Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Freiheitsstrafe wegen Bluttat
Mit Spieß zugestochen: Täter muss für zwei Jahre und zwei Monate ins Gefängnis
HEILIGKREUZTAL/BIBERACH - Am Schneckenhaus im Heiligkreuztaler Wald, einem beliebten Gebiet zum Wandern und Grillen, ereignete sich am 17. Oktober 2020 eine rätselhafte Bluttat. Bei einem Treffen von vier Personen wurde ein Mann mit einem Metallspieß schwer verletzt. Jetzt wurde der Fall vor dem Amtsgericht in Biberach verhandelt. Der 41-jährige Täter wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Der ursprüngliche Tatvorwurf des versuchten Totschlags war abgewandelt worden. Verhandelt wurde wegen schwerer Körperverletzung gegen ein Ehepaar und den Bruder des Mannes. Die Tatbeteiligten kannten sich. Alle kamen in den 1990er-Jahren nach Deutschland, der Hauptangeklagte lernte das spätere Opfer in einem Deutschkurs kennen. Die zwischen 33 Jahre und 42 Jahre alten Tatbeteiligten pflegten laut Zeugenaussagen eine freundschaftliche Beziehung. Man traf sich zum Grillen und Feiern, der Haupttäter war wenige Tage vor der Tat noch als Gast bei seinem späteren Opfer.
Am Tattag hatte das Ehepaar das spätere Opfer telefonisch zu einem Treffen im Wald bei Heiligkreuztal aufgefordert. Von dem was danach geschah gibt es zwei Versionen. Die Angeklagten, während der Tatzeit stark betrunken, sagten aus, dass sie den 42Jährigen zu einer Aussprache in den Wald bestellt hätten. Anlass sei gewesen, dass er „üble Gerüchte“über deren Familie verbreitet habe. Kaum sei dieser an dem vereinbarten Treffpunkt angekommen, hätte er völlig unerwartet angegriffen und dem Ehemann mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Dessen Bruder hätte zur Nothilfe den Angreifer abgedrängt und in die Büsche geschubst.
Das Opfer, ein kräftiger, redegewandter 42-Jähriger, widersprach temperamtvoll dieser Version. Er habe gedacht, so seine Variante, dass man sich zum gemeinsamen Grillen treffen würde. Allerdings sei er, kaum dass er einen Fuß aus dem Auto setzen konnte, sofort von dem Ehemann mit den Fäusten angegriffen worden. Eingeklemmt zwischen Autotür und Rahmen habe er im Abwehrkampf nach einem Radmutterschlüssel gegriffen, welcher sich in seinem Auto befand, und damit den Angreifer abgewehrt. Zunächst erfolgreich, allerdings sei nun von der Seite der Bruder auf den Plan getreten, und dieser habe unvermittelt mit einem Metallspieß dem Mitvierziger in die Brust gestochen. Das Opfer schilderte weiter, dass der Bruder mit erhobenem Spieß ihn etliche Meter weitergetrieben habe. „Er wollte mich töten“, so seine Aussage, er sei in Todesangst gewesen. Trotz seiner schweren Verletzung – die behandelnden Ärzte werden später attestieren, dass nur um 26 Millimeter das Herz verfehlt wurde, gelang es dem Opfer offenbar, sich in sein Auto zu setzen, um zu flüchten. Spaziergänger, die wenige Meter entfernt auf den Mann trafen, informierten die Polizei und den Rettungsdienst.
Zum Sachverhalt wurden zahlreiche Zeugen verhört. Zentral war die Frage nach der Tatwaffe, dem Metallspieß. War der Hauptangeklagte mit dem Plan in den Wald gegangen, den Bekannten zu verletzen? Hatten alle drei sich zu einer Abstrafaktion verabredet? Oder war das spätere Opfer ein gewaltbereiter Zeitgenosse, vor dem man sich schützen muss? Richter Bürglen, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung einigten sich zunächst auf die Einstellung des Verfahrens wegen Körperverletzung für das Ehepaar. Die Ehefrau habe versucht, die Situation zu besänftigen, dem Ehemann sei eine aktive Teilnahme nicht nachzuweisen.
Beim Haupttäter allerdings erkannte die Staatsanwaltschaft erhebliche kriminelle Energie. Dieser bot ein ellenlanges Strafregister. Der sich selbst als süchtig bezeichnende Mann hatte seit seiner Ankunft in Deutschland zahllose Delikte wie Diebstahl, Urkundenfälschung und räuberische Erpressung begangen. Selbst nach Gefängnisaufenthalten wurde er bald wieder straffällig. Dass er den Metallspieß mitgeführt habe und keinerlei Versuche einer gütlichen Einigung von ihm ausgegangen seien, wertete die Staatsanwaltschaft als klare Schuldhinweise. Der Verteidiger dagegen bezweifelte die Stimmigkeit der Opfer-Aussage. Dieser sei einschüchternd aufgetreten und habe mit dem Radschlüssel selbst das Leben des Ehemanns bedroht.
Das Schöffengericht beschloss nach langer Beratung eine Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten für den Haupttäter. Nach Auffassung des Gerichts sei es nur einem Zufall zu verdanken, dass der Vorfall nicht tödlich verlaufen sei. Die Tatsache, dass der Täter auch während einer Bewährung nicht in der Lage sei, sich aus solchen Konflikten herauszuhalten, deute auf eine schlechte Prognose hin. Die Ehefrau erhielt eine Geldstrafe wegen einer Alkoholfahrt, die Fahrerlaubnis wurde für sieben Monate entzogen.