Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Vorwürfe gegen Impfhersteller Biontech
Diskussion um erstes Angebot des Vakzin-Produzenten an die EU – Neue Studie belegt hohe Wirksamkeit
BERLIN/RAVENSBURG - Vorwürfe gegen Biontech: Das Mainzer Unternehmen soll den gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelten Corona-Impfstoff der EU im Sommer für 54,08 Euro pro Dosis angeboten und damit einen mehr als 20-mal so hohen Preis verlangt haben als der Konzern Astra-Zeneca für sein Vakzin. Das berichten NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“und berufen sich auf vertrauliche Angebotsunterlagen. Zum Vertrag zwischen Brüssel und Biontech/Pfizer kam es erst mehrere Monate später, als die EU das Vakzin zu einem Preis von 15,50 Euro pro Dosis bestellte. Die Medien erwecken in ihrer Argumentation den Anschein, dass das zögerliche Vorgehen der EU und die späte Bestellung an der anfangs hohen Preisforderung gelegen habe.
Der „Spiegel“schreibt allerdings, dass der später in dem Vertrag festgeschriebene Preis schon im Juli festgestanden habe. „Die Preisfindung kann bei der Verzögerung der Verhandlung also keine Rolle gespielt haben“, heißt es beim Hamburger Nachrichtenmagazin.
Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Branchenkreisen ist der Preis von rund 54 Euro pro Dosis eine Überschlagsrechnung für den Fall gewesen, dass nur ein Staat Impfdosen in zweistelliger Millionenhöhe bestellt. Biontech selbst wollte sich auf Anfrage am Freitag nicht zu dem Vorgang äußern. Biontech und Pfizer argumentierten in dem Angebot, auf das NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“sich beziehen, nicht mit den Forschungsoder den Produktionskosten, sondern mit dem ökonomischen Nutzen des Impfstoffs. Der wirtschaftliche Schaden durch Corona für die EU betrage 3,8 Milliarden Euro pro Tag. Würde man dies in ein „traditionelles Kosten-Wirksamkeits-Modell“übertragen, komme ein unangemessen hoher Preis heraus. Das Angebot beinhalte bereits „den höchsten prozentualen Rabatt“, der einem Industrieland weltweit angeboten worden sei.
Einer neuen Studie zufolge ist der Impfstoff von Biontech und seinem Partner Pfizer schon nach der ersten Dosis hochwirksam. Bereits zwei bis vier Wochen nach der ersten Spritze liege die Wirksamkeit bei 85 Prozent, heißt es in einer im Fachjournal „The Lancet“veröffentlichten Untersuchung. Die Studie basiert auf den Daten von medizinischem Personal des größten israelischen Krankenhauses, das in den vergangenen Wochen mit dem Vakzin geimpft wurde. Untersucht
wurden mehr als 9000 Mitarbeiter des Sheba-Krankenhauses bei Tel Aviv, von denen rund 7000 geimpft wurden. Der Studie zufolge lag die Effektivität des Vakzins einen bis 14 Tage nach der Impfung bei 47 Prozent und stieg zwischen dem 15. und 28. Tag auf 85 Prozent.
Der Impfstoff kann außerdem bei geringeren Minustemperaturen gelagert werden als bisher bekannt. Der Impfstoff sei auch bei minus 25 bis minus 15 Grad stabil, so Biontech und Pfizer am Freitag. „Diese Temperaturen können von gängigen pharmazeutischen Gefrier- und Kühlschränken aufrechterhalten werden.“Die neuen Daten seien bereits bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht worden, sagten die Unternehmen. Damit solle die Notfallzulassung dahin gehend ergänzt werden, dass der Impfstoff „für zwei Wochen bei diesen Temperaturen“gelagert werden könne. Dies sei „eine Alternative oder Ergänzung zur Lagerung in Ultra-Tieftemperatur-Gefrierschränken“, wie sie bisher nötig ist.