Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Launiges aus dem „Wohnzimmer“
Beim ersten digitalen politischen Aschermittwoch teilt die CSU-Spitze gegen Grüne und SPD aus
PASSAU - Pappkameraden statt bierseliger Fans: Wegen der Corona-Krise mussten sich die Parteien am politischen Aschermittwoch etwas einfallen lassen. Die CSU sendete ihre Abrechnung mit den politischen Gegnern aus der leeren Dreiländerhalle ins Internet.
Und wie zu Zeiten der mit Tausenden Fans gefüllten Halle stichelte CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Grüne, SPD und Co. seien im Vergleich zum Original wie „Tofu-Wurst und VeggieBurger“: „Theoretisch möglich, aber sinn- und geschmacklos.“Doch Schenkelklopfer dieser Art passten in das Internet-Format des 69. politischen Aschermittwochs der CSU kaum. Gefragt war nicht der schwere Säbel des Bierzeltredners, sondern das Florett des launigen Stammtischunterhalters. So platzierte man den Parteichef in ein CSU-„Wohnzimmer“, in dem Söder-Devotionalien wie der R2-D2-Roboter aus dem „Krieg der Sterne“und ein dezent platzierter 1. FCN-Wimpel für die persönliche Note sorgten. In seinem Bierkrug: Cola Light.
Zum wohl außergewöhnlichsten Einfall gehörte der Video-Auftritt des frisch gewählten CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, dem die CSUParteiführung zur Dekoration Brezen, Maßkrug, Fähnchen und Bier an den Rhein geschickt hatte. Bisher waren Politiker der Schwesterpartei als Redner in Niederbayern nicht geduldet, gelegentlich war die CDU sogar Opfer spitzer Bemerkungen und gekonnt eingesetzter Ohrfeigen. Laschet freue sich, zum „Olymp des politischen Lebens“eingeladen zu sein.
Das sei aber nur möglich, weil Söder und seine Amtsvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Unionsparteien wieder aneinander gebunden hätten, hob Laschet hervor.
Über die Kanzlerfrage fiel kein Wort. Später stellte Söder aber fest, dass in der CDU nur jemand mit einem „A“im Vornamen etwas werden könne, nämlich Annegret, Angela und jetzt Armin. „Das hätte man dem Friedrich vorher sagen sollen“, sagte der CSU-Chef in einem Nebensatz. Bei der CSU hingegen sei das „S“im Familiennamen Erfolgsvoraussetzung: „Strauß, Stoiber, Seehofer ...“
Viel Zeit verwendete Söder darauf, seine Corona-Politik zu erklären. „Ich meine es nur gut für unser
Land“, fasste er zusammen. Die Feststellung schien ihm notwendig, weil die Lage an der Corona-Front zwar ständig besser, die Stimmung aber schlechter werde.
Söder bewertete mögliche Koalitionspartner nach der Bundestagswahl im September. Favorit für den CSU-Chef sei nach einer absoluten Mehrheit von CDU/CSU ein Bündnis mit der FDP. FDP-Chef Christian Lindner sei, wie viele andere bei den Liberalen „mit Ausnahme von Kubicki“, ganz vernünftig.
Nachdem in der letzten Zeit viel über eine Annäherung von Söder und den Grünen geschrieben wurde, legte der CSU-Chef den Rückwärtsgang ein. Anlass dafür waren nicht zuletzt die Äußerungen des GrünenBundestagsfraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter über den ökologischen Unwert von Einfamilienhäusern. „Ich hätte gedacht, die Grünen sind weiter“, sagte Söder. „Ich bin für mehr Grün in Bayern, aber nicht für mehr Grüne.“Er umarme „lieber Bäume als Anton Hofreiter“.
Auch der SPD unterstellte Söder „Enteignungsfantasien“. Zwar mache SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz „einen seriösen Eindruck“, aber er sei zur Kandidatur gedrängt worden und „umgeben von den Linken seiner Partei“.
Scholz hatte sich zuvor aus dem niederbayerischen Vilshofen gemeldet und teilte aus. Die Impfpolitik der EU? „Nicht gut gelaufen.“Die Gesellschaft? Drohe in Deutschland auseinanderzudriften. Es sei denn, die SPD stelle nach der nächsten Wahl den Kanzler. Dass er das werden wolle, bekräftigte Scholz ausdrücklich. Er kritisierte, wie auch Söder, die Grünen für ihre Äußerungen zu Eigenheimen.
Scholz zeigte mit kleinen, durchaus fiesen Spitzen, dass er nicht nur kühler, berechnender Hanseat sein kann. In Videokonferenzen zu posen, sei verführerisch, sagte der Vizekanzler etwa. Doch der ein oder andere werde auch verführt, „es ganz auf die Pose ankommen zu lassen“und die Realität zu vergessen. „Und in der muss man was schaffen.“Scholz’ Rede hatte ein Motto: Die anderen quatschen nur, ich handle.
Nie nannte Scholz dabei Namen, aber es wurde mehr als deutlich, wen er meinte. In Bayern müssten die Steinschleudern schon groß sein, sagte er – ohne Söder zu nennen, der Scholz’ „Bazooka“-Konjunkturprogramm zuletzt als „Steinschleuder ohne Stein“kritisiert haben soll.