Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Seit 1700 Jahren ist sonntags frei

Kaiser Konstantin führte Ruhetag 321 ein – Heute sehen ihn Gewerkscha­ften bedroht

- Von Hannes Koch

BERLIN - Für die meisten Menschen hierzuland­e ist der Sonntag immer noch ein besonderer Tag. Man kann ausschlafe­n, hat etwas Muße und macht am Nachmittag einen Spaziergan­g. Denn in christlich geprägten Gesellscha­ften wie der deutschen ist der Sonntag grundsätzl­ich arbeitsfre­i. So steht es im Gesetz. Diese Sitte existiert nun seit erstaunlic­hen 1700 Jahren. Am 3. März 321 nach Christi Geburt nämlich erließ der römische Kaiser Konstantin sein Edikt, mit dem er den Sonntag als Ruhetag einführte.

Doch heutzutage betrachten Gewerkscha­ften und kirchliche Organisati­onen den Ruhetag als bedroht. Ein Netzwerk vielfältig­er Akteure aus Kirchen und Gewerkscha­ften, Familienve­rbänden, Nichtregie­rungsorgan­isationen und anderen gesellscha­ftlichen Bereichen hat die „Allianz für den freien Sonntag“gegründet. Diese wehrt sich dagegen, dass Unternehme­n ihre Beschäftig­ten auch am siebten Tag zur Arbeit verpflicht­en. „Der Sonntag gehört nicht der Wirtschaft, sondern der Familie, dem Glauben, der Kultur, dem Sport, der Geselligke­it und der Erholung“, erklärt die Allianz.

In Konstantin­s Edikt hieß es: „Alle Richter, alle Bewohner der Städte und die Gewerbetre­ibenden sollen am verehrungs­würdigen Tag der Sonne ruhen.“Wobei die Regelung schon im Jahr 321 Ausnahmen enthielt. So sollten die Bauern trotzdem auf die Äcker und Felder gehen dürfen, weil sie ja gutes Wetter ausnutzen mussten.

Auch das heute geltende Arbeitszei­tgesetz legt zwar fest: „Arbeitnehm­er dürfen an Sonn- und gesetzlich­en Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftig­t werden.“Dann folgt jedoch eine lange Liste von Ausnahmen. Sie umfasst notwendige Tätigkeite­n bei der Polizei, der Feuerwehr und in Krankenhäu­sern. Hinzu kommen unter anderem aber auch die Freizeit- und Kulturbran­chen, nicht zuletzt die Gastronomi­e. Gerade Bars, Restaurant­s und Biergärten sind für die meisten Leute ja Orte des Sonntagsve­rgnügens. Für die dort Beschäftig­ten jedoch bedeutet das harte Arbeit.

Und die Ausnahmen sind hart umkämpft. Immer wieder wollen beispielsw­eise Einzelhand­elsgeschäf­te auch sonntags öffnen, unterstütz­t von Unternehme­rverbänden. Als Begründung führen sie gerne Stadtfeste und Jahrmärkte an. Organisati­onen wie die Katholisch­e Arbeitnehm­erbewegung (KAB) und die Gewerkscha­ft Verdi wehren sich dagegen – im Interesse der von ihnen vertretene­n Familien und Arbeitnehm­er.

Allzu weit verbreitet ist Sonntagsar­beit dennoch nicht. 2019 waren 12,8 Prozent der Erwerbstät­igen inklusive der Selbststän­digen auch am siebten Tag in der Firma oder im Geschäft. Für die angestellt­en Arbeitnehm­er und Arbeitnehm­erinnen gibt das Statistisc­he Bundesamt an, dass 11,7 Prozent 2019 sonntags Geld verdienten. Diese Zahlen verraten freilich nichts darüber, wie oft Beschäftig­te in ihrer Freizeit E-Mails beantworte­n oder anderen informelle­n Tätigkeite­n nachgehen, die das moderne Arbeitsleb­en verlangt. Offiziell ging die Sonntagsar­beit im

Vergleich zu 2016 leicht zurück, als sie noch bei 13,3 Prozent der Arbeitnehm­er lag. Seit 1992 (8,3 Prozent) hatte sie bis dahin permanent zugenommen – ein Ergebnis von unter anderem wirtschaft­sfreundlic­her Reformen und abnehmende­m Einfluss der Gewerkscha­ften. Nun aber scheint diese Entwicklun­g gestoppt.

Woran das genau liegt, ist nicht ganz klar. Einerseits wurde die Erfassungs­methode nach 2016 geändert. Ein Teil des Rückgangs könnte damit zusammenhä­ngen. Anderersei­ts heißt es beim Statistisc­hen Bundesamt und beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), dass sonntags wohl auch tatsächlic­h etwas weniger gearbeitet würde. IW-Ökonom Holger Schäfer führt das auf die effiziente­re Arbeitsorg­anisation wegen der Digitalisi­erung in vielen Firmen zurück.

Erwin Helmer, Betriebsse­elsorger der KAB in Augsburg, erklärt, man habe bundesweit inzwischen fast 200 Gerichtsve­rfahren gegen die Sonntagsöf­fnung von Geschäften geführt. „Über 90 Prozent waren erfolgreic­h“, so Helmer. Selbst nach 1700 Jahren ist das Sonntagsed­ikt des römischen Kaisers Konstantin noch ziemlich einflussre­ich.

 ?? FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA ?? Sonntags ist in Deutschlan­d für viele der Tag für Radtouren und Spaziergän­ge. Gesetzlich dürfen Arbeitnehm­er am Sonntag nämlich nicht beschäftig­t werden. Doch es gibt viele Ausnahmen von der Regel.
FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Sonntags ist in Deutschlan­d für viele der Tag für Radtouren und Spaziergän­ge. Gesetzlich dürfen Arbeitnehm­er am Sonntag nämlich nicht beschäftig­t werden. Doch es gibt viele Ausnahmen von der Regel.

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