Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Das Handwerk stärken
Joachim Steyer von der AfD wünscht sich einen neuen Landtag, in dem keine machtpolitischen Spiele stattfinden
ZWIEFALTEN/MÜNSINGEN - An seine Zeit in der Gesamtschule in Bremen erinnert er sich gut. „Ich bin schon damals gegen den Strom geschwommen: Ich habe Pro-StraußButtons am Revers getragen und war sonst ein CSU-Anhänger“, erzählt Joachim Steyer. Er räumt ein, das sei eine eher ungewöhnliche Haltung für einen aus dem hohen Norden stammenden Menschen. Aber aus seiner konservativen Grundhaltung in jungen Jahren macht er kein Hehl. Politisch interessiert sei er schon immer gewesen, habe auch von Kanzlerin Angela Merkel anfangs viel gehalten, allerdings hat er sich bis 2015 in keiner Partei engagiert. Das änderte sich für Joachim Steyer mit der Flüchtlingskrise. „Ich bin in die AfD eingetreten, weil ich mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden war. Außerdem bekommen wir alles aus Brüssel vorgesetzt und vorgegeben.“Zugleich wolle er sich auch nicht von seinen vier Kindern vorwerfen lassen, er habe die Hände in den Schoß gelegt und sich nicht politisch eingemischt.
So hat der selbstständige Gas- und Wasserinstallateurmeister aus Burladingen angefangen, sich in die Kommunalpolitik einzubringen: 2018 gründete er den AfD-Ortsverband in Burladingen, wurde 2019 in den dortigen Gemeinderat gewählt und führt seither die vierköpfige AfD-Fraktion. Später wählten ihn die Parteimitglieder zum Beisitzer im Kreisvorstand der AfD Zollernalb. Und inzwischen ist er zum Kandidaten für den Landtag nominiert worden. Im Gespräch mit der SZ sagte er, er sei sich recht sicher, dass er ein Mandat im Wahlkreis HechingenMünsingen erringen könne. Auch wenn er ein aus Bremen stammendes
Nordlicht sei und manchmal das Meer vermisse, betrachte er Burladingen ganz klar als seine Heimat, in der er seit mehr als 30 Jahren lebe.
Mit dem Thema regionale Wirtschaft will der 54-Jährige bei Wählern punkten: „Die Stärkung des Handwerks ist am wichtigsten“, sagt er. Steyer beobachtet seit Jahren eine sich vergrößernde Einkommensschere zwischen dem Handwerk und der Industrie – bis zu 60 Prozent. Das treibe gut ausgebildeten Nachwuchs in Zeiten des Fachkäftemangels in die großen Unternehmen. „Wir müssen den Handwerksbetrieben Anreize für höhere Netto-Einkommen geben, in dem die Löhne der Mitarbeiter anders und niedriger besteuert werden.“Zugleich beobachte er eine Krise der regionalen Zuliefererbetriebe für die Automobilindustrie. Das sei bereits vor der Corona-Pandemie sichtbar gewesen. Elektromobilität sei nicht der Schlüssel zur Gesundung der Branche, sondern höchstens eine zusätzliche Komponente für künftige Antriebstechniken. „Elektromobilität ist eine Mogelpackung. Der Strom aus der Steckdose ist nicht grün, sondern stammt zu großen Teilen aus der Grundlast von importiertem Atomoder Kohlestrom, wenn erneuerbare
Energien nicht verfügbar sind.“Er plädiert für den Bau von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren für synthetische Kraftstoffe.
Auch die Entwicklung des ländlichen Raumes mit Blick auf die Gesundheitsversorgung ist ihm wichtig: „Wir müssen Kommunen einen Finanztopf bereitstellen, aus denen Praxisräume für Landärzte mitfinanziert werden.“Das sei ein Instrument, um mehr Landärzte in die Region zu locken. Überhaupt müsse mehr Geld für das Gesundheitswesen bereitgestellt werden. „Für alles ist Geld da, aber für das Wesentliche, zum Beispiel Krankenhäuser, fehlt es. Stattdessen werden Milliarden ins Ausland gegeben. Die deutsche Bevölkerung sollte aber Priorität haben.“
Was die Entwicklung der Ortskerne angeht, hält sich Steyer für einen Realist: „Wenn die Corona-Krise enden wird, haben viele Gaststätten und Einzelhändler nicht überlebt.“Der gute alte Tante-Emma-Laden sei schon vor längerer Zeit verschwunden. Für eine gute Einzelhandelsstruktur, in Nähe der Ortskerne, könnten beispielsweise Einkaufszentren sorgen.
„Wir brauchen dafür zuerst eine gute Infrastruktur mit Parkhäusern, Pendelbussen ins Zentrum und Elektrosäulen.“In jedem Fall wolle er seine Ideen auch in die Ausschuss-Arbeit im Landtag einbringen, wenn er ein Mandat gewinne. Die Arbeitsbereiche Wirtschaft, Umwelt und Migration interessieren ihn am meisten.
Da die Flüchtlingskrise ein Auslöser für Joachim Steyers Engagement in der AfD war und ist, hat er auch eine klare Meinung zu Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, um hier dauerhaft zu leben. „In Sachen Integration bin ich der Meinung, dass die Menschen, die in Deutschland leben wollen, sich uns anpassen müssen und nicht umgekehrt.“Er sei klar gegen den Islam, denn die Religion sei aus seiner Sicht intolerant und frauenfeindlich. Einmal hat er sogar gegen den „politischen Islam“in Hechingen demonstriert, eine „EinMann-Demo“, wie Steyer erzählt. Er habe sich mit einem großen Schild vor eine Moschee in Hechingen gestellt, auf dem „Nein zum politischen Islam“stand. Als der Muezzin rief und die eintreffenden Gläubigen eintrafen, sei er beschimpft worden. Trotzdem hält er an seiner Meinung fest und stellt klar: „Selbstverständlich respektiere ich alle in Deutschland lebenden Muslime, solange sie sich auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen. Ich habe mich auch mit ganz vielen Muslimen super verstanden und hatte auch freundschaftlichen Umgang mit ihnen, als ich noch Judo und Taekwondo betrieben habe.“
Zum Thema freundschaftlichen Umgang unter AfD-Mitgliedern sagt er: „Streitigkeiten sollten hinter verschlossenen Türen und nicht öffentlich ausgetragen werden.“Er halte die AfD für eine Partei, die der einstigen CDU gleiche. Zum sogenannten, als rechtsextremistisch eingestuften„Flügel“der AfD sagt er: „Die eine Seite der Partei funktioniert nicht ohne die andere Seite. In jeder Partei gibt es Flügel.“
LANDTAGSWAHLEN 2021