Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ohne Azubis fehlen künftige Fachkräfte
Wegen Corona gibt es kaum Berufspraktika für Schüler, allerdings freie Ausbildungsplätze
BIBERACH/REGION - Im Lehrplan an den Schulen sind Berufspraktika wie Bors (Berufsorientierung an Realschulen) oder Bogy (Berufsorientierung an Gymnasien) seit Jahren fest verankert. Aufgrund der CoronaPandemie gestaltet sich das gerade schwierig, die Schülerinnen und Schüler bekommen kaum Gelegenheit, in verschiedene Berufe zu schnuppern. Auch die Firmen sind aktuell eher zurückhaltend, wenn es um Praktika geht. Dabei ist dieser Einblick in die Berufswelt vor allem fürs Handwerk eine erfolgsversprechende Methode, um an künftige Azubis zu kommen. Aber auch für die Jugendlichen ist es wichtig, zu wissen, was sie später einmal beruflich machen möchten.
„Insgesamt ist es um die Berufspraktika ruhig geworden“, sagt Markus Holzschuh, Schulleiter der Realschule am Bischof-Sproll-Bildungszentrum in Rißegg. „Dabei ist so ein Praktikum für die Schülerinnen und Schüler sehr wichtig. Entweder sie finden dort den passenden Beruf für sich oder sie wissen, was nichts für sie ist.“Aktuell werde an der Schule und auch mit den Kooperationspartnern geschaut, was vielleicht im Frühjahr möglich sein könnte. „Die Partner stehen jedenfalls in den Startlöchern“, sagt Holzschuh.
In der Zwischenzeit gibt es einige Onlineangebote und auch telefonische Kontakte, wie zum Beispiel eine Berufsberatung für die Zehntklässler. „Aber das ist natürlich nicht dasselbe wie der persönliche Kontakt.“Hierbei sei auch die Bildungsmesse „future4you“in Biberach immer ein wichtiger Bestandteil gewesen. Aber auch die findet in diesem Jahr am Freitag, 30. April, von 10 bis 17 Uhr ausschließlich online statt.
Dass die Bildungsmesse nun als Onlinemesse angeboten wird, findet Fabian Bacher, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Biberach, richtig und wichtig. „Ich bin sehr dankbar, dass dieses Format gefunden wurde und die Messe nicht einfach ausfällt.“Dies sei schließlich eine tolle Plattform für die regionalen Firmen, sich zu präsentieren und ist auch für die Jugendlichen ein wichtiger Bestandteil für ihre Berufswahl.
Aktuell gibt es noch 75 freie Azubistellen im Bereich der Kreishandwerkerschaft. „2020 haben aber immerhin 390 Azubis eine Ausbildung begonnen“, sagt Fabian Bacher. Das seien im Vergleich zu 2019 mit 447 Stellen zwar weniger, aber dennoch seien die Zahlen zufriedenstellend. „In Pandemie-Zeiten wird eben alles erschwert, das spiegelt sich natürlich auch an den Ausbildungszahlen wider.“Berufspraktika und Bildungspartnerschaften finden so gut wie nicht statt.
Einen Einbruch gibt es laut Bacher vor allem bei den Friseuren: „Aber klar, wer stellt da noch Azubis ein, wenn die Salons monatelang geschlossen sind?“Auch im Ernährungsbereich würden die Fachkräfte fehlen. Wer im Gegenzug gut durch die Krise gekommen ist, sind die Bau- und Ausbaugewerke. „Die Bereiche Kfz, Elektro, Metall und Holz sind gut aufgestellt und haben im vergangenen Jahr auch mehr Azubis eingestellt“, so der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Doch er weiß auch: Wenn sich die Konjunktur wieder erholt, wird der Fachkräftemangel spürbar werden. „Nach Corona müssen die Firmen sich wieder intensiv um die Nachwuchswerbung kümmern.“
Dabei spielen dann auch die Berufspraktika wieder eine entscheidende Rolle: „Die meisten Betriebe lernen ihre künftigen Azubis durch ein Praktikum kennen“, sagt Fabian Bacher. „Auch für die Jugendlichen ist es ein zentraler Punkt, ihren ersten echten Einblick ins Berufsleben zu bekommen.“
Die Mali-Gemeinschaftsschule in Biberach versucht dennoch, an Praktikumsplätze für ihre Schülerinnen und Schüler zu kommen. „Manche Firmen und Betriebe bieten – zwar abhängig von der Pandemie – noch Praktika oder auch Alternativprogramme an, was wir dankbar annehmen und begrüßen“, sagt Schulleiterin Stefanie Maier. „Manche Firmen sind hier sogar sehr einfallsreich mit Videokonferenzen, -clips oder Boxen mit Arbeitsaufträgen.“
„Dennoch werden wohl nicht alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen sieben und acht einen Praktikumsplatz finden. Für diese wollen wir ein Alternativangebot zum Thema Berufswahl in der Schule schaffen. Dieses wird dann durch die Lehrkräfte angeboten und soll bereichert werden durch externe Bildungspartner und Ausbildungsbotschafter.“Die Vorbereitungen hierfür laufen.
Grundsätzlich legt die Mali-Schule großen Wert auf die Berufsorientierung (BO) und entwickelt das BOKonzept stetig weiter. Dieses beinhaltet unter anderem Praktika, Betriebsbesichtigungen, Kooperationsprojekte und Messebesuche. „Auch im Unterricht ist die Berufsorientierung wichtig, sodass hier immer wieder Themenbereiche zur Berufswahl, Berufsfeldern, Bewerbungstraining und das Schreiben von Bewerbungen aufgegriffen werden“, sagt Stefanie Maier. Aufgrund der Pandemie werde vermehrt auch auf digitale Angebote zurückgegriffen.
Sehr bereichernd sei für die MaliSchule auch die Zusammenarbeit mit einer Berufsberaterin der Bundesagentur für Arbeit. Gemeinsam finden jedes Jahr Elternabende für die Jahrgangsstufe acht statt und es gibt Einzelberatungen für die Schülerinnen und Schüler. „Beides konnte und kann auch weiterhin digital stattfinden und wird rege besucht beziehungsweise genutzt“, so die Schulleiterin. Sie hofft, dass ihre Schülerinnen und Schüler bald wieder die Aussicht auf eine Berufsorientierung vor Ort haben, denn: „Durch die Praktika sammeln sie vielfältige Erfahrungen, die für die Berufswahl und auch für die Persönlichkeitsentwicklung prägend sind.“