Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Viele Fragezeichen und ein britischer Vorstoß
In 100 Tagen soll die 2020 verschobene, eigentlich paneuropäisch konzipierte Fußball-EM beginnen – geht das?
FRANKFURT (SID) - Geister-EM oder volle Ränge? Paneuropäisch oder nur im Mutterland? Oder doch gar eine komplette Absage? 100 Tage vor dem geplanten Eröffnungsspiel schweben immer noch unzählige Fragezeichen über der Fußball-Europameisterschaft. Doch mitten hinein in die Ungewissheit fängt der britische Premierminister Boris Johnson plötzlich an zu träumen – und zwar von einer Retterrolle Großbritanniens.
Nach jetzigem Stand gelte noch der ursprüngliche EM-Plan, sagte Johnson dem Boulevardblatt „Sun“, um sich aber gleich für mehr anzubieten. „Bei jedem anderen Spiel, das sie (die UEFA; d. Red) ausrichten wollen, sind wir auf jeden Fall dabei“, stellte der 56-Jährige unmissverständlich klar. Er hoffe, schon bald bei einem Pint auf eine größere Beteiligung Großbritanniens an der Europameisterschaft anstoßen zu dürfen.
Neben dem Londoner WembleyStadion, in dem unter anderem ohnehin die Halbfinals und das Finale stattfinden sollen, ist der Hampden Park in Glasgow ebenso wie München als einer der zwölf Spielorte in zwölf Ländern vorgesehen. Doch Großbritannien fühlt sich bereit für die Hauptrolle bei der vom 11. Juni an geplanten EM. Sei es nur für mehr Spiele oder gar als alleiniger Ausrichter.
Diese Botschaft dürfte auch bei der UEFA ankommen. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie und der damit verbundenen Reisebeschränkungen und Gefahren fahndet die nämlich längst nach Alternativlösungen. Schließlich soll eine Absage wie 2020 unter allen Umständen vermieden werden. Ob und in welchem Format die EURO stattfinden kann, soll definitiv im April entschieden werden.
Das Zeitspiel begleitet das Prinzip Hoffnung. „Ich bin optimistisch, dass sich die Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit verändern wird, je näher das Turnier rückt“, sagte UEFAPräsident Aleksander Ceferin Ende Januar. Aber es sei klar, „dass es notwendig ist, flexibel über die Modalitäten des Turniers zu entscheiden“.
Die Zweifel am Ursprungsplan wachsen täglich. „Es ist illusorisch, dass im Juni 2021 eine Fußball-EM in zwölf verschiedenen europäischen Ländern stattfindet“, sagte beispielsweise Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic dem Nachrichtenportal t-online. Vor allem, wenn auch noch – so der Wunsch der UEFA – Zuschauer zugelassen werden sollen.
Mit weniger Gastgeberländern oder sogar nur einem Ausrichter ließen sich Geisterspiele sicher leichter verhindern. Während der Deutsche Fußball-Bund in Person von Philipp Lahm („absolut kein Szenario“) bezüglich der alleinigen Gastgeberrolle bereits abgewunken hat, stößt das offensiv geäußerte Interesse von Israel bislang nur auf wenig Begeisterung. Viele Zeichen deuten auf Großbritannien hin: Auf der Insel wurde bereits ein beträchtlicher Impferfolg erzielt, bis Mitte Juni sollen alle Corona-Beschränkungen aufgehoben werden. Boris Johnson träumt deshalb gar schon von einer „Bonanza des Fußballs“im Mutterland und vom EM-Finale im legendären Wembley vor 90 000 Fans – doch bis zur endgültigen Entscheidung wird auch er sich noch etwas in Geduld üben müssen.