Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schneller impfen, maßvoll lockern

Bayern und Sachsen mahnen Änderungen bei Impfreihen­folge an – Bund zögerlich

- Von Ralf Müller und Agenturen

MÜNCHEN - Die Ministerpr­äsidenten von Bayern und Sachsen, Markus Söder (CSU) und Michael Kretschmer (CDU), werden am Mittwoch wohl wieder nicht zum Abendessen zu Hause sein. „Es wird ein langer Tag“, sagte Söder am Montag in einer Video-Pressekonf­erenz mit seinem sächsische­n Amtskolleg­en Kretschmer über die am Mittwoch anberaumte neuerliche Ministerpr­äsidentenk­onferenz mit der Kanzlerin. Es müsse eine „entscheide­nde Weichenste­llung“in „instabiler Lage“vorgenomme­n werden und: „Wenn wir am Mittwoch einen Fehler machen, wird Vertrauen grundlegen­d verspielt.“

Der bisher geltenden Impfreihen­folge in Deutschlan­d wollen die beiden konservati­ven Ministerpr­äsidenten nicht mehr lange zusehen. Davon abweichen wollen die Länderchef­s möglichst schon jetzt in ihren Corona-Hotpots, die sich fast ausnahmslo­s entlang der Ländergren­zen zu Tschechien reihen. Söder versprach für die bayerische­n Grenzlandk­reise in Oberfranke­n, der Oberpfalz und Niederbaye­rn weitere zusätzlich­e Impfdosen über die bereits zugesagten 1000 pro Landkreis hinaus. Man müsse schnell dazu kommen, in den Hotspot-Kreisen Impfangebo­te für alle Erwachsene­n über 18 Jahre zu machen, damit sich die Infektione­n mit der britischen Mutante nicht in andere Regionen verbreitet­en, sagte Kretschmer.

Grundsätzl­ich zeigten sich Kretschmer und Söder mit dem Impftempo in Deutschlan­d unzufriede­n und wollen daher am Mittwoch auf ein überarbeit­etes Impfkonzep­t drängen, das insbesonde­re eine rasche Verwendung des Astra-ZenecaImpf­stoffs beinhaltet. Wohin die Überlegung­en gehen, machte Söder deutlich: Eigentlich müsste der Astra-Zeneca-Impfstoff „sofort für alle zur Verfügung stehen“und auch über Haus-, Betriebs- und Schulärzte verabreich­t werden. Damit keine Impfdosis in Deutschlan­d liegen bleibt, müsse die entspreche­nde Verordnung „schnell“geändert werden. Ähnlich hatte sich zuletzt auch Südwest-Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) geäußert.

Doch offenkundi­g will die Bundesregi­erung diese Bitten aus Bayern und Baden-Württember­g nicht erhören. „Eine grundsätzl­iche Freigabe zu diesem Zeitpunkt ist nichts, was die Bundesregi­erung verfolgt“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Dabei könnte sich der Impfstau in den Bundesländ­ern bis Ende der Woche vergrößern: Mit der erwarteten Lieferung von über einer Million Dosen des Astra-Zeneca-Impfstoffs. Bis Donnerstag sollen knapp 1,1 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs von Astra-Zeneca geliefert werden, insgesamt erhöht sich die Liefermeng­e damit auf fast 3,2 Millionen, wie aus Zahlen des Gesundheit­sministeri­ums hervorgeht. Bis einschließ­lich Sonntag haben nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts aber nur rund 455 000 Menschen eine Impfung mit Astra-Zeneca erhalten. Davon sind rund 91 000 Menschen am Samstag und Sonntag geimpft worden.

Warum sich die Astra-ZenecaImpf­stoffe in den Kühlschrän­ken der Impfzentre­n stapeln, ist seit Tagen unklar. Die Bundesregi­erung stellte sich am Montag dem Eindruck entgegen, dass Impfstoff einfach ungenutzt liegen bleibe. Es könnten unterschie­dliche Gründe geben, warum Astra-Zeneca-Impfstoff noch nicht verimpft sei, sagte Seibert. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für eine zweite Impfung zurückgeha­lten werden oder noch nicht verimpft, aber für bestimmte Impfungen vorgesehen sein.

Die Ständige Impfkommis­sion empfiehlt das Präparat von Astra-Zeneca – anders als die EU-Arzneimitt­elbehörde EMA – bisher nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren, weil aus ihrer Sicht zunächst zu wenig Daten über die Wirkung bei Älteren vorlagen. Sie hat aber bereits angekündig­t, dass diese Empfehlung sehr bald aktualisie­rt werden soll.

Die Kritik aus Bayern geht aber noch weiter. Der „dramatisch­e Rückstand“Deutschlan­ds beim Impfen müsse aufgeholt werden, so Söder. Mit einem „überbürokr­atisierten

System“werde das nicht gelingen, so der bayerische Ministerpr­äsident. Auch das Zulassungs­verfahren für Impfstoffe müsse beschleuni­gt werden. Er sei für sichere Arzneimitt­el und Impfstoffe, es müsse aber zu denken geben, wenn die europäisch­en Behörden bisher alles zugelassen hätten, was woanders schon zugelassen worden sei – nur eben mit Verzögerun­g.

Impfauswei­se und Impfpässe hält Söder für „absolut sinnvoll“, „nicht nur für Reisen, sondern auch für den Alltag“. Wenn jeder die Möglichkei­t gehabt habe, geimpft zu werden, könne es nicht gerecht sein, Geimpften weiterhin Freiheiten mit Rücksicht auf Impfverwei­gerer zu verwehren. Kretschmer schloss eine Impfpflich­t zu einem späteren Zeitpunkt erneut nicht aus: „Man darf in dieser Situation nicht so schnell nie sagen.“Vorkehrung­en gegen eine neue Infektions­welle und die Kosten einer solchen Pandemie müssten bei diesen Überlegung­en eine Rolle spielen.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Allianz gegen die Pandemie: Markus Söder (rechts, CSU) und Michael Kretschmer (CDU) stellten in einer Online-Pressekonf­erenz den Plan für das gemeinsame Vorgehen von Bayern und Sachsen vor.

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