Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Land denkt über Biber-Entnahme nach
Weil die Probleme in Schemmerhofen zunehmen, könnte ein Tabu gebrochen werden
SCHEMMERHOFEN - Biber sind streng geschützt. Doch in manchen Kommunen wächst ihre Zahl beständig. Viele Gemeinden und Grundstückeigentümer stellt dies vor große Herausforderungen. In Schemmerhofen wurde nun erstmals auch daran gedacht, ein bisheriges Tabu zu brechen.
„Ein Kamerad hat uns in den vergangenen Tagen massiv beschäftigt“, berichtete Schemmerhofens Bürgermeister Mario Glaser in der vergangenen Ratssitzung. Die Gemeinde versucht schon seit vielen Jahren, mit dem Biber zu leben. Doch die Probleme nehmen weiter zu. Vor einigen Tagen musste eine Baufirma in Alberweiler vor dem Tier kapitulieren. An den Hängeleswiesen am Einlauf des Mühlbachs in den Oelsee wollte sie im Auftrag der Gemeinde einen Biberdamm entfernen. Das angestaute Wasser blockierte bereits die Regenabflüsse der Anlieger. „In mindestens zwei Häusern stand das Wasser im Keller“, erklärte Schemmerhofens Hauptamtsleiter Alfons Link.
Doch die Entfernung des Biberdamms scheiterte: Ein Minibagger blieb auf dem feuchten Untergrund stecken und konnte schließlich nur mit einem Traktor und einer Seilwinde geborgen werden. „Wir sind noch am Austüfteln, wie wir nun vorgehen“, sagt Link. Dämme zu verkleinern oder ganz zu beseitigen, sei immer ein „Riesenaufwand“und bedarf einer Genehmigung des Landratsamts.
Flussaufwärts auf Höhe des Alberweiler Baggersees war die Gemeinde offenbar erfolgreicher. Bislang war der Schemmerhofer Bauhof oft wöchentlich damit beschäftigt, die Biberdämme zu verkleinern. Hier drohte ebenfalls ein gefährlicher Rückstau. Zwei große Rohre wurden nun in den Biberdamm integriert. „Der Biber kann den Damm erhöhen, wie er möchte. Das Wasser fließt aber dennoch ab“, erklärt Link. Der Amtsleiter hofft, dass das System künftig funktioniert.
Die Menge an Material, der Personaleinsatz und die benötigten Maschinen zum Bibermanagement im Ort sei inzwischen beachtlich. Link hat die Kosten überschlagen und schätzt, dass die Gemeinde alleine im Jahr 2020 rund 20 000 Euro ausgegeben hat. Etwa zehn bis zwölf Biberreviere seien bekannt. In einem Revier kommen in der Regel Familien
mit zwei Jungtieren vor. „Es ist ein dauernder Kampf mit diesem Tier.“
Bürgermeister Mario Glaser hat in der vergangenen Gemeinderatssitzung betont: „Der Biber ist streng geschützt und das ist auch in Ordnung.“Nicht befriedigend sei dagegen, dass die Gemeinde die Kosten tragen müsse, aber dafür keine Unterstützung vom Land Baden-Württemberg erhalte. „Das steigert nicht gerade die Motivation, sich für das Tier einzusetzen.“
Wie gravierend die Herausforderungen inzwischen sind, zeige sich auch daran, dass über Schritte nachgedacht werde, die bislang als Tabu galten. Das Regierungspräsidium Tübingen habe auch eine „Entnahme“ins Spiel gebracht, erklärt Hauptamtsleiter Link. Er wolle sich zu diesem Schritt aber nicht weiter äußern. Der Vorschlag habe ihn selbst überrascht. In den rund 15 Jahren, in denen er sich um die Biber kümmert, sei eine Tötung des Tieres keine Option gewesen. Vor 15 Jahren habe es gerade einmal zwei bis drei Tiere in der Gesamtgemeinde gegeben. Die Zahlen haben sich also beinahe verzehnfacht. Eigentlich sollte irgendwann eine natürliche Sättigung auftreten, wenn jedes potenzielle Biberrevier auch mit einem Tier besetzt wäre. Doch so lange möchte Link nicht warten. „Die Anzahl der Tiere, wie sie die Natur zulässt, wäre von uns nicht mehr zu stemmen.“
Die Gemeinde versuche, Konflikte etwa zwischen Landwirten und dem Biber vorsorglich bereits zu verhindern. Link betont aber auch: „Es gibt auch Bürger, die fordern, wir sollen uns für den Schutz der Tiere einsetzen.“Beiden Ansprüchen wolle er gerecht werden.
Bei aller Mühe und Arbeit, die der Biber kostet: Manchmal revanchiert er sich. Zurück zu den Hängeleswiesen: Das Gebiet will die Gemeinde künftig ökologisch aufwerten. An einer Stelle im Bach hat ein Biber bereits einen Damm gebaut. Der Rückstau sorge für eine natürliche und an der Stelle gewünschte Wiedervernässung, erklärt Link. „Da ist der Damm für uns sogar nützlich.“