Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Komisches Bauchgefühl
Alexander Zverev will ausblenden, dass sein Viertelfinalgegner Novak Djokovic angeschlagen ist
MELBOURNE (SID) - Alexander Zverev strich das Rätsel um Novak Djokovics Bauch entschlossen aus seinen Gedanken. In der Vorbereitung auf sein Viertelfinale in Melbourne spielte es für den deutschen Tennisspieler überhaupt keine Rolle, wie fit der Rekordsieger und Titelverteidiger aus Serbien wirklich ist. Zverev trainierte hochkonzentriert mit seinem Bruder Mischa, entspannte dann abends beim Essen und einigen FIFA-Partien auf der Playstation.
„Novak ist ein Champion und kann aus jeder Situation herauskommen“, gab Mischa Zverev vor dem Match am Dienstag (voraussichtlich 11 Uhr/Eurosport) zu verstehen. Der 33-Jährige weicht während der gesamten Australian Open nicht von der Seite seines Bruders, ist ein wichtiger Ansprech- und Trainingspartner und arbeitet die Taktik mit aus. Jetzt sagte Mischa Zverev noch: „Wir dürfen uns nicht damit beschäftigen, ob er jetzt verletzt ist oder nicht. Wir müssen damit rechnen, dass er mit 100 Prozent spielen wird.“
Djokovics Bauchmuskelverletzung – genau hat der 33 Jahre alte
Weltranglistenerste sie nicht spezifiziert – bestimmt seit Tagen die Schlagzeilen rund um das GrandSlam-Turnier. Und es gibt bei der Konkurrenz und etlichen Experten durchaus Fragezeichen, wie schwer die Blessur des 17maligen MajorSiegers wirklich ist. Immerhin konnte Novak Djokovic im Achtelfinale den 14. der Weltrangliste in vier Sätzen besiegen: Milos Raonic aus Kanada.
„Um gegen Raonic auf so einem Belag zu gewinnen, muss man topfit sein“, hatte Alexander Zverev, der weiter seinen ersten Grand-Slam-Titel jagt, schon nach seinem souveränen Dreisatzerfolg gegen Djokovics Landsmann Dusan Lajovic gesagt. Grand-Slam-Rekordsieger Rafael Nadal hatte ein „komisches Gefühl als Zuschauer“von Djokovics Match.
In den vergangenen Jahren waren dessen mögliche Verletzungen von seinen Kollegen immer wieder angezweifelt worden.
Der Serbe selbst berichtete, er habe die Strapazen nur mithilfe einer „hohen Dosis“an Schmerzmitteln überstanden. „Ich weiß wirklich nicht genau, wie weit ich mit dieser Verletzung im Turnier kommen werde“, fügte Djokovic an. Es sei in gewissem Maße eine Zockerei mit der Gesundheit: „Es sind möglicherweise noch drei Matches zu spielen, und es wird für mich auf dem Platz immer schwieriger werden.“
Dass seine Verletzung hinterfragt wird und er – so sieht es zumindest Novak Djokovic selbst – eher weniger als andere Stars für die große Willensleistung gefeiert wird, verleitete
Mischa Zverev über den offenbar lädierten Novak Djokovic und dessen Marschroute im Viertelfinalduell der Australian Open mit seinem Bruder Djokovic wieder einmal zu einer Medienkritik. Der streitbare Branchenriese, der immer wieder mit seinen Meinungen und Handlungen aneckt, sieht sich im Vergleich mit Nadal und Roger Federer (Schweiz/beide jeweils 20 Grand-Slam-Titel) generell herabgesetzt und nicht ausreichend gewürdigt.
„Ich kann nicht sagen, dass es mich nicht manchmal erwischt – natürlich berührt mich eine Ungerechtigkeit oder eine unfaire Darstellung in den Medien“, sagte Djokovic nun. Seine Aussagen klangen ein wenig wie ein Schrei nach Liebe: „Natürlich tut es weh, wenn man grundlos kritisiert und anders behandelt wird. Aber in gewisser Weise ist das der Weg, den ich gewählt habe.“
Ein Weg, der ihn nicht davon abgehalten hat, einer der erfolgreichsten Tennisspieler der Geschichte zu werden. Auf Alexander Zverev, der zuletzt beim ATP Cup knapp mit 7:6 (7:3), 2:6, 5:7 gegen Djokovic verloren hat (2:5 lautet die Bilanz aus Sicht des 23-jährigen Deutschen jetzt), wartet diesen Dienstag gegen 11 Uhr eine Höchstschwierigkeit.
„Ich glaube nicht, dass er unbedingt lange Ballwechsel eingehen möchte, obwohl es eigentlich sein Spiel ist.“