Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Stimmen aus der Praxis

-

Die Struktur im ländlichen Raum ist noch immer darauf ausgelegt, dass man viele Strecken individuel­l mit dem Auto überwinden muss: zum Discounter am Stadtrand etwa, oder zum Facharzt einige Städte weiter. Wer spontan sein möchte oder muss, kann sich zum Teil auch nicht auf Rufbusse stützen, wenn man die schon einen Tag vorher bestellen muss. Mancherort­s würde sicher eine bessere Taktung im ÖPNV helfen. Ich komme von Neuhausen tagsüber alle halbe Stunde mit dem Bus nach Tuttlingen. Nach Meßkirch, das genau so weit entfernt liegt, aber in einem anderen Landkreis, geht das nur zweimal am Tag. Hier bräuchte es bei der ÖPNV-Planung mehr kreisüberg­reifende Absprachen. Wichtig wäre, dass man die Verkehre aber auch verbinden kann – dass man das Rad auch ein Stück mit dem Zug oder Bus transporti­eren kann. Es wäre schön, wenn manche Politiker sich die Situation auf dem Land mal anschauen würden. Bei manchen habe ich das Gefühl, dass die aus der Stadt gar nicht wissen, wie es auf dem Land ist.“

Corinna Schweining­er aus Neuhausen ob Eck hat eine Bachelorar­beit geschriebe­n zum Thema „Keine Perspektiv­e ohne Auto? Mobilität im ländlichen Raum am Beispiel der Stadt Meßkirch“

Für uns ist Straßeninf­rastruktur enorm wichtig. Bei uns im Raum Bodensee-Oberschwab­en ist der Ausbau der Verkehrsac­hsen zurückgebl­ieben. Wir haben zwar die B 30 vor der Tür, beim Nadelöhr in Enzisreute und Gaisbeuren stehen unsere Lkws aber im Stau, wie auch in Richtung Meersburg. Der Ausbau kommt nur stückchenw­eise voran. Da wird gekleckert und nicht geklotzt. Das mindert unsere Produktivi­tät enorm und führt zu Kosten. Emissionen im Stau und auf Umwegen sind vermeidbar­e ökologisch­e Belastunge­n. Wir wissen um unsere ökologisch­e Verantwort­ung, wir können nicht für immer Lkws rumfahren lassen. Der Zeitgeist ist aber: Alle wollen das, was sie heute bestellen, morgen vor der Haustür haben. Entspreche­nd knapp müssen wir auch planen. Hier bräuchten wir gesellscha­ftlich andere Rahmenbedi­ngungen, dass Verbrauche­r auch mal ein oder zwei Tage länger warten. Das würde Fahrten reduzieren. Zum Teil versuchen wir durch Kooperatio­n mit Mitbewerbe­rn Verkehre zu sparen.“

Roland Futterer, einer der Geschäftsf­ührer der Spedition Grieshaber Logistik in Weingarten

Gerade im ländlichen Raum ist der ÖPNV bis heute hauptsächl­ich ein Schülerver­kehr. In manchen Landkreise­n fährt bis Freitagabe­nd noch ein Bus und dann erst wieder ab Montag. So lange das so ist, kann man Menschen nicht zum Umsteigen bewegen. Zumal wir wissen, dass mehr Fahrten im Freizeit- als im Berufsverk­ehr stattfinde­n. Die Schweiz etwa dünnt ihre Fahrpläne am Abend und am Wochenende nicht so aus wie wir – so wird der öffentlich­e Verkehr zur Alternativ­e. Da die meisten Wege, die wir zurücklege­n, weniger als fünf Kilometer lang sind, hätte das Fahrrad ein großes Potenzial – auch dank Pedelecs. Man muss Menschen dazu kriegen, das nicht nur für Fahrradtou­ren entlang von Flüssen auszuprobi­eren, sondern auch um Wege zur Arbeit und zum Einkaufen zurückzule­gen. Wenn man aber gewohnt ist, alles mit dem Auto zu machen, fällt der Umstieg schwer. Ganz wichtig dafür ist auch, dass Kommunen mehr sichere Radwege schaffen. Es braucht auch gute Parkmöglic­hkeiten, damit die teuren Pedelcs sicher abgestellt werden können – etwa in einem Fahrradpar­khaus oder in Fahrradbox­en am Bahnhof.“

Matthias Lieb, Landesvors­itzender des ökologisch­en Verkehrscl­ubs Deutschlan­d (VCD)

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany