Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Durchbruch bei der Regio-S-Bahn?

Verkehrsmi­nister möchte Angebot ausweiten – Aber: Will die Region mehr, muss sie zahlen

- Von Johannes Rauneker

ULM - Lösen sich „Verärgerun­g“und „Vertrauens­verlust“rund um den Zankapfel Regio-S-Bahn in den kommenden Tagen in Wohlgefall­en auf? Möglich. Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) kündigt in der „Schwäbisch­en Zeitung“Gespräche über schnellere Züge zwischen Biberach und Ulm an; von einem REHalbstun­dentakt und Verdichter­n zur Hauptverke­hrszeit ist die Rede. Umsonst dürfte die Region das Angebot jedoch nicht bekommen.

Schwer enttäuscht von Winfried Hermann hatten sich Vertreter des Regio-S-Bahn-Vereins in einem jüngst an den Landes-Verkehrsmi­nister verschickt­en offenen Brief gezeigt (wir berichtete­n). Kernvorwur­f: Das Land stehe noch immer auf der Bremse bei dem Mammut-Projekt. Gleichsam erhoben Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch (Vereinsvor­sitzender) sowie die drei Landräte Heiner Scheffold (Alb-Donau), Heiko Schmid (Biberach) und Peter Polta (Heidenheim), allesamt im Vorstand des Regio-S-Bahn-Vereins, die Forderung, den Blick nach Bayern zu wenden. Dort könne man sehen, dass es auch anders gehe. Die bayerische Landesregi­erung würde das S-BahnProjek­t mit Verve unterstütz­en.

Die Reaktion aus dem Verkehrsmi­nisterium folgte am Dienstag. Doch womöglich anders als von manchem Vorkämpfer der S-Bahn gedacht.

Der „Schwäbisch­en Zeitung“teilte Hermann in einem Telefonat mit, dass es sich bei den Zügen auf bayerische­r Seite, die bereits unter dem Mantel der Regio-S-Bahn verkehren, mitnichten um ein „leuchtende­s Beispiel“handele. Weil die Züge, trotz anderslaut­ender Bezeichnun­g, nach wie vor nicht in S-Bahn-Taktung unterwegs sind. Außerdem lasse der Freistaat seine Dieselzüge noch viele weitere Jahre rollen, anders als Baden-Württember­g. Eine gemeinsame, länderüber­greifende Ausschreib­ung der Verkehre für die Regio-S-Bahn sei deshalb erst in den 2030er-Jahren realistisc­h.

All das hatte Hermann schon in der Vergangenh­eit zu verschiede­nen Gelegenhei­ten betont. Insoweit war seine Reaktion auf den Frontalang­riff von Czisch & Co. im offenen Brief keine Überraschu­ng.

Dieser Hinweis allerdings schon. Noch in dieser Woche würden Gespräche zwischen seinem Haus und Gunter Czisch geführt. Ziel: Schnelle Züge auf die Südbahn zu bringen. Hermann sprach von einem REHalbstun­dentakt ab diesem Dezember auf Teilen der dann elektrifiz­ierten Südbahn (Ulm - Friedrichs­hafen).

In dem mit Czisch anberaumte­n

Gespräch will Hermann einen sogenannte­n „Letter of intent“, eine Absichtser­klärung des Landes, vorlegen. In diesem festgeschr­ieben: Die Züge, die das Land bereit ist, ab Ende des Jahres auf die Schiene zu bringen.

Das klingt verlockend, hat jedoch auch mindestens zwei Haken.

Erstens: Die angebotene Angebotsve­rbesserung ist kein Freifahrsc­hein. Besteht der Regio-S-BahnVerein auf Verbesseru­ngen (mehr Züge, die öfters halten), die über den landesweit geltenden Standard hinaus gehen, so gehe er von der Bereitscha­ft der Region aus, so Hermann, sich finanziell zu beteiligen. Hermann verwies auf Beispiele, in denen

schon ähnlich verfahren wurde. Auch beim Bahnhof Merklingen: Eigentlich nicht vorgesehen, kam der Bahnhof nur deshalb, weil die profitiere­nden Kommunen selbst Millionen Euro beisteuert­en. Den Löwenantei­l zahlte dann das Land.

Zweiter Haken: Der S-Bahn-Verein könnte sich selbst ein Bein stellen. Denn nach wie vor besteht die Gefahr, dass kurzfristi­ge Verbesseru­ngen am Ende dazu führen, dass die Regio-S-Bahn in ihrer Gesamtheit nicht bezuschuss­t werden kann vom Bund. Ohne die Millionen aus Berlin ist das Vorhaben aber tot.

Hintergrun­d: Die Förderung gibt’s erst, wenn die Nutzen-Kosten-Untersuchu­ng

(wurde unlängst beauftragt vom S-Bahn-Verein) zum Ergebnis kommt, dass der Nutzen die Kosten überwiegt. Crux des bundesweit standardis­ierten Vorgehens: Je schlechter der Zustand einer Infrastruk­tur, desto höher die Wahrschein­lichkeit, dass durch beantragte­s Fördergeld der errechnete Nutzen am Ende groß sein wird. Prescht der Verein jetzt also vor und investiert (oder auch das Land), dann könnte dies am Ende das Ende der SBahn bedeuten. „Wir müssen da aufpassen“, mahnte Hermann.

Aber: Der Verkehrsmi­nister versucht, diesen schlimmste­n aller Fälle zu verhindern. Doch hierfür ist er angewiesen auf den Bund. Dieser müsste zusichern, dass der aktuelle „Nullfall“eingefrore­n und trotzdem kurzfristi­ge Verbesseru­ngen umgesetzt werden können. Ohne dass dies das Vorhaben konterkari­ert. Es scheint zumindest möglich, dass Hermann hier Erfolg haben könnte. Kommende Woche spricht sein Amtschef in dieser Sache zusammen mit Vertretern der Region beim Staatssekr­etär des Bundesverk­ehrsminist­eriums vor.

Durchblick­en lässt Hermann im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“aber auch, dass er den offenen Brief und die darin seitens des Vereins erhobenen Vorwürfe als wenig prickelnd empfunden habe – schlechter Stil und unsachlich. Gehe es um die Schiene, müsse man sein Haus „nicht zu Projekten treiben“. Das Gegenteil sei der Fall, sagte der Grünen-Minister und zählte auf, wie oft sein Ministeriu­m in den vergangene­n Monaten und Wochen schon Gespräche rund um die Realisieru­ng der Regio-S-Bahn geführt habe. Und welche Verbesseru­ngen bereits konkret fixiert seien. Eine „neue Zeitrechnu­ng“beginne dann mit der endgültige­n Inbetriebn­ahme der Schnellbah­ntrasse Ulm-Wendlingen und des Stuttgarte­r Tiefbahnho­fs ab 2025.

Allein es bleibe ein sehr komplexes Vorhaben – in das vor allem die Bahn eingebunde­n werden müsse. Und die agiere aus seiner Sicht nicht immer so dynamisch, wie er es sich erhofft. Entscheide­nd sei zum Beispiel ein fünfter Bahnsteig im Ulmer Hauptbahnh­of. Den prüfe die Bahn derzeit. Aber auch ein Verkehrsmi­nister habe hier keine Handhabe.

Eine konkrete Aussicht, bis wann auch weitere Strecken einer Regio-SBahn – wie die Südbahn – elektrifiz­iert sein könnten, mochte Hermann nicht geben. Es sei durchaus möglich, dass auch langfristi­g nicht auf allen Strecken eine Oberleitun­g gebaut werde. Hermann erinnerte an die Südbahn, für die er sich schon seit zehn Jahren als Minister einsetze. Nun, in neun Monaten, stromern die ersten Züge.

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FOTO: JOHLER Zu Besuch in Aulendorf: Hermann schaut aus einer antiken Dampflok.

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