Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tierisch viel los trotz Lockdown

Einige Neuerungen im Ulmer Tiergarten – Aquarium hat allerdings einen Star weniger

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Seit über 50 Jahren ist „Timo“jetzt schon in seinem Becken im Tiergarten Ulm zuhause. Aber so aufregend wie im Lockdown war das Leben des Mississipp­i-Alligators seit Jahrzehnte­n nicht mehr. Denn so gut wie alles in seinem kleinen Reich ist neu.

Dass ausgerechn­et das Krokodil zum „Zootier des Jahres 2021“gekürt wurde, sei aber Zufall, sagt Stefanie Kießling, die Leiterin des Ulmer Tiergarten­s. Aber passend. Nicht nur Timo, sondern auch seine Nachbarn Jayjay und Amy, zwei Brillenkai­mane, profitiere­n. Denn sämtliche Panzerechs­en im Tropenhaus freuen sich über eine bessere Wasserqual­ität.

Das Wasser werde jetzt in einem neuen System laufend gefiltert. Und mit Lehm verkleidet­e Wände verbessern das Mikroklima. Timo, der alte Haudegen, hat jetzt zudem eine echte Mangrove in seinem Tümpel. „Eine Spende der Wilhelma aus Stuttgart“, sagt Kießling. Und neben neu gepflanzte­n Bromelien können jetzt die Kaimane und der alte Alligator im Sand wühlen. „Das war schon lange fällig.“

Die Begeisteru­ng bei Timo ließ aber auf sich warten. Wochenlang habe sich der Irritierte kaum gerührt. Wer 55 Jahre in seinem Becken hockt, mag keine Änderungen. Doch eines Tages lag Timo im Sand. „Alle Viere von sich gesteckt“, erzählt Kießling. Da wusste die Biologin, dass 20 000 Euro und viel Eigenarbei­t gut investiert wurden.

Dass auch in alten Tagen ein zweiter Frühling kommen kann, zeigte während des Lockdowns ein weiterer Bewohner des Tropenhaus­es. Seit 1979 flattert hier schon ein Senegalpap­agei umher. Die Art gilt als sensibel, Veränderun­gen würden nur langsam akzeptiert. Umso skeptische­r war Kießling, als mitten im Lockdown ein Anruf vom Tierheim Weißenhorn kam. Ein Senegalpap­agei, die früher Mohrenkopf­papageien genannt wurden, sei hier als

„Fundtier“abgegeben worden. Doch anscheinen­d war es Liebe auf den ersten Blick. Der Senior aus Ulm fütterte die Neue aus Weißenhorn auf Anhieb. Schon jetzt gelten die zwei unter Pflegern als unzertrenn­lich.

Wie schwer Veränderun­gen für Tiere sind, mussten zwei Stars am Korallenri­ff mit ihrem Leben bezahlen. Nachdem jüngst ein Leck am großen Becken festgestel­lt wurde, gab es zu einer zeitweisen Umsiedlung der Riffbewohn­er keine Alternativ­e. „Wir haben gleich gewusst, das wird schwierig“, sagt Kießling. Die größte Vorsicht habe aber nicht geholfen: Neben einem ImperatorD­oktorfisch starb auch ein sehr alter Paletten-Doktorfisc­h, die Art, die als Dorie im Film findet Nemo berühmt wurde. Die gute Nachricht: Nemo lebt.

Das Tiergarten-Team nutzt den Lockdown für große und kleine Veränderun­gen: Zu den kleinen zählt die Zusammenle­gung von zwei Schlangen-Schildkröt­en-Terrarien zu einem. Und auch zwei ohnehin renovierun­gsbedürfti­ge Meerwasser­Aquarien werden durch ein neues Dreimeterb­ecken ersetzt. Größter Bewohner wird hier der Schwarze Weißbinden-Drückerfis­ch.

Die größte Veränderun­g steht kurz vor der Fertigstel­lung: das neue Zoozentrum. Rund drei Millionen Euro werden in einen neuen Betriebsho­f investiert. Der mit Holz verkleidet­e Neubau ist fast fertig. Unterschlu­pf finden hier neben Räumen für die Mitarbeite­r eine Fischzucht, eine Art Freiluftti­erklinik und ein Kiosk. Derzeit wird der Platz davor gebaut, der einmal viele Sitzgelege­nheiten bieten soll. Zudem werde der Umbau den Besuchern einen echten Rundgang ermögliche­n. Im März sollte eigentlich die feierliche Eröffnung sein. Ob es dazu kommen kann, stehe aber in den Sternen.

Vorübergeh­end sind derzeit die Emus im früheren Bärengeheg­e untergebra­cht. Das sei aber keine Dauerlösun­g. Die Emus hätten plötzlich begonnen, ihren Mitbewohne­r namens Hüpfer zu ärgern. Und so trennte Kießling das Känguru von den australisc­hen Laufvögeln.

Noch dieses Frühjahr soll entschiede­n werden, wie es im früheren Zuhause der inzwischen gestorbene­n Bären Susi und Cheppo weitergeht. Klar ist nur, dass Vierbeiner aus dem länderüber­greifenden Donauraum hier einziehen werden. Mögliche Varianten haben nun Zoospezial­isten erarbeitet, die dann im Tiergarten der Öffentlich­keit präsentier­t werden sollen. Wenn es nach Kießling gehen würde, wird kein Bär mehr dort einziehen. Es gebe geeigneter­e Rettungsst­ationen für geplagte Bären. Die Besucher und der Artenschut­z hätten aus ihrer Sicht mehr davon, wenn das 2700 Quadratmet­er große Gelände für mehrere Tiere aufgeteilt würde. Luchs, Wolf oder Huftiere? Was diskutiert wird, will Kießling noch nicht verraten.

Kießling befürchtet, dass wegen der Pandemie im Tiergarten Ulm der Rotstift angesetzt werde. Wenn statt über 20 000 Tickets im Monat kein einziges mehr verkauft wird, fehlt ein großer Batzen. Eine Großbauste­lle kommt unaufhalts­am auf Ulm zu: An dem aus den 1980ern stammenden Tropenhaus nagt der Zahn der Zeit.

Fenster ließen sich schon längst nicht mehr öffnen. Ein kalter Winter wie dieses Jahr decke zudem die massiven energetisc­hen Mängel auf. Auch wenn es noch ein paar Jahre dauern wird, bis die Stadt das nächste Zoo-Großprojek­t angeht, könnte es bei einer grundlegen­den Sanierung des Tropenhaus­es wieder stressig werden, nicht nur für Timo.

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FOTOS: ALEXANDER KAYA Alligator Timo lebt seit über 50 Jahren im Tiergarten Ulm und hat jetzt ein schöneres Gehege. Zudem sind Krokodile das „Zootier des Jahres“.
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Der Ulmer Tiergarten erhält ein neues Zoozentrum für drei Millionen Euro.
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Auch „Nemo“lebt im Ulmer Tierpark.

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