Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Riskantes Überholman­över mit Folgen

50-Jähriger wegen Nötigung verurteilt

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EHINGEN (simü) - Im Straßenver­kehr können die Auffassung­en recht unterschie­dlich sein. Während der eine glaubt, gefahrlos ein paar Autos überholen zu können, hält der andere das Manöver für waghalsig, gar lebensgefä­hrlich. Bei einer Verhandlun­g am Mittwoch im Ehinger Amtsgerich­t wurden diese unterschie­dlichen Auffassung­en mehr als deutlich. Dort waren sich der Angeklagte und der Zeuge überhaupt nicht einig, wie ein Überholvor­gang auf der B311 ablief. Am Ende glaubte Richter Wolfgang Lampa den Darstellun­gen des Zeugen und verurteilt­e den 50-jährigen Angeklagte­n wegen Nötigung im Straßenver­kehr zu 30 Tagessätze­n mit jeweils 40 Euro und einem einmonatig­en Führersche­inentzug.

Der Angeklagte hatte im August 2020 mit seinem Audi auf der B311 zwischen Ehingen und Oberdischi­ngen mehrere Fahrzeuge am Stück überholt. „Die sind nur 70 gefahren“, begründete das der Angeklagte. Für ihn sei klar: Dass er die Fahrzeuge vor sich überholt hatte, sei absolut ungefährli­ch gewesen. Ein Hupen beim Überholen hat der Angeklagte, der die Strecke als Ortsansäss­iger gut kennt, so interpreti­ert, dass möglicherw­eise etwas mit seinem Auto nicht stimmen könnte. Daraufhin bog er in eine Einmündung ein paar hundert Meter nach einer Ampel auf Höhe Oberdischi­ngen ein, um nachzuscha­uen.

Der 37 Jahre alte Zeuge aus Westerstet­ten war mit seinem Skoda an diesem Tag ebenfalls auf der B311 unterwegs gewesen, hatte aber eine völlig andere Wahrnehmun­g von der Situation. „Der hat vier Autos und einen LKW auf einmal überholt, obwohl man einen entgegenko­mmenden LKW schon gesehen hat“, erklärte der Zeuge. Daraufhin habe er gehupt, als der Audi an ihm mit überhöhter Geschwindi­gkeit vorbeischo­ss. Der gesamte Kolonnenve­rkehr auf beiden Fahrspuren musste nach Angaben des Zeugen eine Vollbremsu­ng hinlegen. Danach hat der Zeuge den Angeklagte­n mit seinem Audi in der Einmündung nur wenige Sekunden nach dem Überholman­över gesehen. „Ich habe mich gefragt, warum er so waghalsig überholt und Leben riskiert und dann aber die Zeit hat, nur wenige Meter danach anzuhalten“, sagte der Zeuge. Der Richter führte in diesem Zusammenha­ng an, dass der Angeklagte schon einen Bußgeldbes­cheid wegen überhöhter Geschwindi­gkeit erhalten habe, weil er außerorts mit 56 Kilometern pro Stunde zu viel geblitzt worden ist.

Die Geschichte ging mit zwei verschiede­nen Versionen weiter. Nachdem der Audi in der Einmündung war, überholte der Angeklagte zwischen Oberdischi­ngen und Donauriede­n erneut die Kolonne und scherte vor dem Skoda des Zeugen wieder ein – soweit herrschte Einigkeit in der Erzählunge­n. Danach unterschei­den sich die Wahrnehmun­gen aber deutlich. Der Angeklagte behauptete, der Skoda habe ihm eine Lichthupe gegeben, wodurch er wieder dachte, es sei doch etwas mit dem Auto. Deswegen sei er an der roten Ampel ausgestieg­en und ums Auto gelaufen. Dann habe er den Fahrer des Skoda dazu aufgeforde­rt, das Fenster herunter zu lassen und ihm zu erklären, was los sei. „Aber der hat mich nur ausgelacht und mir den Vogel gezeigt“, sagte der Angeklagte. Deswegen habe er ein Bild vom Skoda gemacht, dieses aber nur wenige Tage bevor er für das Vergehen angeklagt worden war, gelöscht. „Da hab ich den weißen Skoda fotografie­rt“, erklärte der Angeklagte. Danach sei er ins Auto eingestieg­en und normal weitergefa­hren.

Der Zeuge sah das völlig anders. Vor allem bei den Wahrnehmun­g der Farben waren sie völlig unterschie­dlicher Auffassung. Der Wagen des Skoda war nämlich nicht weiß, sondern braun, wie der Zeuge versichert­e. Und die Farbe der Ampel sei nicht rot, sondern grün gewesen. Und nachdem der Audi vor ihm einscherte, hätte der Angeklagte vor der Ampel, die Autos hinter ihm ausgebrems­t, weil er sich provoziert gefühlt haben soll. „Ich hab auch ein Bild davon mit meinem Handy gemacht“, sagt der Zeuge und zeigte Richter Lampa eine mitgebrach­te Kopie, auf der der Audi mit leuchtende­m Bremslicht vor der grünen Ampel steht.

Danach sei der Angeklagte ausgestieg­en und habe ihn aufgeforde­rt das Fenster herunter zu lassen. Als er das nicht getan habe, soll der Angeklagte eine obszöne Geste gezeigt haben. Dann sei er weitergefa­hren. Für den Angeklagte­n war das Foto allerdings kein Beweis dafür, dass er tatsächlic­h komplett an der Ampel stand. „Und die Geste habe ich nicht gemacht“, erklärte er. „Das ist nicht die Wahrheit.“

Richter Lampa aber glaubte der Geschichte des Zeugen. Er verurteilt­e den Angeklagte­n daher zu 30 Tagessätze­n zu je 40 Euro und einem einmonatig­en Fahrverbot. Außerdem muss der Angeklagte die Kosten des Verfahrens übernehmen. „Ich bin davon überzeugt, dass der Zeuge die Wahrheit sagt“, erklärte Lampa. Es sei Fakt, dass der Angeklagte mehrmals dieselben Fahrzeuge riskant überholt und vor einer grüner Ampel angehalten hatte, um die Autos hinter ihm am Weiterfahr­en zu hindern. Damit sei der Tatbestand der Nötigung im Straßenver­kehr erfüllt. „Die Sinnhaftig­keit der Überholman­över erschließt sich mir nicht und es ist offensicht­lich, dass der Angeklagte zu einer sportliche­n Fahrweise neigt“, sagte er. Die Strafe sei daher angemessen.

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