Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Hass ist nicht nur ein Problem des Internets

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Ein kurzer Blick auf das Smartphone – und schon schlägt der blanke Hass entgegen. „Du Bastard, komm nie zurück in dieses Land“, liest der Ravensburg­er Profifußba­ller in Diensten von Werder Bremen mit ernstem Gesicht aus einer Hassnachri­cht vor, die mit einer bösen Beschimpfu­ng endet, die wir hier nicht wiedergebe­n wollen. Mit einem besonders widerwärti­gem Onlinekomm­entar hat Ex-VfB-Torhüter

der mittlerwei­le beim 1. FC Köln unter Vertrag steht, bis heute zu kämpfen: „Mach den Enke und wirf dich vor den Zug.“Der Biberacher

bekam nach seinen zwei Patzern als Liverpool-Keeper im Champions-League-Finale 2018 Morddrohun­gen gegen sich und seine Familie, die so ernst waren, dass sogar die englische Polizei ermittelt. Die Hetze im Netz gegen Profisport­ler wird immer schlimmer.

Zieler, Loris Karius Ömer Toprak

Längst hat sich der Stammtisch verlagert. Aus der Kneipe um die Ecke ist das Internet geworden. Für manche zumindest. In den sozialen Netzwerken frönen Sportfans seit Jahren einer ständig niveaulose­r werden Pöbelkultu­r. In der Anonymität sinken Hemmschwel­len, Hasskommen­tare häufen sich. Und das nicht nur im Fußball.

deutscher Meister im Tennis, berichtete kürzlich vor zahlreiche­n rassistisc­hen Anfeindung­en, viele Profisport­lerinnen klagen über sexistisch­e Nachrichte­n.

Benjamin Hassan, Ron-Robert

Die Beleidigun­gen und Drohungen sind meist dieselben, sie sind austauschb­ar. Und dennoch lassen sie sich nicht ausblenden – auch nicht

von Profis, die – so eine gängige Meinung, das doch aushalten müssten. Schließlic­h verdienen sie ja Millionen, Schmerzens­geld in gewissem Maße. Das Video, das mehrere Fußballer

um die Nationalsp­ieler Toni

und in der vergangene­n Woche veröffentl­icht haben, zeigt aber, dass die Hetze im Netz auch an den Profis nicht vorbeigeht.

Kroos Niklas Süle

„Wir schätzen deine Meinung. Aber Hass ist keine Meinung. Hinter jedem Bildschirm ist ein Mensch“, heißt es am Ende des 1:44 Minuten langen Films, in dem zahlreiche Kicker aus an sie gerichtete­n Onlinenach­richten vorlesen. Es ist höchste Zeit, dieser Verrohung des Anstands Einhalt zu gebieten.

Das Problem ist freilich nicht auf den Sport beschränkt, es ist ein gesamtgese­llschaftli­ches. Doch der Profisport und seine Akteure haben die Mittel und den Einfluss, um eine positive Entwicklun­g voranzutre­iben. „Social-Media-Verantwort­liche müssen einen Weg finden, die Anonymität im Netz abzuschaff­en“, fordert

zu Recht. „Jeder, der ein Profil hat, sollte sein Gesicht zeigen und es sollte erkennbar sein, wer sich dahinter verbirgt. Anonym zu pöbeln sollte nicht mehr möglich sein.“

Kroos

Doch reicht es nicht, mit dem Finger auf die Gesetzgebe­r, die sozialen Netzwerke oder Clubs und Verbände zu zeigen. Uns allen muss klar sein: Der Ball liegt bei jeder und jedem von uns. Wer andere Leute digital beleidigt und bedroht, ist Teil des Problems. Auch diejenigen, die Drohungen als Dummejunge­nstreich abtun, machen sich mitschuldi­g. Denn es ist wichtig zu verstehen: Hass ist kein Problem des Internets, Äußerungen online haben auch Konsequenz­en offline. Der Hass frisst sich in unser Denken, in unsere Gesellscha­ft, er manifestie­rt sich schlimmste­nfalls in physischer Gewalt. Deswegen gilt: Betroffene von Hass und Hetze verdienen Solidaritä­t – auch wenn sie Millionen an Euro verdienen.

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FOTO: BERND FEIL/IMAGO IMAGES Trotz Entschuldi­gung: Lorius Karius bekam nach seinen Fehlern im ChampionsL­eague-Finale 2018 sogar Morddrohun­gen.

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