Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Stimmen aus der Praxis
Viele Besitzer wollen nicht mehr vermieten, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Hier setzt unsere Initiative Türöffner an: Wir bieten den Vermietern an, dass wir passende Mieter auswählen. Wir schauen darauf, dass mit dem Eigentum gut umgegangen wird. Zum Teil treten wir nur als Vermittler auf, in den meisten Fällen schließen wir aber den Mietvertrag ab und vermieten die Wohnung unter. So sind seit Oktober 2019 insgesamt 20 Mietverhältnisse entstanden, die immer auf zwei Jahre befristet sind. Danach sollen sie dann ohne uns den Mietvertrag weiterführen.
Der Bedarf ist riesig. Im Moment habe ich ungefähr 180 aktive Anfragen bei rund 70 Wohnungsangeboten, von denen aber viele nicht passen – weil sie nicht saniert sind, oder weil das Haus zu sehr auf dem Land liegt, wo zu selten Busse verkehren. Unsere Klienten haben in der Regel kein Auto. Ich denke, dass der Bedarf wachsen wird, weil wir wegen Corona auf eine erhebliche Wirtschaftskrise zusteuern. Schon jetzt steigt die Nachfrage.
Robert Talaj, Projektleiter Kirchliche Wohnrauminitiative „Türöffner“Biberach-Saulgau
Wir haben über alle üblichen Wege versucht, ein Häuschen oder einen Bauplatz zu finden. Es geht aber alles unter der Hand weg. Fünf Monate waren wir dann letztes Jahr überall in Wangen und den Ortschaften unterwegs und haben jeden, den wir getroffen haben, angequatscht. Wir sind auf ganz viel Verständnis gestoßen und auf viel Hilfsbereitschaft. Dann gab es ein neues Baugebiet in Wangen, auf einen Bauplatz haben wir uns aber erfolglos beworben. Die Bauplätze gingen hauptsächlich an Familien mit mindestens zwei Kindern, wir haben nur ein Kind. Es gibt meiner Meinung nach viele Faktoren, warum es so schwer ist, ein Eigenheim zu finden. In der Region gibt es viele Ferienwohnungen von Menschen, die zwei-, dreimal im Jahr zum Skifahren hierherkommen. Das ist ein Problem. Ein anderes ist, dass es auch keine Wohnungen gibt für ältere Menschen, die in einem Haus wohnen, sich aber verkleinern wollen. Dann sind wir durch totalen Zufall an einen Bauplatz in Deuchelried gekommen. Wir hatten Glück und dürfen jetzt bauen. Die Eigeninitiative hat sich gelohnt.
Manuela Post aus Wangen
Wohnraum ist für uns natürlich ein Thema. Wir haben hier in Biberach den größten Forschungs- und Entwicklungsstandort weltweit für unser Unternehmen und zudem unseren größten Biotechnologie-Standort. Das ist außergewöhnlich für eine Stadt mit 35 000 Einwohnern. Unsere 6500 Mitarbeitenden wohnen zu einem erheblichen Teil in Biberach. In den letzten fünf Jahren sind wir allein um etwa 1000 Mitarbeiter gewachsen. Da ist es gar nicht so leicht, immer geeigneten Wohnraum zu finden oder bereitzustellen, auch für eine Stadt wie Biberach und die Umlandgemeinden ist das nicht einfach.
Im Moment beschäftige ich mich mit dem Thema, weil wir weiter wachsen wollen. Wir brauchen sehr gute Leute mit viel Fachexpertise, auch internationale Experten. In der Regel bringen sie ihre Partner oder Familien mit. Fachkräfte von außerhalb der Region zu rekrutieren, ist eine Herausforderung. Um ihnen hier ein Zuhause zu bieten, um sie halten zu können, brauchen wir gute Perspektiven. Das wird zunehmend schwerer. Der Schlüssel ist, miteinander zu sprechen. Oft wissen Kommunen gar nicht so genau, was Unternehmen planen – hier ist das anders. Wir haben regelmäßige Termine mit der Stadt, in denen wir über unsere gegenseitigen Erwartungen sprechen.
Fridtjof Traulsen, Standortleiter von Boehringer Ingelheim in Biberach