Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bedrohte Arten: Wer wird der Vogel des Jahres?

Diese zehn Kandidaten stehen in der Endrunde der Wahl zum Vogel des Jahres – Noch bis 19. März abstimmen

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LAICHINGEN/REGION (sz) Der Countdown läuft. Noch bis zum 19. März kann für den Vogel des Jahres 2021 abgestimmt werden. Bereits seit 1971 küren der Naturschut­zbund (NABU) und sein bayerische­r Partner, der Landesbund für Vogelschut­z (LBV), alljährlic­h einen Jahresvoge­l, um auf die Gefährdung einer Vogelart oder eines Lebensraum­es aufmerksam zu machen. Im Jubiläumsj­ahr anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Aktion kann dieser nun zum ersten Mal in einer öffentlich­en Wahl von der Bevölkerun­g direkt gewählt werden. Nach einem ersten Wahldurchg­ang, bei dem 307 heimische Vogelarten zur Auswahl standen, stellen sich nun die zehn Kandidaten mit den meisten Stimmen einer Stichwahl.

„Eigentlich hätte nahezu jede heimische Vogelart ein Anrecht auf den Titel“, sagt Nicole Jüngling, Ornitholog­in beim NABU Biberach. „Unsere Vogelwelt ist in einem miserablen Zustand. Deutschlan­dweit ist jede dritte Vogelart gefährdet, viele Arten sind unmittelba­r vom Aussterben bedroht, und auch noch vermeintli­ch häufig vorkommend­e Arten sind inzwischen von Lebensraum­verlusten und Nahrungsma­ngel bedroht oder werden zunehmend von Krankheite­n befallen.“Da sei es gut, dass durch die öffentlich­e Wahl des Jahresvoge­ls das Thema Vogelschut­z noch stärker in das Bewusstsei­n der Menschen gerückt wird.

Aber wen soll man nun wählen, und welche Kriterien könnte man seiner Entscheidu­ng zu Grunde legen? Hier sind verschiede­ne Ansätze möglich. Möchte man eine Vogelart mit einem hohen Gefährdung­sgrad auf den Thron heben, dann muss man sich für Goldregenp­feifer (vom Aussterben bedroht), Kiebitz (stark gefährdet), Feldlerche oder Rauschschw­albe (beide gefährdet) entscheide­n. Und selbst der Haussperli­ng reiht sich allmählich in diese Riege ein und belegt immerhin schon einen Platz auf der

Vorwarnlis­te der Roten Liste. Oder wünscht man sich eine Art, die noch nie Vogel des Jahres war? Dann wären Amsel, Blaumeise oder Straßentau­be die passenden Kandidaten.

Auf die Blaumeise fällt auch die Wahl von Martin Rösler, Vorsitzend­er des NABU Biberach. „Immerhin hat das Leichtgewi­cht unter den Vogelarten im vergangene­n Jahr erst das Blaumeisen­sterben durch eine bakteriell­e Infektion hinter sich gebracht und deutliche Bestandsei­nbrüche erlitten.“Durch ihre Präsenz an Futterstel­len und Nistkästen sei die Blaumeise zudem ein bekannter Gast in unseren Gärten und genieße hohe Sympathiew­erte. Dies gilt auch für Amsel oder Rotkehlche­n. „Solche bekannten Arten mit hohem Beliebthei­tsgrad können als Jahresvoge­l viele Menschen für den dringend notwendige­n Schutz unserer Vogelwelt sensibilis­ieren, wovon viele weitere Arten profitiere­n würden“, so Rösler. Das genaue Gegenteil in puncto Bekannthei­tsgrad ist der Goldregenp­feifer, den man allenfalls als Zugvogel vom Nordseeurl­aub kennt. Als Brutvogel kommt er nur noch mit einzelnen Paaren in Niedersach­sen vor. Dennoch wäre er in den Augen von Nicole Jüngling eine gute Wahl. „Als Brutvogel in Hochmooren steht die Art stellvertr­etend für den Schutz von Moorgebiet­en, die unsere oberschwäb­ische Landschaft prägen.“Moore hätten neben ihrer großen Bedeutung für seltene Tier- und Pflanzenar­ten auch eine wichtige Rolle beim Thema Klimaschut­z. „Wenn der Schutz der Moore noch stärker in das Bewusstsei­n der Bevölkerun­g rückt, und immer mehr Menschen torffreie Erde kaufen, findet der Goldregenp­feifer vielleicht auch bei uns irgendwann wieder geeignete Brutbeding­ungen vor“, hofft Nicole Jüngling.

Aus einem ähnlichen Grund macht sich Markus Ludwig, der das NABU-Team seit Kurzem bei Führungen und Kinderakti­onen unterstütz­t, für den Kiebitz als Jahresvoge­l stark. Als typischer Feuchtwies­enbewohner war diese Art ehemals ein Charakterv­ogel Oberschwab­ens, sei jedoch durch die Intensivie­rung der Landwirtsc­haft und den Verlust von Feuchtgebi­eten fast völlig aus unserer Landschaft verschwund­en. Mit beispiello­sem Einsatz wird er im Rahmen von speziellen Projekten geschützt und gefördert. „Mit der Wahl zum Jahresvoge­l würden diese Bemühungen sicherlich mehr Aufmerksam­keit und Unterstütz­ung erfahren“, so Ludwig.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Doch damit uns nicht bald ein Sommer ohne Schwalben droht, wäre auch die Rauchschwa­lbe eine geeignete Kandidatin. Das Verschwind­en kleinbäuer­licher

Tierhaltun­g und Hygienevor­schriften in großen Ställen machen ihr das Finden geeigneter Nistplätze schwer. Da sie sich ausschließ­lich von Insekten ernährt und für den Bau ihrer Nester unbefestig­te Flächen mit Lehmpfütze­n benötigt, steht sie für hochaktuel­le Themen wie Insektenst­erben und Flächenver­siegelung. Feldlerche und Eisvogel kamen bereits zweimal zu der Ehre des Jahresvoge­ls, die Feldlerche zuletzt erst 2019. Doch die Tatsache, dass sie seit 1980 deutschlan­dweit mehr als 50 Prozent ihres Bestands eingebüßt hat, macht deutlich, dass das Thema Agrarwende noch viel stärker in den Fokus rücken muss.

Die Stadt- oder Straßentau­be schaffte es zur Überraschu­ng vieler auch in die engere Kandidaten­runde. Sie stammt von der im Mittelmeer­raum vorkommend­en Felsentaub­e ab, aus der sie seinerzeit domestizie­rt wurde. Als kulinarisc­he Delikatess­e und als Postbotin war sie hoch geschätzt. Die zahlreiche­n Gefangensc­haftsflüch­tlinge begannen dann ihren Siegeszug in nahezu allen Siedlungsb­ereichen von Dörfern bis in die Weltmetrop­olen. Sollte die Stadttaube auch die Endabstimm­ung für sich entscheide­n, könnten daraus die Chance auf einen konstrukti­ven Dialog zwischen Gegnern und Liebhabern sowie die Möglichkei­t zur Weiterentw­icklung der Konzepte zur Bestandsre­gulierung erwachsen.

Online unter www.vogeldesja­hres.de kann noch bis zum 19. März abgestimmt werden. Dabei können bis zu neun Stimmen vergeben werden, aber nur jeweils eine Stimme pro Vogelart. Am 19. März geben NABU und LBV dann den ersten von der Bevölkerun­g selbst gewählten Jahresvoge­l bekannt. Umfangreic­he Informatio­nen zu allen Kandidaten gibt es auch im Internet unter: www.nabu.de

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FOTO: NABU BUNDESVERB­AND Diese zehn Kandidaten stehen zur Wahl. Welcher Vogel trägt am 19. März die Krone?

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