre Impfung gegen das Coronavirus warten, hat die 50-Jährige bereits ihre erste Spritze erhalten. Denn wenn jemand zwar einen Termin zur Impfung hat, aber nicht erscheint, ist eine Impfdosis übrig. Bis zum nächsten Tag aufheben, geht nicht. Also wird der übrig gebliebene Impfstoff dem anwesenden Personal verabreicht, so auch an Gabriele Knöpfle. Für sie ein weiterer Lichtblick in dieser düsteren Krise. Denn ihre 82jährige Mutter lebt im Pflegeheim, wurde aber noch nicht geimpft. Knöpfle hofft, dass sie durch ihre Impfung der Besuch im Heim künftig leichter werde.