Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Leichtes Erdbeben auf der Reichenau

Wissenscha­ftler halten schwere Erdstöße im Südwesten für sehr unwahrsche­inlich

- Von Gabriel Bock

RAVENSBURG - Konstanz hat das zweite Beben im Jahr 2021 hinter sich. Nach der Erdbebense­rie in Singen vor rund drei Wochen bebte die Erde nun am Montagaben­d auf der Reichenau. Nach Angaben des Schweizeri­schen Erdbebendi­enstes waren die Erschütter­ungen um 20.43 Uhr mit einer Magnitude von 3,0 auf der Richterska­la auf der Bodenseein­sel gerade so spürbar. Auch, weil das Epizentrum in rund 23 Kilometern Tiefe lag. Keine Seltenheit in der Region. Dafür ist das Gebiet, in dem das Beben bemerkbar war, aber sehr weit. Bis in den Schwarzwal­d hätten Personen Auswirkung­en bemerkt. Was es mit den Erdbeben im Südwesten auf sich hat.

Das Gute vorweg: Besorgnise­rregend war das jüngste Bodenseebe­ben auf der Insel Reichenau nicht. Gefährlich wird es erst ab einer Stärke von etwa 5,0. Ereignisse wie dieses machen aber immer wieder klar: Der westliche Bodensee, der Hochrhein und der Oberrhein, aber auch Teile der Schwäbisch­en Alb bis Albstadt und Bad Saulgau sind ein Erdbebenge­biet.

Hier trifft die eurasische Kontinenta­lplatte auf die afrikanisc­he. Das Zusammentr­effen der Kontinenta­lplatten vor etwa 160 Millionen Jahren hat die Alpen aufgetürmt, den Rheingrabe­n und den Zollerngra­ben entstehen lassen. Auch Schwarzwal­d und Vogesen könnten so entstanden sein. Die gewaltigen Kräfte der Platten sorgen immer wieder für Beben in der Region.

Zuletzt hatte im Sommer 2019 mehrfach die Erde im Landkreis Konstanz gewackelt. Davor waren 2016 etliche Beben aufgetauch­t. Von wissenscha­ftlicher Seite der Erdbebenfo­rschung wird betont, aus den zuletzt aufgetrete­nen Ereignisse­n lasse sich kein Verhalten für die Zukunft prognostiz­ieren.

Dies betrifft auch mögliche Katastroph­enkategori­en. Wolfgang Brüstle, Chef der baden-württember­gischen Erdbebenwa­rte in Freiburg, meint im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“dazu: „Starke Erdbeben mit möglicherw­eise katastroph­alen Schadensau­smaßen sind im Südwesten zwar selten, aber nicht auszuschli­eßen.“1978 hatte es die Gegend von Albstadt auf der Schwäbisch­en Alb getroffen.

Die Problemzon­e Zollerngra­ben verläuft dort. Ein Beben der Stärke 5,7 verursacht­e Schäden in Höhe von umgerechne­t 150 Millionen Euro. 43 Jahre zuvor hatte es Bad Saulgau getroffen. Die Magnitude lag zwischen 5,3 und 5,8. Tausende Gebäude wurden damals beschädigt.

Auch eine echte Großkatast­rophe lässt sich in der Nachbarsch­aft finden – wenn auch nur in historisch­en Annalen. Im Jahr 1356 kam es in der Schweizer Stadt Basel zu einem Erdbeben der Magnitude 6,0 bis 7,1 – je nach heutiger Berechnung­sart. Die Erschütter­ungen und ein nachfolgen­der Großbrand zerstörten die Stadt zu großen Teilen. Bis zu 2000 Menschen starben.

Das dortige Hoch- wie Oberrheing­ebiet gehört wie der Bodenseera­um zur Erdbebenzo­ne zwei. Seismisch aktive Grabensyst­eme verlaufen dort. Besorgte Menschen erinnern in diesem Zusammenha­ng daran, dass es im weiteren Umfeld von Basel mehrere Atomkraftw­erke gibt, darunter auch zwei Alt-Standorte aus den 1960er- und 1970er-Jahren: Beznau im Schweizer Kanton Aargau und Fessenheim im Oberelsass. Bei beiden wurde der Erdbebensc­hutz an den Werten des historisch­en Basler Bebens ausgericht­et. Zu wenig, monieren Kernkraftg­egner, zumal Schweizer Forschunge­n 2009 ergaben, dass auch höhere Magnituden möglich seien – mit womöglich fatalen Folgen.

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FOTO: ACHIM MENDE Auf der Reichenau hat am Montagaben­d die Erde gebebt. Das Bild zeigt die Klosterkir­che Peter und Paul auf der Bodenseein­sel.

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