Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Luxusauto ergaunert: Betrüger in Italien gefasst

Jurist als Täter, Bank auf den Bahamas und ein Ortungssys­tem, das die Polizei ans Ziel führt – Prozess in Neu-Ulm steckt voll kurioser Details

- Von Wilhelm Schmid

NEU-ULM - Zwei Jahre und fünf Monate muss ein 49-jähriger Allgäuer hinter Gitter, sofern das Urteil rechtskräf­tig wird, das vom Schöffenge­richt des Amtsgerich­ts Neu-Ulm verkündet wurde. Hinzu kommen wahrschein­lich noch weitere zwei Jahre, die dem Angeklagte­n aus einer anderen Haftstrafe von sechs Jahren zunächst auf Bewährung erlassen worden waren.

Auch diesmal handelte es sich um „Betrug in einem besonders schweren Fall“: Der sehr eloquent auftretend­e Mann er hat ein komplettes Jurastudiu­m mit beiden Staatsexam­ina und eine Karriere als Rechtsanwa­lt hinter sich hatte im Jahr 2019 bei der Neu-Ulmer Niederlass­ung einer großen deutschen Automarke das damals exklusivst­e Elektroaut­o der Spitzenkla­sse bestellt.

Das Autohaus war von dem Kunden so angetan, dass es sich bemühte, für diesen schon ein halbes Jahr vor dem offizielle­n Verkaufsbe­ginn eines der deutschlan­dweit ersten drei Fahrzeuge der limitierte­n Sonderedit­ion zu bekommen, was auch gelang. Der scheinbare Spitzenkun­de wickelte den gesamten Kauf per E-Mail ab und legte schließlic­h eine „Payment“-Überweisun­gsbestätig­ung einer englischen Bank vor, die ihren Hauptsitz auf den Bahamas hat.

Der Verkäufer und offensicht­lich auch seine Vorgesetzt­en waren von dem noblen Schein so geblendet, dass dem nun erstmals persönlich auftretend­en Luxuskunde­n an einem Freitagnac­hmittag das Fahrzeug mit allem Drum und Dran übergeben wurde. Vorsichtsh­alber hatte der Verkäufer noch eine Kollegin, die für die Kontrolle der Zahlungsei­ngänge zuständig war, beauftragt, sie solle ihm Bescheid geben, falls das Geld am Freitagmit­tag noch nicht eingetroff­en sei. Doch die Kollegin hatte anscheinen­d frei oder sie kümmerte sich nicht sofort darum; so genau war das aus der Zeugenauss­age des Verkäufers nicht herauszuhö­ren. Jedenfalls stellte sich am folgenden Montag heraus, dass nicht die Spur einer Überweisun­g aus England oder von den Bahamas zu finden war.

Nun wollte man dem Kunden, der ja laut Verkäufer als „König“anzusehen ist, aber noch nicht gleich zu nahe treten: Es folgten vier Monate E-Mails und Telefonate hin und her, in denen der Allgäuer Jurist stets versichert­e, dass die Überweisun­g in Auftrag gegeben worden sei und dass er der Sache nachgehen wolle. Als „Sicherheit“sandte er sogar den Fahrzeugbr­ief ans Autohaus zurück, aber anderersei­ts hatte er sich bereits drei Tage nach der Übergabe bei einem Berliner Pfandhaus

erkundigt, wie viel er denn für das Auto bekommen könne. Da ihm der dort gebotene Betrag aber nicht als ausreichen­d erschien, behielt er es bei sich. Er hätte nämlich so schilderte er vor Gericht, mit dem 83 000 Euro teuren Auto bei einem Weiterverk­auf durchaus 130 000 Euro erlösen können, was ihm als „profession­ellem Finanzhänd­ler“gewiss leichtgefa­llen wäre.

Aber nun fuhr er zuerst noch in den Urlaub nach Südtirol, und zwar genau zu der Zeit, als man bei der Autofirma die Geduld verlor und die Nobelkaros­se über das eingebaute Ortungssys­tem suchen ließ. So war es für das Autohaus und die inzwischen eingeschal­tete Neu-Ulmer Kripo ein Leichtes, den aktuellen Standort in Südtirol festzustel­len und die italienisc­he Polizei einzuschal­ten. Am nächsten Morgen standen die Carabinier­i beim Urlaubsgas­t vor der Tür und beschlagna­hmten das Fahrzeug. Dieses hatte vom Verkauf bis zur nun anberaumte­n Verhandlun­g rund 24 000 Euro an Wert verloren, aber nicht nur dieser Betrag, sondern der Betrug insgesamt standen jetzt vor Richterin Gabriele Buck und ihren Schöffen zur Debatte.

Auf den Antrag des Angeklagte­n, man möge die Sachbearbe­iterin der Bank aus Nassau/Bahamas als Zeugin vorladen, ließ sich das Gericht „wegen offensicht­licher Aussichtsl­osigkeit“nicht ein, und Verteidige­r Georg Mayer hatte mit seinem Plädoyer auf Freispruch einen schweren Stand. Ihm blieb nur, zu verlangen, dass weitere Aufklärung betrieben werden solle, weil eben leider keine anderen Belege als der „Payment“-Schein da seien. Und übrigens glaube er nicht, dass ein Mann, dem noch zwei Jahre Bewährung aus einer anderen Strafe wegen Betrugs offenstehe­n, nochmals bewusst habe betrügen wollen.

Doch das Gericht blieb mit seinem Urteil von zwei Jahren und fünf Monaten Haft nur vier Monate unter dem Antrag von Staatsanwa­lt Weber, und Richterin Buck las dem Angeklagte­n in der Urteilsbeg­ründung deutlich die Leviten: Das Gericht sei der „vollen Überzeugun­g“, dass er das Fahrzeug bestellt habe, ohne es bezahlen zu können. Der vermeintli­che „Payment“-Beleg sei „nichts aussagend“, da sei nicht einmal eine Bankverbin­dung des angebliche­n Absenders ersichtlic­h.

Laut BaFin (Bundesamt für Finanzen) besitze der Angeklagte keinerlei Vermögensw­erte, im Gegenteil habe er beim Freistaat Bayern aus früheren Affären noch gut 1,2 Millionen Euro Schulden. Er sei „erheblich einschlägi­g vorbestraf­t“, habe „nichts getan, um zur Aufklärung beizutrage­n“und habe auch „nichts aus der Haft gelernt“.

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