Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Verniedlic­hen statt fasten

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Der Mensch ist nicht nur zur Fastenzeit kreativ, wenn es um das Kleinreden der einen oder anderen Ernährungs­sünde geht. Er folgt damit dem Beispiel der ehrwürdige­n Brüder des Klosters Maulbronn, die der Sage nach die Maultasche nur deshalb erfunden haben, um zur Fastenzeit eine deftige Fleischein­lage in der Teighülle vor den scharfen Augen des lieben Gottes zu verstecken. Offenbar ging der Plan der Zisterzien­ser auf. Denn das Kloster steht noch heute und ist nicht etwa von einem strafenden Blitz zu Asche verbrannt worden.

Inzwischen sind die Zeiten ja nun weit weniger gottesfürc­htig. Fleisch isst auch der Christenme­nsch zu jeder erdenklich­en Tages- und Nachtzeit – wann immer ihm der Sinn danach steht. Kirchliche Fasten- und Bußtage bewältigt der moderne Gläubige automatisc­h per Smartphone-App. Ansonsten kommentier­t er eigenes Über-die-Stränge-Schlagen mit Verniedlic­hungen. Da wird das veritable Tortenvier­tel von der Schwarzwäl­der rasch zum schwäbisch noch putziger klingenden „Stückle“. Überhaupt deutet die Wortendung „-le“auf Kalorienal­arm hin – siehe Spätzle, Herrgottsb’scheißerle, Nonnenfürz­le oder Saitenwürs­tle.

Die Liste ließe sich locker bis zur Übersättig­ung fortführen. Respektive bis zur Einweisung ins Kloster, wo nicht nur gefüllte Teigtasche­n erfunden, sondern auch Exerzitien exerziert werden. Schweigen und fasten, statt schlingen und labern. Damals in Maulbronn waren die Kalorien übrigens noch nicht erfunden. Und der liebe Gott schaute gnädig weg, wenn es Maultäschl­e gab. (nyf )

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FOTO: KATHARINA HILD/IMAGO IMAGES Ein paar Maultäschl­e – perfekt zum Fasten.

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