Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wann kann mit einem Zinsanstieg gerechnet werden?
Bei der jüngsten Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“stand das Thema Geld- und Vermögensanlagen im Mittelpunkt
RAVENSBURG (sz) - Ein Lockdown, der sich in die Länge zieht, Turbulenzen an den Aktienmärkten und keine Zinsen auf Bankguthaben: Wie können Anleger dennoch langfristig Vermögen aufbauen? Festgeld, Gold, Aktien, Fonds, Immobilien – was lohnt sich? Und welche Zusammensetzung ist für mich geeignet? Um diese Themen ist es bei der Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“mit Wolfgang Raichle, Miriam Forstenhäusler, Christian Kuhnle und Johannes Noll gegangen. Die vier Experten des Bundesverbandes deutscher Banken haben am Telefon die Fragen der Leser beantwortet. Ein Auszug der Fragen und Antworten zum Nachlesen:
Was ist der Unterschied zwischen thesaurierenden und ausschüttenden Fonds und welcher ist besser für die Geldanlage geeignet?
Thesaurierende Fonds legen die Gewinne wieder in den Fonds an und erhöhen somit den Wert der Fondsanteile. Ausschüttende Fonds zahlen die Erträge an die Fondsinhaber aus, meist jährlich. Wenn Sie langfristig Vermögen aufbauen möchten und keine regelmäßigen Ausschüttungen benötigen, ist die Thesaurierung gut geeignet. Falls Sie auf laufende Auszahlungen angewiesen sind, wären ausschüttende Fonds eher interessant. Welcher am Ende besser abschneidet, lässt sich im Vorfeld nicht pauschal sagen – es gibt von beiden Varianten sicher bessere und schlechtere. Als Anhaltspunkt sollten Sie die Wertentwicklung der letzten Jahre vergleichen.
Ich habe 62 000 Euro auf meinem Sparbuch und möchte mein Geld vor Inflation schützen. Was kann ich tun?
Sie sollten Ihr Geld in verschiedene Assetklassen investieren, etwa wie ein Kuchen, der in mehrere Stückchen aufgeteilt wird. Ein Teil in Sachwerte (beispielsweise offene Immobilienfonds), ein Teil in Geldwerte (wie etwa Rentenfonds) ein Teil in Substanzwerte (beispielsweise Aktienfonds) oder auch einen kleinen Teil in alternative Investments (zum Beispiel Gold). Am besner ten legen Sie verschiedene Tranchen zeitlich versetzt an. Wichtig ist, dass Liquidität für das tägliche Leben und unvorhergesehene, wichtige Anschaffungen vorhanden ist. Setzen Sie also nicht alles auf eine Karte, sondern teilen Sie Ihr Geld auf.
Für 20 000 Euro würde ich, 65 Jahre alt, gern mein Fondsdepot mit „grünen“Aktien ausbauen. Dabei höre ich immer wieder „ESG“– was genau ist das und wo kann ich es kaufen?
Nachhaltige Anlagen richten sich meist nach den sogenannten ESG-Kriterien. ESG steht für Environment, Social und Governance und bedeutet auf Deutsch so viel wie: Umweltverträglichkeit, soziale Aspekte wie faire Bezahlung/ keine Kinderarbeit und nachhaltige Unternehmensführung. Aufgrund der großen Nachfrage werden mittlerweile sehr viele Nachhaltigkeitsfonds angeboten. Sprechen Sie mit Ihrem Bankberater, er kann Ihnen konkrete Fonds vorschlagen, die zu Ihren Vorstellungen passen.
Eine deutsche Bank bietet mir 0,7 Prozent Zinsen für ein Jahr Festgeld. Gibt es hier ein Risiko?
Nein, denn bei jeder Bank in den Ländern der Europäischen Union gilt die gesetzliche Einlagensicherung von 100 000 Euro pro Einleger und Bank. Darüber hinaus gehören die meisten Banken hierzulande freiwilligen Einlagensicherungssystemen an, die einen noch weitergehenden Schutz bieten. In Deutschland haben wir eines der stärksten Einlagensicherungssysteme der Welt.
Auf meinem Tagesgeldkonto liegen 200 000 Euro und ich soll Negativzinsen zahlen. Fonds oder Wertpapiere will ich nicht, ich möchte das Geld sicher und verfügbar haben, die Inflation ist mir egal. Kann ich was tun?
Wenn Ihnen eine Rendite nicht wichtig ist und Sie jederzeit an Ihr Geld kommen möchten, dann bleibt nur das Tagesgeldkonto. Fragen Sie nach, wie hoch ihr Freibetrag bei dem bestehenden Konto ist. Was darüber hinausgeht, könnten Sie bei eianderen Bank, die kein Verwahrentgelt berechnet, anlegen. Über entsprechende Portale im Internet können Sie einen ersten Vergleich starten. Achten Sie dabei auf die Höhe der Einlagensicherung.
Ich habe bereits in mehrere Fonds investiert und gute Erfahrungen damit gemacht. Jetzt ist noch etwas Geld übrig, sowohl monatlich als auch 20 000 Euro auf dem Sparkonto. Soll ich bei diesen Fonds bleiben und weiter darin anlegen? Gibt es Alternativen?
Wenn Sie mit den Fonds zufrieden sind und sie sich gut entwickeln, spricht nichts dagegen. Die jeweiligen Risikoeinstellungen der Fonds sollten natürlich nach wie vor Ihren Vorstellungen entsprechen. Mit einem Fondssparplan können Sie monatlich ansparen oder auch eine Einmalzahlung
tätigen. Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihren Fonds international und branchenübergreifend aufgestellt sind. Das Geld sollte für mindestens fünf, besser zehn Jahre nicht benötigt werden. Mit Alternativen ist es aktuell schwierig aufgrund der Zinssituation. Halten Sie sich eine Reserve für Notfälle verfügbar.
Wir sind Rentner und haben Geld frei, das wir zehn Jahre lang anlegen möchten. Weiteres Vermögen ist vorhanden, aber wir haben noch nie Wertpapiergeschäfte gemacht. Was halten Sie von einem ETF MSCI World oder Fonds mit Fokus auf den asiatischen Markt?
Wenn Sie Risikobereitschaft mitbringen und Wertschwankungen aushalten können, sind beide für eine langfristige Anlage interessant. Mit einem ETF auf den MSCI World legt man sehr breit gestreut an. Das Risiko ist auf viele Länder und Branchen verteilt. Aber auch der asiatische Markt birgt in den nächsten Jahren große Chancen mit Renditepotenzial. Insofern muss es nicht zwangsläufig auf „entweder oder“hinauslaufen – beides ist auch möglich. Am besten stellen Sie mit Ihrem Bankberater einen Vergleich beider Varianten an.
Bisher hatte ich, 72 Jahre, meine Ersparnisse von 50000 Euro bei zwei Banken angelegt. Nun gibt es dort nahezu keine Zinsen mehr – wann kann mit einem Zinsanstieg gerechnet werden?
Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt nach wie vor bei null. Durch das viele aufgenommene Geld zur Bewältigung der Corona-Pandemie sind deutlich steigende Zinsen im Euro-Raum in den nächsten Jahren so gut wie ausgeschlossen. Auf höhere Zinsen zu warten, ist für langfristig orientierte Anleger daher keine gute Strategie. Während Sie warten, knabbert die Inflation am Angesparten. Wenn Sie heutzutage eine Rendite haben möchten, die einen Inflationsausgleich bietet, sprechen Sie Ihren Berater an und informieren sich über Alternativen im Wertpapierbereich.
30 000 Euro habe ich, 58 Jahre alt, auf dem Sparbuch und bin eher risikoscheu. Noch zahle ich das Haus ab, welches in etwa fünf Jahren verkauft werden soll, um dann eine Wohnung zu kaufen. Eventuell brauche ich bis dahin das Geld. Sollte ich es trotzdem anders anlegen?
Es scheint sinnvoll, das Geld auf dem Sparbuch liegen zu lassen. Zum einen benötigen Sie möglicherweise diese Rücklage in absehbarer Zeit. Zum anderen ist der Zeitraum für eine renditestärkere Anlage in Wertpapieren nicht ausreichend, um Schwankungen auszusitzen.
Ich möchte 60 000 Euro für acht bis zehn Jahre anlegen. Liquide Rücklagen und ein abbezahltes Haus sind vorhanden. Was raten Sie mir?
Bei Ihrem Anlagehorizont kommen grundsätzlich Fonds in Betracht, da sich Schwankungen über die Zeit ausgleichen. Abhängig von Ihrer Risikobereitschaft wären das beispielsweise Mischfonds oder internationale Aktienfonds. Höhere Wertschwankungen haben Sie mit Aktienfonds, aber sie bieten auch bessere Renditechancen. Sie sollten jedoch nicht alles auf einmal investieren. Besser den Betrag aufteilen und nach und nach anlegen. Beispielsweise 2000 Euro monatlich, bis alles investiert ist. So kaufen Sie die Fondsanteile zu unterschiedlichen Kursen und vermeiden es, zufällig genau zu Kurshöchstständen einzusteigen. Klären Sie die Details mit Ihrem Berater, der Ihnen ein persönliches Anlagekonzept erstellen kann, das Ihre Wünsche und Risikomentalität berücksichtigt.
Mein Bausparvertrag wird bald fällig. Soll ich dann in einen neuen anlegen? Es gibt zumindest eine Miniverzinsung, die ich bei meiner Bank nicht bekomme. Oder wären Fonds eine Alternative?
Ich würde eher zu Fonds tendieren, denn hier gibt es langfristig höhere Renditechancen. Wenn Sie später kein Immobiliendarlehen benötigen, ist ein Bausparvertrag rein aus Zinsaspekten nicht attraktiv. Haben Sie allerdings Kinder, könnten Sie den Bausparvertrag auf sie übertragen. Ihre Kinder würden den Darlehensanspruch, und wenn Sie möchten auch das Guthaben, erhalten. Das wäre ein Grund, der für den Bausparvertrag spricht.
Wie kann man in Gold investieren?
Sie können Gold in physischer Form, also als Barren oder Münzen bei einem seriösen Händler kaufen. Auch Ihre Bank kann Ihnen das Angebot an Münzen oder Barren zeigen und für die Echtheit garantieren. Gold sollte sicher verwahrt werden, etwa im Safe oder Bankschließfach, damit keine Diebstahlgefahr besteht. Außerdem gibt es Gold-Zertifikate oder Anteile von Gold-Indexfonds. Beachten Sie jedoch, dass Gold keine Anlage ist, die regelmäßige Erträge wie Zinsen abwirft. Rendite lässt sich nur aus einem steigenden Goldpreis erzielen.