Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bundesweit Gerüste gestohlen: Tölpelhaft­e Bande vor Gericht

Männer wollten Geld machen – Am Tatort begangen sie einen Kardinalfe­hler

- Von Johannes Rauneker

ULM - Sie witterten offenbar das große Geld – indem sie Gerüste stahlen, die sie danach weiterverk­aufen wollten. Der Schaden, den sie laut Staatsanwa­ltschaft angerichte­t haben, der ist tatsächlic­h enorm. Doch das TatVorgehe­n der sieben Angeklagte­n, die größtentei­ls aus dem Raum Frankfurt stammen, entpuppte sich beim Auftakt der Hauptverha­ndlung am Mittwoch vor dem Ulmer Landgerich­t als stellenwei­se tölpelhaft. Den Bandenmitg­liedern drohen mehrjährig­e Haftstrafe­n.

Verhandelt wird der Fall, in dem es um schweren Bandendieb­stahl geht, aus diesem Grund in Ulm: Es waren Ulmer Ermittler, die die sieben türkischst­ämmigen Männer (im Alter zwischen 33 und 54 Jahren) auf die Anklageban­k brachten.

Die Staatsanwa­ltschaft Ulm wirft ihnen vor, im vergangene­n Jahr zwei mal den Hof einer Firma in einem Gewerbegeb­iet nördlich der Stadt „besucht“zu haben, die Gerüste herstellt und verkauft – im Januar, das zweite Mal im April. Zu ihren „Touren“sollen sie mit eigens angemietet­en Lastern angereist sein, und immer dann zugeschlag­en haben, wenn sie sich unbeobacht­et wähnten.

Auf den Lastern landeten vor allem Gerüste, aber auch Zaunelemen­te und Böden. Rund 20 Tonnen schwer sei das Diebesgut aus Ulm gewesen, das sie vom Hof der Gerüstfirm­a geklaut haben sollen. Wert: rund 200 000 Euro. Insgesamt wird den sieben Männern, von denen nicht jeder Deutsch spricht (deshalb hat das Gericht drei Dolmetsche­r engagiert), ein Dutzend Taten vorgeworfe­n, verübt im gesamten Bundesgebi­et. Gesamtscha­den laut Staatsanwa­ltschaft: eine knappe halbe Million Euro. Die Männer sitzen in Untersuchu­ngshaft und wurden zum Verhandlun­gsauftakt in der Donauhalle teils in Handund Fußschelle­n vorgeführt.

Die Masche der Angeklagte­n: Ein möglicher Tatort wurde ausgekunds­chaftet, danach schlug die Gruppe zu. Die Männer sollen sich die Arbeit aufgeteilt haben: in Späher, Fahrer, das Klauen vor Ort. Um die Gerüste weiterverk­aufen zu können, sei sogar eigens eine Firma gegründet worden. Und um auf Nummer sicher zu gehen, sollen die Gerüste umlackiert worden sein. Die Männer seien in einer „profession­ell organisier­ten Art und Weise“vorgegange­n, so die Staatsanwa­ltschaft. Deshalb der Vorwurf des schweren Bandendieb­stahls. Der Strafrahme­n reicht hier von einem bis zu zehn Jahren Haft. Wobei der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Tresenreit­er deutlich machte, diesen – zumindest angesichts der bislang bekannten Vorwürfe – wohl nicht auszureize­n zu müssen.

Angeklagt ist noch ein achter Mann. Er soll die Gerüste angekauft und dann weiterverk­auft haben, im Wissen, dass sie gestohlen wurden. Ihm wird gewerbsmäß­ige Hehlerei vorgeworfe­n. Er ist der einzige, der noch auf freiem Fuß ist.

Dass die Männer sich überhaupt vor Gericht zu verantwort­en haben, ist dem Umstand geschuldet, dass sie bei ihren Taten zwar logistisch an fast alles gedacht zu haben scheinen, allerdings nicht daran: Es ist nicht ratsam, das Handy anzulassen, wenn man bei einer Sache nicht erwischt werden möchte. Die Ulmer Polizei kam ihnen auf die Schliche, nachdem sie auswerten ließ, wer sich zum mutmaßlich­en Tatzeitpun­kt nahe des Tatorts befand. Besser gesagt, wessen Handy nahe des Tatorts mit dem Funknetz verbunden war, während die Gerüste geklaut wurden. Es war die alles entscheide­nde heiße Spur.

Die Angeklagte­n seien „sehr laienhaft vorgegange­n“, meinte einer der Verteidige­r.

Wirklich strittig sind die Taten als solche nicht. In einem Vorgespräc­h loteten Gericht, Staatsanwa­ltschaft und Verteidige­r bereits aus, welche Bestrafung für welchen Angeklagte­n realistisc­h scheint (je nach Beteiligun­g) und was die Angeklagte­n selbst zu einer zügigen Prozessabw­icklung beitragen können. Am Mittwochna­chmittag sollten weitere Gespräche zwischen den Verfahrens­beteiligte­n geführt werden (nicht öffentlich).

Einer der Angeklagte­n ist bereits geständig, plädiert jedoch „nur“auf Beihilfe. Doch Richter Tresenreit­er machte deutlich: Um als Täter verurteilt zu werden, muss ein Angeklagte­r nicht zwingend direkt am Diebstahl der Gerüste beteiligt gewesen sein.

Es könne auch reichen, den Laster zum Abtranspor­t angemietet zu haben. Mitgehange­n, mitgefange­n. Im Raum stehen Strafen zwischen drei und sechs Jahren Haft.

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