Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
So sicher wie lange nicht mehr
Zahl der Straftaten sinkt 2020 in Baden-Württemberg in fast jedem Bereich
STUTTGART - Die Geschäfte sind zu, Großveranstaltungen abgesagt und die Menschen in ihren eigenen vier Wänden: Die Corona-Pandemie hat die Zahl der Straftaten in BadenWürttemberg im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1984 sinken lassen. Für die erfreulichen Zahlen sei aber auch die gute Arbeit der Polizei verantwortlich, erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Freitag in Stuttgart bei der Vorstellung des Sicherheitsberichts 2020. Ein Blick auf die Details:
Wie viele Straftaten hat die Polizei 2020 registriert?
Insgesamt hat die Polizei 538 566 Vorfälle erfasst – ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um 6,1 Prozent. Strobl spricht vom niedrigsten Wert seit 30 Jahren. Statistisch gesehen kamen demnach 4852 Straftaten auf 100 000 Einwohner – ein Jahr zuvor waren es noch knapp 5200.
Wie viele dieser Delikte konnte die Polizei aufklären?
Auch hier hat Strobl Erfreuliches zu berichten: Mit einer Aufklärungsquote von 64 Prozent waren die Ermittlungen der Polizei 2020 so erfolgreich wie zuletzt Anfang der 1960er-Jahren. Die guten Werte seien kein Zufall, so Strobl, sondern der Beweis engagierter Arbeit der Polizistinnen und Polizisten. Und: „Dies ist das Ergebnis einer vorausschauenden und klugen Schwerpunktsetzung, klarer Konzepte, eines langen Atems und harter Arbeit.“
Gab es weniger Einbrüche?
Die werden seit Jahren weniger – laut Experten auch deshalb, weil immer mehr Menschen in die Sicherheit ihres Zuhauses investieren. 2020 sind die Fallzahlen um weitere 27 Prozent auf knapp 5000 Fälle gesunken. Strobl spricht von einem historischen Tiefstwert seit 1971. Zugleich konnte die Polizei fast jeden vierten Wohnungseinbruch aufklären. Diese Quote ist im Vorjahresvergleich um 3,6 Prozent gestiegen.
Wie viele Diebstähle gab es?
Diebstahlsdelikte, zu denen auch Wohnungseinbrüche gehören, maStrobl chen ein Viertel aller Straftaten aus. Ihre Zahl ist in Summe deutlich gesunken, und zwar um 15 Prozent auf rund 135 600 Fälle. Die Aufklärungsquote von 37 Prozent ist die beste seit zehn Jahren. Der Schaden, der dadurch entstanden ist, hat sich laut Sicherheitsbericht um 16,6 auf 140,7 Millionen Euro reduziert.
Was ist mit Gewalt und Drogen?
Aggressionsdelikte sind 2020 um 5,7 Prozent gesunken, die Rauschgiftkriminalität um 4,2 Prozent und die Fälle von sexueller Belästigung im öffentlichen Raum um knapp elf Prozent. Hier gelte es, dennoch nicht nachzulassen und weiter hart gegen Gewalttäter vorzugehen, erklärte mit Verweis auf die Krawallnacht vom Juni, als Randalierer Polizisten und Geschäfte attackierten.
Wie haben sich Sexualstraftaten entwickelt?
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind im Vorjahresvergleich um 13,8 Prozent auf 9236 Fälle gestiegen. Fast jeder neunte Fall wurde aufgeklärt. In nahezu der Hälfte der Fälle hatten Täter und Opfer zuvor eine Vorbeziehung, wie es im Sicherheitsbericht heißt. Dass die Gesamtzahl so deutlich zugenommen hat, liege demnach vor allem an der Verbreitung von Pornografie, die um 57,6 Prozent auf 3390 Fälle gestiegen ist. Kinderpornografie ist erneut deutlich von 1735 Fällen im Jahr 2019 auf zuletzt rund 2800 Fälle gestiegen. Mehr als 96 Prozent davon konnte die Polizei aufklären.
Hat sich die Kriminalität wegen der Pandemie verändert?
Eindeutig. „Bislang statistisch unauffällige Straftaten wie der Subventionsbetrug oder Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz nehmen zu“, so Strobl. Zu ersterem registrierte die Polizei 333 Fälle – eine Verzehnfachung im Vergleich zum Vorjahr. Hierbei sei es vor allem um den Missbrauch bei Corona-Soforthilfen gegangen. Bei Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz stiegen die Fallzahlen von 43 im Jahr 2019 auf 389 im vergangenen Jahr – vor allem, weil sich Menschen nicht an eine verordnete Quarantäne gehalten hatten.
Wie hat sich die Wirtschaftskriminalität entwickelt?
In diesem Bereich ist die Zahl der Straftaten deutlich um knapp 2000 auf gut 10 600 Fälle angestiegen – ein Plus von 22,7 Prozent. Da ein Ermittlungsverfahren im Bereich Wirtschaftskriminalität oft Hunderte oder Tausende Einzelfälle beinhalten könne, sollte vielmehr auf die Entwicklung bei den Tatverdächtigen geschaut werden, heißt es im Sicherheitsbericht. Ihre Zahl ist im Vergleich zu 2019 im vergangenen Jahr um 10,3 Prozent auf fast 3000 gestiegen. Der Schaden, den die Wirtschaftskriminalität verursacht habe, sei aber gesunken, und zwar um fast 200 Millionen Euro (37 Prozent) auf 337 Millionen Euro. Am gesamten Schaden von 647 Millionen Euro, den Kriminalität im Land im vergangenen Jahr verursacht hat, machen Delikte im Wirtschaftsbereich aber dennoch etwas mehr als die Hälfte aus.
Wie oft waren Polizisten Opfer?
Die Zahl der Straftaten gegen Polizisten ist um 3,2 Prozent auf 5151 Fälle gestiegen. Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, fordert hier mehr Härte. „Das polizeiliche Gegenüber wird immer brutaler und gewalttätiger“, sagt er und fordert: „Schon jede Beleidigung muss angeklagt und sanktioniert werden.“