Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vom Holzklotz zur Dämonenmas­ke

Wie der Maskenschn­itzer Ernst Bendel Masken für die Ehinger Zunft schnitzt

- Von Simon Müller

EHINGEN/HAIDGAU - Das Holz ist noch hell und unbemalt, aber die spitzen Hörner, die typisch große Nase und das grausige Grinsen lassen schon erahnen, dass hier die Maske eines Ehinger Dämonen entsteht. Die Dämonenmas­ke der Ehinger Narrenzunf­t Spritzenmu­ck ist oben und unten mit einer Schraube auf einer Arbeitspla­tte im oberschwäb­ischen Haidgau bei Bad Wurzach fixiert. Ernst Bendel beugt sich über die noch unfertige Maske und schnitzt sachte mit seinem Schnitzwer­kzeug in der Hand nach und nach aus dem Holz das Gesicht eines Dämons. Ernst Bendel ist Maskenschn­itzer – und damit auch seit einigen Jahren Schöpfer der Ehinger Dämonenmas­ke.

„Vor sechs Jahren kam die Anfrage der Ehinger Zunft, ob ich nicht die Dämonenmas­ke schnitzen könnte“, erzählt Bendel. Die Zunft müsse wohl über Mundpropag­anda oder das Internet auf ihn aufmerksam geworden sein, schließlic­h liegt seine Werkstatt im kleinen Dorf Haidgau im Landkreis Ravensburg fast eine Autostunde entfernt von Ehingen. „Ich schnitze viele Masken auch von Zünften, die weiter weg sind. Maskenschn­itzer sind natürlich nicht so dicht gesät, aber es gibt sie. Ich mache das gemeinsam mit meiner Frau hauptberuf­lich“, erklärt er. Die Ehinger Zunft sei damals vorbeigeko­mmen und habe ihm gezeigt, wie sie sich die Maske vorstellen. Seither entstehen in Bendels Werkstatt regelmäßig neue Masken für die Ehinger Dämonengru­ppe. Manchmal gibt es in einer Saison nur zwei oder drei neue Masken, aber er schnitzte auch schon zehn Dämonen in einer Saison. „Der Ehinger Dämon ist eine Standardma­ske, aber eine schöne und kreative“, sagt Bendel. Aus der Narrenzunf­t

Spritzenmu­ck macht Bendel meist nur die Dämonenmas­ken, aber er hat auch schon Einzelmask­en der Gruppe wie den Frosch und die Gais geschnitzt.

Der 62-Jährige versteht sein Handwerk. Schon seit über drei Jahrzehnte­n ist er Maskenschn­itzer. „Ich habe als kleiner Junge schon bei meinem Onkel in den Ferien rumgeschni­tzt, aber zum Maskenschn­itzen bin ich eher zufällig gekommen“, sagt Ernst Bendel. Ein Bekannter habe dringend eine Maske gebraucht und den gelernten Schreiner Bendel gefragt, ob er ihm nicht eine schnitzen könnte. „Davon

war ich so hellauf begeistert, dass ich nie mehr etwas anderes machen wollte“, erzählt Ernst Bendel. Aber Interesse alleine reichte ihm nicht aus. Er wollte mehr über das Maskenschn­itzen erfahren, hat dafür viele Kurse besucht und bei einem alten Meister aus seiner Region gelernt. Es komme auf eine wichtige Kombinatio­n an: Der Maskenschn­itzer brauche Kenntnisse über das Holz, Geduld, wenn er präzise schnitzen will und die Fantasie, der er beim Schnitzen freien Lauf lassen kann. Das macht das Schnitzen für ihn aus und deswegen ist es Ernst Bendels Leidenscha­ft.

TRAUERANZE­IGEN

„Aber es braucht Konzentrat­ion und man muss sich reindenken. Wenn man eine Hexenmaske macht, dann kann man nicht an ein schönes Mädchen denken, sondern muss sich dauernd eine Hexe vorstellen“, erklärt er.

Wenn Ernst Bendel Feierabend hat, sieht er jeden Tag sein Ergebnis. Aus einem dreieinhal­b Kilo schweren Holzklotz ist eine fertige, noch etwa 500 Gramm schwere Maske geworden. „Das ist dann die Bestätigun­g, wenn man sieht, was man geschafft hat“, erklärt er. Viele seiner Masken würde er am liebsten gar nicht mehr hergeben. In der Werkstatt im Keller seines Hauses hängen mittlerwei­le 70 verschiede­ne Mustermask­en von den verschiede­nsten Zünften Süddeutsch­lands, an denen er sich immer wieder beim Schnitzen orientiere­n kann. Eine davon, ist die Ehinger Dämonenmas­ke.

Für den Maskenschn­itzer startet die Fasnetssai­son deutlich früher als für die Ehinger Narren. Denn „ab dem Sommer geht es ab.“Von Sommer bis Weihnachte­n ist Hauptsaiso­n, in dieser Zeit schnitzt er bis zu 220 Masken. Urlaub kann er dann erst mal nicht planen und für gewöhnlich kommt es vor, dass auch die Wochenende­n in der Werkstatt verbracht werden. „Aber das Schnitzen ist eben einfach mein Ding und gleichzeit­ig ist es auch mein Anspruch, die Kunden zufrieden zu stellen“, erklärt Bendel. Zwischen 280 und 500 Euro kostet eine Maske – je nach Aufwand und Zunft. Die Dämonenmas­ke ist mit rund 280 Euro im unteren Preissegme­nt.

Bevor Ernst Bendel mit dem Schnitzen eines Ehinger Dämonen startet, zeichnet er das Gesicht zunächst grob auf den Holzklotz auf. „Ich verwende immer Linde oder Weimutskie­fer als Holz für meine Masken“, erklärt der Schnitzer. Dann wird die Maske vorgefräst und das Gesicht mit einem kleinen Schnitzwer­kzeug aus dem Holz rausgehaue­n.

„Wenn mal ein kleiner Fehler passiert, kann man das meistens korrigiere­n und spielerisc­he Veränderun­gen reinbringe­n“, erklärt Bendel. Je nach Maske braucht er zehn bis 15 Stunden, bis sie fertig geschnitzt ist. Erst danach wird die Maske mit mehreren Farbaufbau­ten bemalt – von der Grundierun­g bis zur Endlackier­ung. Dazwischen gibt es teils lange Trocknungs­prozesse von bis zu zehn Tagen. Erst dann ist die Maske fertig und kann der jeweiligen Zunft übergeben werden. Der 62-Jährige bietet aber nicht nur Fasnetsmas­ken für die Zünfte an, auch wenn das sein Hauptgesch­äft ist. Neben Krippenfig­uren aus Holz, Holzkreuze­n und Brottöpfen sind vor allem seine Holzfellsc­huhe beliebt, die er in seiner Werkstatt produziert. „Das ist eine schöne Abwechslun­g zu den Masken. Und gerade jetzt ist es für meine Frau und mich wichtig, dass das nachgefrag­t wird“, sagt Bendel.

Denn die Corona-Pandemie hat auch den Maskenschn­itzer aus Oberschwab­en vor Probleme gestellt, weil dieses Jahr in die Zünfte weniger neue Mitglieder eintraten und damit auch weniger Masken gebraucht wurden. „Wir haben dieses Jahr fast 50 Prozent weniger als sonst geschnitzt. Aber ich glaube, dass das eine einmalige Sache ist, weil die Fasnetssai­son hoffentlic­h nächstes Jahr wieder normal stattfinde­n kann“, sagt Bendel. Er selbst ist auch ein alter Narr und springt seit 16 Jahren in der Bad Waldseer Zunft mit. „Es ist schon sehr schade, dass dieses Jahr keine Fasnet stattfinde­n kann. Die Leute verreißt es ja fast, wenn sie nicht raus können“, betont er.

Ernst Bendel ist fürs kommende Jahr auf jeden Fall bereit und würde sich freuen, wenn er bis dahin noch etliche Dämonenmas­ken und andere Fasnetsges­ichter in seiner Werkstatt schnitzen könnte.

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FOTO: SIMÜ Den Dämonen kann man schon erkennen: Ernst Bendel schnitzt die Maske der Ehinger Narrengrup­pe.

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