Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Um eine Erfahrung reicher
Basketball, ProA: Ehingen Urspring hält gegen Kirchheim mit und verliert dennoch
EHINGEN - Zwei Heimspiele hat der Basketball-Zweitligist Team Ehingen Urspring gerade hinter sich gegen Mannschaften, die wohl die Play-offs erreichen werden – in beiden Begegnungen schlug sich der Außenseiter beachtlich, war streckenweise auf Augenhöhe, doch beide Male reichte es nicht zum Erfolg. Sowohl gegen Jena (74:79) vor einer Woche als auch am vergangenen Samstag gegen Kirchheim (85:90) musste sich die Mannschaft von Trainer Domenik Reinboth knapp geschlagen geben.
Reinboths Stimme klang nach der zweiten Niederlage in Folge rau, doch der Coach war schon in den Tagen vor dem Derby gegen Kirchheim angeschlagen. Im Training sei aus diesem Grund Co-Trainer Johannes Hübner der „Wortführer“gewesen, wie Reinboth im Pressegespräch vor dem Derby gesagt hatte. Es sei bei ihm „eine Erkältung, kein Corona“, fügte er hinzu – eine Erläuterung, wie sie nicht selten vorkommt in diesen Tagen, wenn man mit Leuten redet, die für die Jahreszeit typische Erkältungssymptome haben. Reinboth war auch auf Corona getestet, wie es bei den Trainern und Spielern in der ProA regelmäßig der Fall ist. Vor jedem Spiel sind Schnelltests verpflichtend.
Es war nur eine leichte Erkältung, die Reinboth aber weder davon abhielt, im Training in der Halle zu sein, noch während des Derbys seine Anweisungen vom Spielfeldrand aus zu geben. Zu gern hätte er seine Mannschaft gegen den Tabellensechsten aus Kirchheim zum Sieg gecoacht, nachdem sie eine Woche zuvor dem Spitzenreiter Jena knapp unterlegen war. Anders als gegen Jena, als Ehingen Urspring rasch einem Rückstand hinterherlief, gab man gegen Kirchheim zunächst den Ton an. Rasch führte Reinboths Team 13:2, am Ende des ersten Viertels stand es 30:22.
Die Knights, eine der erfolgreichsten Mannschaften der vergangenen Wochen, kamen erst im zweiten Viertel richtig in Tritt. „Ehingen hat deutlich besser begonnen“, sagte der Kirchheimer Trainer Igor Perovic. „Nach dem ersten Viertel haben wir unsere Verteidigung verbessern und dieses Level dann halten können. Das war der Schlüssel“, so Perovic,
der von einem „hart erkämpften Sieg“gegen „ein starkes Team“sprach.
Der Schlüsselspieler der Knights, nicht nur in der Defensive, war der 33 Jahre alte Richard Williams. Der Pointguard mit Erfahrung aus mehr als zehn Profijahren vorwiegend in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, führte seine Mannschaft unspektakulär und unaufgeregt durchs Derby. 17 Punkte, sechs Assists und – bemerkenswert für den mit 1,78 Metern kleinsten Profi im Kirchheimer Kader – neun Rebounds (Spitzenwert bei den Knights im Derby) verzeichnete Williams. „Er ist der Dreh- und Angelpunkt, war jahrelang einer der besten Pointguards der Liga“, sagte Domenik Reinboth. „Gerade so ein Spieler nutzt unsere Fehler aus.“
Williams war aber nicht der einzige, auf den Verlass war bei Kirchheim. Die Center Andreas Kronhardt (21 Punkte/Trefferquote aus dem Feld: 60 Prozent) und Max Mahoney (20/80) drückten dem Knights-Spiel ebenfalls ihren Stempel auf, waren von der Heimmannschaft kaum zu stoppen. Dass man Kronhardt und Mahoney nicht richtig in den Griff bekam, schrieb Reinboth aber weniger seinen Big Men als deren unmittelbaren Gegenspielern zu, sondern auch den anderen, die nicht gut genug ausgeholfen hätten.
Mitentscheidend für den Kirchheimer Derbysieg war darüber hinaus ein weiterer Routinier: Tim Koch, 32 Jahre, lange in der Bundesliga, war wieder dabei, nachdem er eine Woche zuvor den Knights in Nürnberg gefehlt hatte. Gegen Ehingen Urspring erzielte Koch zwölf Punkte – ausnahmslos mit Dreiern. „Das hat uns weh getan“, sagte Reinboth. Tim Koch, der nicht der Starting Five angehörte und von der Bank kam, war ein Beispiel dafür, was die Knights in dieser Saison auszeichnet und worauf Domenik Reinboth schon vor dem Derby hingewiesen hatte: die Tiefe des Kaders. Daher fiel auch nicht ins Gewicht, dass bei den Kirchheimern zwei Leistungsträger (Kyle Leufroy, Nico Brauner) verletzt gefehlt hatten.
Beim Team Ehingen Urspring ist das ein wenig anders: Zum ProAAufgebot gehören viele junge Spieler, teils noch im NBBL-Alter, und vier US-Amerikaner im ersten ProfiJahr und der ersten Station außerhalb der Vereinigten Staaten. Man ist darauf angewiesen, dass Jack Pagenkopf, Kameron Hankerson, Christian Oshita und De’Quan Abrom die junge Mannschaft leiten und überdurchschnittlich zum Gelingen des Projekts beitragen. Wenn einer von ihnen oder sogar zwei keinen guten Abend erwischen – wie es im Derby bei Christian Oshita (null Punkte bei acht Versuchen aus dem Feld) oder De’Quan Abrom (vier Punkte aus dem Feld, dazu zwei verwandelte Freiwürfe) der Fall war, die in der Regel zweistellig punkten – wird es schwer für die Mannschaft. Kirchheim vermag die schwächere Leistung eines Spielers – wie Kapitän Kevin Wohlrath, der am Samstag leer ausging – besser wegzustecken.
Aber auch wenn in Oshita und Abrom „zwei Spieler deutlich unter ihren Möglichkeiten geblieben sind“, wie Reinboth sagte, hielt die Mannschaft das Spiel gegen den Play-offKandidaten aus Kirchheim bis zum Schluss offen. Der Trainer war daher auch nicht unzufrieden, bescheinigte seiner Mannschaft eine „gute Leistung“. Denn: „Bei aller Kritik dürfen wir nicht vergessen, dass wir gegen den Tabellensechsten gespielt haben (der sich an diesem Spieltag auf Rang vier verbesserte; Anm. d. Red.) und auch hätten gewinnen können, wenn wir die Fehler nicht gemacht hätten.“Fehler in der Defensive und in der Offensive, der im Schlussabschnitt mehr Ruhe und Übersicht gut getan hätte.
Am Freitag gegen Heidelberg
„Wir haben das Spiel zwar verloren, sind aber um eine Erfahrung reicher“, nahm Reinboth mit aus dem Derby-Abend. Für das Team Ehingen Urspring war es eine verpasste Chance, dem Saisonziel näherzukommen (Reinboth: „Wir wollen zehn Spiele gewinnen und haben jetzt noch neun Spiele“), doch schon am Wochenende bieten sich zwei neue Gelegenheiten. Ein Doppelspieltag steht an mit dem Heimspiel am Freitagabend gegen Heidelberg und dem Gastspiel am Sonntag in Paderborn.