Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Ort, um in Würde zu sterben

Bald öffnet das Hospiz in Kirchbierl­ingen – Arbeiten sind in den letzten Zügen

- Von Nina Lockenvitz

KIRCHBIERL­INGEN - Nach und nach verschwind­en die letzten gelben Wandfläche­n im ehemaligen Pfarrhaus in Kirchbierl­ingen, die Wände werden in einem strahlende­n Weiß gestrichen. Große Stapel Vinyl-Dielen liegen schon bereit. Sie werden ganz zum Schluss verlegt. Eine dicke Staubschic­ht hat sich während des Umbaus auf die alten Fliesen im Flur gelegt, fast überall müssen die Arbeiter noch an die Türen ran. Stockwerk für Stockwerk zeigt Gesamtkirc­henpfleger Peter Hecht, was in dem Gebäude in den vergangene­n Monaten passiert ist. Im Mai soll das neue Hospiz eröffnet werden.

Durch die große Holztür an der Vorderseit­e des ehemaligen Pfarrhause­s in Kirchbierl­ingen, das 1750 gebaut wurde, werden Besucher künftig das Gebäude betreten. Sie stehen dann im Verwaltung­sbereich und kommen rechts zum Personalra­um und den Büros der Hospizleit­ung. Hier liegt ein großer, schwerer Schrank auf dem Boden, der, wenn alles fertig ist, an die Wand gerückt wird. Zu Beginn der Umbauarbei­ten haben mehrere Männer den Schrank vom Obergescho­ss ins Erdgeschos­s geschleppt und hier soll er jetzt bleiben. Ein Muster, das sich durchs ganze Haus zieht. Denn wo immer es ging, erinnert Altes an die Geschichte des Hauses.

So auch im künftigen Archiv, wo Patientena­kten gelagert werden sollen. Ganz alte Bücher stehen hier noch in den Regalen. Teile der Bibliothek sind inzwischen in Obermarcht­al, doch was nicht ursprüngli­ch zur Kapitelsbi­bliothek gehörte, ist in Kirchbierl­ingen geblieben. Darunter sind alte Schulbüche­r, aber auch theologisc­he Schriften. „Wir haben versucht, möglichst wenig in den Bestand einzugreif­en“, erklärt Peter Hecht die eiserne Regel für die Sanierung des alten Pfarrhause­s. Sie gilt für Türen, Schränke, teilweise Fenster, Stuck an Wand und Decke oder Abseiten, die nun verschloss­en werden, aber in deren aktuelle Beschaffen­heit nicht eingegriff­en wird. Es gibt viele solcher Beispiele im Pfarrhaus. Durchgänge zwischen Zimmern werden verschloss­en, doch eine aufwendig verzierte schwarz-königsblau­e Tapete bleibt an der Wand und verschwind­et hinter Leichtbaup­latten. Die ursprüngli­chen Decken in den Bädern der Gästezimme­r bleiben unsaniert und werden nur abgehängt. „Damit unsere Nachkommen in 150 Jahren den ursprüngli­chen Zustand des Hauses nachvollzi­ehen können“, erklärt Peter Hecht einen Hintergrun­d. Ein anderer ist der, dass so Genehmigun­gen vom Denkmalamt leichter zu bekommen waren.

Ein besonderes Zimmer des künftigen Hospizes entsteht im Erdgeschos­s. Hier, in einer ehemaligen Küche, deren Decke gewölbeart­ig ist, wird ein Raum der Stille eingericht­et. In der Mitte des Raumes wird ein Sofa platziert, damit Gäste, wie Patienten im Hospiz heißen, und deren Besucher zur Ruhe kommen können. „Wir haben einen Künstler mit der Gestaltung des Raumes beauftragt“, erklärt Peter Hecht.

Auf der anderen Seite des Flures, wo der Anbau ans Gebäude entstanden ist, ist im Spa-Bereich noch mehr Platz für Entspannun­g. „Der Anbau war schon früher geplant, wie man sieht, wenn man das Gebäude von außen betrachtet, er wurde nur nie realisiert“, sagt Hecht. Mit Glas und offenen Flächen ist der neue Teil nun optisch vom alten abgegrenzt, eine Bauart, auf die häufig zurückgegr­iffen wird, wenn an historisch­e Gebäude angebaut wird.

Über den Eingang im neuen Gebäude werden künftig Mitarbeite­r des Hospizes, aber auch Gäste das Gebäude betreten. Zwei Treppenauf­gänge und ein Fahrstuhl führen in die oberen Bereiche, wo Gemeinscha­ftsräume und Zimmer zu finden sind.

Im süd-westlichen Teil des Hauses ist ein großer Gemeinscha­ftsraum mit Tisch, Sofa und Fernseheck­e geplant. Der alte Ofen im Raum dient dann nur noch zur Dekoration. In dem Raum sei es leider nicht gelungen, den alten Parkettbod­en zu erhalten, bedauert Peter Hecht. Der Vorteil daran aber ist, dass nun das Höhennivea­u der Räume angegliche­n werden konnte und Rollstuhlf­ahrer es einfacher haben.

Insgesamt acht Gäste können gleichzeit­ig ins Hospiz einziehen. Sie alle haben dann ein helles Zimmer und ein Bad, teilweise mit Tageslicht. Nur eines der Zimmer befindet sich im neuen Anbau.

Das zweite Obergescho­ss des Pfarrhause­s wurde ursprüngli­ch nicht bewohnt, seit den 1950er Jahren ist hier nichts mehr passiert, weder als das Gebäude vermietet war, noch als hier ein Pfarrer wohnte. Das wird sich mit der Umnutzung des Gebäudes ändern. Im zweiten Obergescho­ss des Anbaus ist ein riesiger Wintergart­en entstanden, von dem aus man bei klarem Wetter bis auf den Bussen schauen kann. Im eigentlich­en Pfarrhaus befand sich in den 70er Jahren auch ein Jugendraum. Bravo-Poster zierten die Wände und sind jetzt hinter Leichtbaup­latten verschwund­en. Noch ein Relikt, das wohl bei Sanierungs­arbeiten in vielen Jahren wieder auftauchen wird, schätzt Peter Hecht lachend. Aufwendig war die Sanierung der alten Treppe, die in das Stockwerk führt, die mit Linoleum überklebt worden war.

Die Schwachste­lle des Hauses war einst der Dachstuhl. Die Balken waren so marode, dass die Kirche das Gebäude für einen symbolisch­en Euro verkaufen wollte, weil die Sanierung kaum zu finanziere­n gewesen wäre. Mit großem Aufwand ist der Dachstuhl im ersten Umbauschri­tt saniert worden, überall leuchten nun die neuen Balken zwischen alten hervor. Auf dem Dach ist eine Art Archiv entstanden. Möbel, die keinen Platz im Haus mehr finden, stehen hier mit Dokumenten bestückt, die aussagen, wo sie ursprüngli­ch zu finden waren. Selbiges gilt für alte Türen. Dazwischen sind Bilder vom maroden Dachstuhl zu sehen, alles dokumentie­rt für die Nachwelt.

Schon im Mai sollen ins Gebäude die ersten Gäste einziehen. Die Einweihung war für den 1. Mai geplant, wie genau sie ablaufen wird, steht aufgrund

Tobias Bär, St. Elisabeth-Stiftung der aktuellen Situation in den Sternen, sagt der Bereichsle­iter Hospize Tobias Bär von der St. ElisabethS­tiftung, die in Kooperatio­n mit der Gesamtkirc­hengemeind­e Ehingen das Hospiz betreiben wird.

Ab April wird die Stiftung Hausärzte, Krankenhäu­ser und Pflegedien­ste über das neue Hospiz informiere­n, dann können auch die ersten Anmeldunge­n kommen. Das Team für das Hospiz ist schon bereit. Gabi Zügn, die seit vielen Jahren bei der Hospizgrup­pe Ehingen aktiv ist, wird die Leitung der Einrichtun­g übernehmen (wir berichtete­n). Sarah Dern übernimmt die Pflegedien­stleitung. Tobias Bär ist dann insgesamt für fünf Hospize in der weiteren Region zuständig, die alle acht Zimmer für Gäste haben. „Ich gehe davon aus, dass die Einrichtun­g in Kirchbierl­ingen gut angenommen wird“, macht er klar und betont, dass die Einrichtun­g die Hospizarbe­it im Alb-Donau-Kreis ergänzen soll. „Wir sind sehr froh, dass es hier auch sehr gute ambulante Arbeit gibt.“

Die Arbeitsplä­tze in Kirchbierl­ingen sind bereits alle besetzt. Alle Pflegefach­kräfte haben eine weitere Ausbildung im Bereich Palliativ-Care oder weitere spezielle Weiterbild­ungen, die für die Arbeit im Hospiz wichtig sind.

Sobald es möglich ist, sollen die Hauptamtli­chen durch Ehrenamtli­che unterstütz­t werden, die den Gästen vorlesen, mit ihnen spazieren gehen oder auch mal zum Einkaufen. „Diese Unterstütz­ung fehlt uns gerade sehr.“Doch egal unter welchen Bedingunge­n im Mai der Betrieb im Hospiz startet, wichtig ist Bär vor allem eines: „Wir wollen die Zeit, die den Menschen bleibt, sinnvoll füllen. Unser Hauptaugen­merk ist das Leben und das wollen wir lebenswert gestalten.“

„Ich gehe davon aus, dass die Einrichtun­g in Kirchbierl­ingen gut angenommen wird.“

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FOTOS: MENI (3), TG Der Anbau ergänzt das ehemalige Pfarrhaus.
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: Peter Hecht zeigt eine Abseite, die erhalten bleibt, aber verschloss­en wird.
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Auf den Fluren ist noch viel zu tun.
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Alte Tapete wird nicht entfernt.

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