Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Burg, Festung oder Schloss?
Hohenneuffen begeistert Besucher der Schwäbischen Alb – Die Geschichte dahinter
NEUFFEN (sz) - Hohenneuffen begeistert als größte Festungsruine der Schwäbischen Alb Besucher von nah und fern. Jahrhundertealte Geschichte, spektakuläre Aussichten und ein vielseitiges Angebot an regionalen Köstlichkeiten prägen das Wahrzeichen des Neuffener Tals. Burg, Festung oder Schloss? Ist da die genaue Bezeichnung dieses denkmalgeschützten Ortes nicht zweitrangig? Auf den ersten Blick mag das stimmen, bei näherer Betrachtung ergeben sich aus den verschiedenen Begrifflichkeiten allerdings auch große Unterschiede in Bauweise und Nutzung.
Einheimische sprechen vom „Neuffen“oder besser noch vom „Neiffa“, der Begriff „Hohenneuffen“wirkt dagegen schon etwas offizieller. Alte Akten oder heute noch verwendete Straßennamen lassen auf ein „Schloss“hoch über dem Tal schließen; für Kinder und auch die meisten Erwachsenen steht da oben schlicht eine „Burg“oder „Burgruine“aus dem Mittelalter. Die Staatlichen Schlösser und Gärten BadenWürttemberg, zu deren betreuten Monumenten der Hohenneuffen laut Mitteilung seit 2017 zählt, verwenden die Bezeichnung „Festungsruine“beziehungsweise „Festung“, also einen Bautypus, der erst nach dem Mittelalter auftaucht. Was ist denn nun aber korrekt? Zunächst die gute Nachricht: Keine dieser Bezeichnungen ist falsch. Tatsächlich spiegeln sich in den unterschiedlichen Namen ganz einfach unterschiedliche Epochen und Nutzungen wieder, die alle ihre Spuren an diesem Monument hinterlassen haben.
Mit großer Wahrscheinlichkeit sei es Mangold von Sulmetingen gewesen, der den Hohenneuffen um das Jahr 1100 herum als hochmittelalterliche Höhenburg erbaut hat. Dessen Nachfolger, die Herren von Neuffen, bewohnten die Burg bis zum Jahr 1301, als sie über Umwege durch Verkauf schließlich an die Grafen von Württemberg kam. Dieses hochrangige Adelsgeschlecht nutzte die Burg insbesondere militärisch und weniger als Wohnsitz. Graf Ulrich IV. von Württemberg bildet laut Mitteilung eine Ausnahme: Er regierte zusammen mit seinem Bruder und hatte zwischen 1362 und 1366 zeitweise seinen Wohnsitz auf der Burg, wo er schließlich auch verstorben ist.
Erbauungsdatum, Nutzung und der Rang der Besitzer lassen also problemlos eine Bezeichnung als Burg, aber auch Ritterburg oder Grafenburg zu. Was jedoch meist übersehen wird: Die heute weithin sichtbaren Gebäudeteile des Hohenneuffens haben mit dieser mittelalterlichen Burg etwa so viel zu tun wie die Pyramiden mit dem Berliner Reichstag. Die ersten Gebäude waren im oberen Burghof angesiedelt, der heute als Biergarten genutzt wird. Von ihnen ist lediglich die Außenmauer erhalten, die zugleich auch die Burgmauer bildete. Alles andere stamme aus späteren Jahrhunderten.
Ist die Bezeichnung des Hohenneuffens als Burg also durchaus korrekt, so erscheint der Name Schloss aus heutiger Sicht eher abwegig. Richtig ist aber, dass bis zum Zeitalter der Renaissance die Bezeichnungen „Burg“und „Schloss“gleichwertig benutzt wurden. So wird das Uracher Schloss auch als Stadtburg oder nur Burg bezeichnet, weshalb dort eine Unterscheidung zwischen der Burg Hohenurach und dem im Tal gelegenen Schloss in alten Quellen oftmals schlichtweg nicht möglich ist. Unter diesem Aspekt macht es nun auch Sinn, dass es sowohl in Neuffen als auch in Balzholz bis heute eine Schlossgasse gibt und der
Neuffener Wengert die Schlosssteige im Gewann Schlossberg Egert ist.
Nach der heutigen Definition kann der Hohenneuffen zwar nicht als Schloss angesprochen werden, für die Menschen des Mittelalters machte dies aber durchaus Sinn.
Eine Zeit des Umbruchs in vielerlei Hinsicht stellt das 16. Jahrhundert dar, mit dem die Neuzeit beginnt. Eine veränderte Kriegsführung wirkt sich direkt auf die militärischen Bauten aus, also auch auf die Burgen des Mittelalters. Herzog Ulrich von Württemberg zollt der neuen Zeit Tribut, indem er fünf Burgen – den Hohentwiel, den Hohenasperg, den Hohentübingen, den Hohenurach und auch den Hohenneuffen – und zwei Städte – Schorndorf und Kirchheim unter Teck – zu Landesfestungen ausbaut. Sein Sohn und Nachfolger Herzog Christoph führt die Arbeiten auf dem Hohenneuffen fort. Unter diesen beiden Landesherren entstehen laut Mitteilung beispielsweise die drei mächtigen Rundtürme, von denen der Wachtstubenturm und der Neuffener Turm als Aufstellungsort für
Geschütze und Kanonen dienten. Auch Unterer Hof und Oberer Wall gehen auf diese Ausbauphase zurück. Große Ausbaupläne, die allerdings nur in Teilen verwirklicht wurden, gab es dann noch einmal zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter Herzog Carl Alexander von Württemberg. Der Hohenneuffen sollte dabei in eine hochmoderne Vaubansche Festung mit weiteren Bastionen und Vorwerken umgewandelt werden. Teile dieser Anlagen befinden sich heute im Dornröschenschlaf im Wald unter dem Hohenneuffen. Im Jahre 1801 wurde die Landesfestung schließlich durch einen herzoglichen Erlass aufgegeben und als Steinbruch genutzt. So entstand schließlich ein Ort, der heute zurecht als „Ruine“bezeichnet wird.
Burg- oder Festungsruine? Das, was die Wanderer vom Tal aus erblicken können, seien also die Überreste einer imposanten Festungsanlage des 16. bis 18. Jahrhunderts. Nur wer den Weg ganz in den Burghof hinauf hinter sich bringt, stößt auf die Mauern der alten Burganlage.