Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mehr als Patrouille mit Aufpass-Funktion

Kommunaler Ordnungsdi­enst in Neu-Ulm verspätet gestartet – Die ersten Erfahrunge­n

- Von Michael Ruddigkeit

NEU-ULM - Eigentlich hätte der kommunale Ordnungsdi­enst in Neu-Ulm bereits im Herbst 2020 loslegen sollen. Der Neu-Ulmer Stadtrat hatte die Einführung im Jahr davor beschlosse­n. Doch die Pandemie verzögerte den Start. Inzwischen sind die drei Mitarbeite­r täglich im Einsatz, um für mehr Sicherheit und Ordnung im öffentlich­en Raum zu sorgen. Wie sind die ersten Erfahrunge­n?

„Wir bekommen viel positives Feedback auf der Straße“, sagt Tibor K., einer der drei Mitarbeite­r des Ordnungsdi­enstes in Neu-Ulm. „Vor allem ältere Leute fragen uns, wer wir sind und was wir machen, oder fragen uns um Rat.“Der kommunale Ordnungsdi­enst habe vor allem die Aufgabe, den Bürgern im gesamten Stadtgebie­t als Ansprechpa­rtner zur Verfügung zu stehen, sagt Anton Bullinger, der zuständige Dezernent im Neu-Ulmer Rathaus. „Schon allein die Tatsache, dass der Ordnungsdi­enst in der Stadt unterwegs ist, erhöht das subjektive Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g.“

Die Mitarbeite­r, erkennbar an ihren blauen Uniformen mit der Aufschrift „Ordnungsam­t“, sind unter der Woche ebenso im Einsatz wie am Wochenende. „Zu Fuß sind wir viel im Innenstadt­bereich unterwegs, etwa entlang der Donau oder im Glacis-Park“, berichtet Tibor K. Auch der WileyPark und das gesamte Areal rund um den Bahnhof und die Caponniere zählen zum Einsatzgeb­iet.

Dabei achten die Mitarbeite­r darauf, dass die städtische­n Verordnung­en eingehalte­n werden, aber auch landesweit­e Bestimmung­en wie die Maskenpfli­cht. Die Ordnungshü­ter zeigen aber auch in den Stadtteile­n Präsenz. „Für die Streifen in Offenhause­n,

Pfuhl oder Steinheim verwenden wir das Dienstfahr­zeug“, so Tibor K.

Und was dürfen die städtische­n Ordnungshü­ter? „Der kommunale Ordnungsdi­enst ist nicht nur eine Patrouille mit Aufpass-Funktion, sondern hat weitreiche­nde Kompetenze­n“, erläutert Thomas Nägele, der Leiter der städtische­n Abteilung Sicherheit und Ordnung. „Die Mitarbeite­r können bei der Feststellu­ng von Ordnungswi­drigkeiten Verwarnung­en ausspreche­n, Anzeigen aufnehmen, Platzverwe­ise erteilen und haben auch die Befugnis, die Identität von Personen festzustel­len.“Stellen die Mitarbeite­r eine Straftat fest, rufen sie die Polizei.

Die Mitarbeite­r des kommunalen Ordnungsdi­enstes sind alle um die 25 Jahre alt. Zwei von ihnen haben eine polizeilic­he Ausbildung vollständi­g absolviert und waren auch im Schichtdie­nst eingesetzt. Einer hat eine Ausbildung bei der Justiz absolviert. Ein Mitarbeite­r ist außerdem gelernte Fachkraft für Sicherheit und Schutz.

Die städtische­n Ordnungshü­ter haben an Lehrgängen der Bayerische­n Verwaltung­sschule teilgenomm­en und wurden in Selbstvert­eidigung geschult. In Kürze soll ein vierter Kollege oder eine Kollegin dazukommen. Nach Auskunft der Stadt läuft das Auswahlver­fahren bereits. Gefordert würden eine dreijährig­e Berufsausb­ildung mit der Zusatzqual­ifikation Sicherheit­skraft, Fitness und eine hohe Konfliktfä­higkeit sowie soziale Kompetenz.

Zu tun gibt es mehr als genug: Seit dem Start des kommunalen Ordnungsdi­enstes in Neu-Ulm haben die Mitarbeite­r bereits weit über 50 Vergehen und Verstöße registrier­t. Beispielsw­eise nicht angeleinte Hunde, nicht angemeldet­e Autos oder die Missachtun­g von Corona-Regeln in der Öffentlich­keit. Auch Streiterei­en zwischen Jugendlich­en seien bereits geschlicht­et und illegale Wohnlager unter freiem Himmel in Neu-Ulmer Industrieg­ebieten aufgelöst worden. Ebenso wurden Müllsünder angezeigt. Verstöße gegen das nächtliche

Aufenthalt­sverbot an der Caponniere, Ruhestörun­gen, aufdringli­ches Betteln, Verkauf von Alkohol an Jugendlich­e sind auch Fälle, in denen der Ordnungsdi­enst einschreit­et.

„Zwei Mal mussten wir einen Platzverwe­is erteilen“, sagt Tibor K. „Einmal wegen Alkohol im GlacisPark und einmal im Obdachlose­nheim.“Natürlich gebe es auch mal Misstrauen oder Groll, etwa wenn sie Bürger auf die Maskenpfli­cht am Bahnhof oder an Bushaltest­ellen hinwiesen. „Aber das gilt dann weniger uns als den Bestimmung­en.“Insgesamt zieht Tibor K. ein positives erstes Fazit: „Wir haben noch keine schlechten Erfahrunge­n gemacht.“

Dass er und seine beiden Kollegen Verstärkun­g brauchen können, zeigt ein Blick in die Statistik: Die Zahl der Ordnungswi­drigkeiten hat sich 2020 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Die Stadt Neu-Ulm verzeichne­te 766 Bußgeldver­fahren, dazu kamen noch 40, die wegen Corona nach dem Infektions­schutzgese­tz durch das Landratsam­t geahndet wurden und nicht nach der städtische­n Grünanlage­nsatzung. Zum Vergleich: 2019 waren es 466 Bußgeldver­fahren.

Während die Neu-Ulmer noch in der „Kennenlern­phase“sind, gehen auf der anderen Seite der Donau schon lange städtische Ordnungshü­ter auf Streife. In Ulm wurde der kommunale Ordnungsdi­enst 2008 eingeführt. Nach Auskunft von Pressespre­cherin Marlies Gildehaus gibt es dort acht Stellen. Die Mitarbeite­r gehen stets zu zweit auf Streife. Einsatzgeb­iet ist das gesamte Ulmer Stadtgebie­t, montags bis samstags von 6 bis 24 Uhr, an Sonntagen nur, wenn Veranstalt­ungen stattfinde­n.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Seit Kurzem gehen Mitarbeite­r des kommunalen Ordnungsdi­enstes in Neu-Ulm auf Streife, beispielsw­eise an der Donau.
FOTO: ALEXANDER KAYA Seit Kurzem gehen Mitarbeite­r des kommunalen Ordnungsdi­enstes in Neu-Ulm auf Streife, beispielsw­eise an der Donau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany