Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Durchbruch bei der Regio-S-Bahn?
Verkehrsminister möchte Angebot ausweiten – Aber: Will die Region mehr, muss sie zahlen
ULM - Lösen sich „Verärgerung“und „Vertrauensverlust“rund um den Zankapfel Regio-S-Bahn in den kommenden Tagen in Wohlgefallen auf? Möglich. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kündigt in der „Schwäbischen Zeitung“Gespräche über schnellere Züge zwischen Biberach und Ulm an; von einem REHalbstundentakt und Verdichtern zur Hauptverkehrszeit ist die Rede. Umsonst dürfte die Region das Angebot jedoch nicht bekommen.
Schwer enttäuscht von Winfried Hermann hatten sich Vertreter des Regio-S-Bahn-Vereins in einem jüngst an den Landes-Verkehrsminister verschickten offenen Brief gezeigt (wir berichteten). Kernvorwurf: Das Land stehe noch immer auf der Bremse bei dem Mammut-Projekt. Gleichsam erhoben Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (Vereinsvorsitzender) sowie die drei Landräte Heiner Scheffold (Alb-Donau), Heiko Schmid (Biberach) und Peter Polta (Heidenheim), allesamt im Vorstand des Regio-S-Bahn-Vereins, die Forderung, den Blick nach Bayern zu wenden. Dort könne man sehen, dass es auch anders gehe. Die bayerische Landesregierung würde das S-BahnProjekt mit Verve unterstützen.
Die Reaktion aus dem Verkehrsministerium folgte am Dienstag. Doch womöglich anders als von manchem Vorkämpfer der S-Bahn gedacht.
Der „Schwäbischen Zeitung“teilte Hermann in einem Telefonat mit, dass es sich bei den Zügen auf bayerischer Seite, die bereits unter dem Mantel der Regio-S-Bahn verkehren, mitnichten um ein „leuchtendes Beispiel“handele. Weil die Züge, trotz anderslautender Bezeichnung, nach wie vor nicht in S-Bahn-Taktung unterwegs sind. Außerdem lasse der Freistaat seine Dieselzüge noch viele weitere Jahre rollen, anders als Baden-Württemberg. Eine gemeinsame, länderübergreifende Ausschreibung der Verkehre für die Regio-S-Bahn sei deshalb erst in den 2030er-Jahren realistisch.
All das hatte Hermann schon in der Vergangenheit zu verschiedenen Gelegenheiten betont. Insoweit war seine Reaktion auf den Frontalangriff von Czisch & Co. im offenen Brief keine Überraschung.
Dieser Hinweis allerdings schon. Noch in dieser Woche würden Gespräche zwischen seinem Haus und Gunter Czisch geführt. Ziel: Schnelle Züge auf die Südbahn zu bringen. Hermann sprach von einem REHalbstundentakt ab diesem Dezember auf Teilen der dann elektrifizierten Südbahn (Ulm - Friedrichshafen).
In dem mit Czisch anberaumten
Gespräch will Hermann einen sogenannten „Letter of intent“, eine Absichtserklärung des Landes, vorlegen. In diesem festgeschrieben: Die Züge, die das Land bereit ist, ab Ende des Jahres auf die Schiene zu bringen.
Das klingt verlockend, hat jedoch auch mindestens zwei Haken.
Erstens: Die angebotene Angebotsverbesserung ist kein Freifahrschein. Besteht der Regio-S-BahnVerein auf Verbesserungen (mehr Züge, die öfters halten), die über den landesweit geltenden Standard hinaus gehen, so gehe er von der Bereitschaft der Region aus, so Hermann, sich finanziell zu beteiligen. Hermann verwies auf Beispiele, in denen
schon ähnlich verfahren wurde. Auch beim Bahnhof Merklingen: Eigentlich nicht vorgesehen, kam der Bahnhof nur deshalb, weil die profitierenden Kommunen selbst Millionen Euro beisteuerten. Den Löwenanteil zahlte dann das Land.
Zweiter Haken: Der S-Bahn-Verein könnte sich selbst ein Bein stellen. Denn nach wie vor besteht die Gefahr, dass kurzfristige Verbesserungen am Ende dazu führen, dass die Regio-S-Bahn in ihrer Gesamtheit nicht bezuschusst werden kann vom Bund. Ohne die Millionen aus Berlin ist das Vorhaben aber tot.
Hintergrund: Die Förderung gibt’s erst, wenn die Nutzen-Kosten-Untersuchung
(wurde unlängst beauftragt vom S-Bahn-Verein) zum Ergebnis kommt, dass der Nutzen die Kosten überwiegt. Crux des bundesweit standardisierten Vorgehens: Je schlechter der Zustand einer Infrastruktur, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass durch beantragtes Fördergeld der errechnete Nutzen am Ende groß sein wird. Prescht der Verein jetzt also vor und investiert (oder auch das Land), dann könnte dies am Ende das Ende der SBahn bedeuten. „Wir müssen da aufpassen“, mahnte Hermann.
Aber: Der Verkehrsminister versucht, diesen schlimmsten aller Fälle zu verhindern. Doch hierfür ist er angewiesen auf den Bund. Dieser müsste zusichern, dass der aktuelle „Nullfall“eingefroren und trotzdem kurzfristige Verbesserungen umgesetzt werden können. Ohne dass dies das Vorhaben konterkariert. Es scheint zumindest möglich, dass Hermann hier Erfolg haben könnte. Kommende Woche spricht sein Amtschef in dieser Sache zusammen mit Vertretern der Region beim Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums vor.
Durchblicken lässt Hermann im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“aber auch, dass er den offenen Brief und die darin seitens des Vereins erhobenen Vorwürfe als wenig prickelnd empfunden habe – schlechter Stil und unsachlich. Gehe es um die Schiene, müsse man sein Haus „nicht zu Projekten treiben“. Das Gegenteil sei der Fall, sagte der Grünen-Minister und zählte auf, wie oft sein Ministerium in den vergangenen Monaten und Wochen schon Gespräche rund um die Realisierung der Regio-S-Bahn geführt habe. Und welche Verbesserungen bereits konkret fixiert seien. Eine „neue Zeitrechnung“beginne dann mit der endgültigen Inbetriebnahme der Schnellbahntrasse Ulm-Wendlingen und des Stuttgarter Tiefbahnhofs ab 2025.
Allein es bleibe ein sehr komplexes Vorhaben – in das vor allem die Bahn eingebunden werden müsse. Und die agiere aus seiner Sicht nicht immer so dynamisch, wie er es sich erhofft. Entscheidend sei zum Beispiel ein fünfter Bahnsteig im Ulmer Hauptbahnhof. Den prüfe die Bahn derzeit. Aber auch ein Verkehrsminister habe hier keine Handhabe.
Eine konkrete Aussicht, bis wann auch weitere Strecken einer Regio-SBahn – wie die Südbahn – elektrifiziert sein könnten, mochte Hermann nicht geben. Es sei durchaus möglich, dass auch langfristig nicht auf allen Strecken eine Oberleitung gebaut werde. Hermann erinnerte an die Südbahn, für die er sich schon seit zehn Jahren als Minister einsetze. Nun, in neun Monaten, stromern die ersten Züge.