Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mehr als Patrouille mit Aufpass-Funktion
Kommunaler Ordnungsdienst in Neu-Ulm verspätet gestartet – Die ersten Erfahrungen
NEU-ULM - Eigentlich hätte der kommunale Ordnungsdienst in Neu-Ulm bereits im Herbst 2020 loslegen sollen. Der Neu-Ulmer Stadtrat hatte die Einführung im Jahr davor beschlossen. Doch die Pandemie verzögerte den Start. Inzwischen sind die drei Mitarbeiter täglich im Einsatz, um für mehr Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum zu sorgen. Wie sind die ersten Erfahrungen?
„Wir bekommen viel positives Feedback auf der Straße“, sagt Tibor K., einer der drei Mitarbeiter des Ordnungsdienstes in Neu-Ulm. „Vor allem ältere Leute fragen uns, wer wir sind und was wir machen, oder fragen uns um Rat.“Der kommunale Ordnungsdienst habe vor allem die Aufgabe, den Bürgern im gesamten Stadtgebiet als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, sagt Anton Bullinger, der zuständige Dezernent im Neu-Ulmer Rathaus. „Schon allein die Tatsache, dass der Ordnungsdienst in der Stadt unterwegs ist, erhöht das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“
Die Mitarbeiter, erkennbar an ihren blauen Uniformen mit der Aufschrift „Ordnungsamt“, sind unter der Woche ebenso im Einsatz wie am Wochenende. „Zu Fuß sind wir viel im Innenstadtbereich unterwegs, etwa entlang der Donau oder im Glacis-Park“, berichtet Tibor K. Auch der WileyPark und das gesamte Areal rund um den Bahnhof und die Caponniere zählen zum Einsatzgebiet.
Dabei achten die Mitarbeiter darauf, dass die städtischen Verordnungen eingehalten werden, aber auch landesweite Bestimmungen wie die Maskenpflicht. Die Ordnungshüter zeigen aber auch in den Stadtteilen Präsenz. „Für die Streifen in Offenhausen,
Pfuhl oder Steinheim verwenden wir das Dienstfahrzeug“, so Tibor K.
Und was dürfen die städtischen Ordnungshüter? „Der kommunale Ordnungsdienst ist nicht nur eine Patrouille mit Aufpass-Funktion, sondern hat weitreichende Kompetenzen“, erläutert Thomas Nägele, der Leiter der städtischen Abteilung Sicherheit und Ordnung. „Die Mitarbeiter können bei der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten Verwarnungen aussprechen, Anzeigen aufnehmen, Platzverweise erteilen und haben auch die Befugnis, die Identität von Personen festzustellen.“Stellen die Mitarbeiter eine Straftat fest, rufen sie die Polizei.
Die Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes sind alle um die 25 Jahre alt. Zwei von ihnen haben eine polizeiliche Ausbildung vollständig absolviert und waren auch im Schichtdienst eingesetzt. Einer hat eine Ausbildung bei der Justiz absolviert. Ein Mitarbeiter ist außerdem gelernte Fachkraft für Sicherheit und Schutz.
Die städtischen Ordnungshüter haben an Lehrgängen der Bayerischen Verwaltungsschule teilgenommen und wurden in Selbstverteidigung geschult. In Kürze soll ein vierter Kollege oder eine Kollegin dazukommen. Nach Auskunft der Stadt läuft das Auswahlverfahren bereits. Gefordert würden eine dreijährige Berufsausbildung mit der Zusatzqualifikation Sicherheitskraft, Fitness und eine hohe Konfliktfähigkeit sowie soziale Kompetenz.
Zu tun gibt es mehr als genug: Seit dem Start des kommunalen Ordnungsdienstes in Neu-Ulm haben die Mitarbeiter bereits weit über 50 Vergehen und Verstöße registriert. Beispielsweise nicht angeleinte Hunde, nicht angemeldete Autos oder die Missachtung von Corona-Regeln in der Öffentlichkeit. Auch Streitereien zwischen Jugendlichen seien bereits geschlichtet und illegale Wohnlager unter freiem Himmel in Neu-Ulmer Industriegebieten aufgelöst worden. Ebenso wurden Müllsünder angezeigt. Verstöße gegen das nächtliche
Aufenthaltsverbot an der Caponniere, Ruhestörungen, aufdringliches Betteln, Verkauf von Alkohol an Jugendliche sind auch Fälle, in denen der Ordnungsdienst einschreitet.
„Zwei Mal mussten wir einen Platzverweis erteilen“, sagt Tibor K. „Einmal wegen Alkohol im GlacisPark und einmal im Obdachlosenheim.“Natürlich gebe es auch mal Misstrauen oder Groll, etwa wenn sie Bürger auf die Maskenpflicht am Bahnhof oder an Bushaltestellen hinwiesen. „Aber das gilt dann weniger uns als den Bestimmungen.“Insgesamt zieht Tibor K. ein positives erstes Fazit: „Wir haben noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.“
Dass er und seine beiden Kollegen Verstärkung brauchen können, zeigt ein Blick in die Statistik: Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten hat sich 2020 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Die Stadt Neu-Ulm verzeichnete 766 Bußgeldverfahren, dazu kamen noch 40, die wegen Corona nach dem Infektionsschutzgesetz durch das Landratsamt geahndet wurden und nicht nach der städtischen Grünanlagensatzung. Zum Vergleich: 2019 waren es 466 Bußgeldverfahren.
Während die Neu-Ulmer noch in der „Kennenlernphase“sind, gehen auf der anderen Seite der Donau schon lange städtische Ordnungshüter auf Streife. In Ulm wurde der kommunale Ordnungsdienst 2008 eingeführt. Nach Auskunft von Pressesprecherin Marlies Gildehaus gibt es dort acht Stellen. Die Mitarbeiter gehen stets zu zweit auf Streife. Einsatzgebiet ist das gesamte Ulmer Stadtgebiet, montags bis samstags von 6 bis 24 Uhr, an Sonntagen nur, wenn Veranstaltungen stattfinden.