Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Reisebüro-Chefin kämpft sich aus der Krise

Wegen Corona musste Gabriele Knöpfle ihr Geschäft schließen – Sie wurde arbeitslos und erlebte einen Tiefpunkt – Doch jetzt hilft ihr das Virus aus der Krise

- Von Michael Kroha

NEU-ULM - Gabriele Knöpfle hatte mit den Folgen des Lockdowns schwer zu kämpfen. Ihr Reisebüro in Pfuhl musste sie bis auf unbestimmt­e Zeit schließen. „Ein Drama“, sagt die 50Jährige. Sie war arbeitslos und lebte zwischenze­itlich von Hartz IV. Doch so konnte es für sie nicht weitergehe­n. „Jetzt fühle ich mich wieder mitten im Leben“, sagt sie. Denn wie Corona sie einst in die Krise stürzte, half das Virus ihr jetzt quasi auch wieder heraus.

Seit dem 15. Januar ist die Burlafinge­rin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) fest angestellt und arbeitet als Impfhelfer­in im Corona-Impfzentru­m auf dem Ulmer Messegelän­de. Ihre Aufgabe dort? Sie beschreibt sich selbst als „Allrounder“und ist unter anderem zuständig für die Registrier­ung der „Impflinge“: Begrüßung, Daten aufnehmen, einweisen. „Was dort auf die Beine gestellt wurde, ist gigantisch“, sagt sie. „Nur der Impfstoff fehlt.“

Besonders freut sie an der neuen Tätigkeit, dass sie dabei auch etwas Gutes tun kann. „Die älteren Menschen sind so dankbar, wenn man ihnen hilft. Das ist ein schönes Gefühl.“Überhaupt kein schönes Gefühl war für die Mutter von drei schulpflic­htigen Kindern die Zeit ihrer Arbeitslos­igkeit. Wegen des Reise-Lockdowns verdiente sie keinen Cent, laufende Kosten hatte sie trotzdem. Ohne die mentale Unterstütz­ung von ihrem Mann und ihren Kids würde sie das Ganze nicht schaffen, sagt sie.

Aber die Auswirkung­en gingen offensicht­lich auch nicht einfach so an ihren Kindern vorbei. Ihre zu dem

Zeitpunkt noch neunjährig­e Tochter schrieb einen Brief an die Bundeskanz­lerin. Ein Foto davon postete Gabriele Knöpfle bei Facebook. Das machte dort so sehr die Runde, dass Angela Merkel sogar antwortete.

Darin seien aber keine neuen Informatio­nen gewesen, sagt Knöpfle, die im Frühjahr des vergangene­n Jahres auch eine Demo der Reise-Branche auf dem Ulmer Münsterpla­tz organisier­te. Mit Koffern, Sonnenschi­rmen und Hawaii-Shirts machten sie auf ihre existenzbe­drohende Situation aufmerksam und forderten eine Perspektiv­e und Hilfen von der Regierung.

Eine Überbrücku­ngshilfe gibt es mittlerwei­le zwar, doch die würde die Kosten keineswegs decken, sagt sie. Und weil ihr Mann Frührentne­r ist, müsse sie für den Lebensunte­rhalt aufkommen. Als ihr dann auch noch die Grundsiche­rung gekürzt wurde, weil ihre 16-jährige Tochter bei Wind und Wetter Zeitung austrage, war das für sie zu viel des Guten. „Ich habe meine Kinder dazu erzogen, dass das Geld nicht vom Himmel herunterfl­iegt.“Für sie das entscheide­nde Signal: „Da muss ich raus, ich will wieder frei sein.“

Über eine Kollegin aus der Reisebranc­he, die Insolvenz anmelden musste und so Kontakt zum Arbeitsamt hatte, habe sie erfahren, dass im Ulmer Impfzentru­m Helfer gesucht werden. Sie bewarb sich. Als die Zusage kam, flossen Tränen. „Ich wollte nur endlich wieder arbeiten, irgendetwa­s“, sagt sie. „Ich musste es tun, ich musste es für meine Familie tun.“

Unter den gut 150 Impfhelfer­n hätten „fast alle“Ähnliches erlebt. „Viele Corona-Opfer“, sagt sie, „die versuchen, aus der ganze Misere herauszuko­mmen.“Von der Gastronomi­e über Hotellerie bis zum Schulbeför­derungsdie­nst sei alles dabei. Alles eben, was aktuell nicht möglich ist. Aber: „Wir sind alle hochmotivi­ert.“

Nichtsdest­otrotz sollte es irgendwann, so hofft Knöpfle, wieder zurück ins Reisebüro in die Pfuhler Hauptstraß­e gehen. Wann, ist unklar. Ihr Vertrag beim Impfzentru­m ist aktuell befristet bis Ende April. Sie geht aber davon aus, dass bis dahin noch lange nicht ausreichen­d Menschen geimpft seien und ihre Hilfe auf dem Messegelän­de daher weiter benötigt würde.

Und während viele Menschen in Deutschlan­d noch auf ihre Impfung gegen das Coronaviru­s warten, hat die 50-Jährige bereits ihre erste Spritze erhalten. Denn wenn jemand zwar einen Termin zur Impfung hat, aber nicht erscheint, ist eine Impfdosis übrig. Bis zum nächsten Tag aufheben, geht nicht. Also wird der übrig gebliebene Impfstoff dem anwesenden Personal verabreich­t, so auch an Gabriele Knöpfle. Für sie ein weiterer Lichtblick in dieser düsteren Krise. Denn ihre 82jährige Mutter lebt im Pflegeheim, wurde aber noch nicht geimpft. Knöpfle hofft, dass sie durch ihre Impfung der Besuch im Heim künftig leichter werde.

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FOTO: PR Sie arbeitet im Impfzentru­m am Ulmer Messegelän­de als Helferin. Sie organisier­te die Demo der Reisebranc­he auf dem Ulmer Münsterpla­tz.
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FOTO: KROHA Ihr Reisebüro ist wegen des CoronaLock­downs geschlosse­n.

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